Große Themenvielfalt im Farbenladen

Es ist wieder kalt geworden, der Frühling hat sich verabschiedet. Alles ist trüb und grau auf der Hansastraße. Doch der Farbenladen erstrahlt zum Glück als einziger Lichtfleck. Romina Ecker verzaubert das Publikum mit ihren Texten und King Pigeon sorgen für musikalische Untermalung

Zwischen einigen neugierigen Besuchern treffen schon bald
die Jungs von King Pigeon ein. Sie werden später ein Akustik Set spielen.
Vorher muss aber noch aufgebaut und der Sound ausgiebig gecheckt werden: Mikros
werden gerückt und Entfernungen optimal austariert, Dominik platziert eine
Banane neben seinem Cajon, die Nervennahrung darf schließlich nicht fehlen.

Zuvor nimmt aber noch ein zierliches Mädchen mit schwarzen
Zöpfen und roten Lippen an dem kleinen Metalltischchen in der Mitte des Raumes
platz um die Gäste für die nächste halbe Stunde in ihren Bann zu ziehen. Es ist
Romina Ecker, eine junge Drehbuch Studentin der HFF München. Sie wird einige
Texte vortragen, die in ihrer Variabilität sehr gut in den Rahmen der Ausstellung
passen: In so verschiedenen Situationen wie die Models auf den Fotos
präsentiert werden, so breit gefächert sind auch Rominas Themen und Schauplätze.

Ihr erster Text heißt „Tropical Banana“ – der Titel makaber
in seiner Heiterkeit, denn der Text behandelt nichts weniger als dem Kampf mit
dem Tod. Die Erzählung erfolgt in Ich-Form, was den Text umso ergreifender
macht, und ist gespickt von metaphorischen Bildern. Zwischen Knochenfrauen,
Giftbars und Glaskerkern wird die Brutalität deutlich, mit der eine Krankheit
ein Leben beenden kann, und die Unsicherheit, in der so ein Einschnitt die
Personen lässt, wird unterstrichen durch das immer wieder auftauchende Wörtchen
„vielleicht“.

Als Überleitung liest Romina zwischen den Texten je eine
Postkarte vor, und es wird einem schnell bewusst, dass gerade der kurze Text
auf einer Postkarte erneut ausdrückt, wie unterschiedlich  Persönlichkeiten sein können. Der knappe,
dramatische oder gestresste Stil der Karten sorgt bei den Zuhörern für einige
Lacher und trägt somit zur Auflockerung der Stimmung zwischen den schweren
Themen bei. Trotz der Ernsthaftigkeit der Texte ist Rominas Humor überraschend
unvorhersehbar und taucht völlig unvermittelt auf. Die Beschreibungen sind
detailreich und man identifiziert sofort die Drehbuchautorin dahinter, denn es
fällt dem Zuhörer leicht, sich direkt in die Szene hineinzuversetzen. Auch im
letzten  Text „Das 5. Pferd“ sind die
Worte so lautmalerisch gewählt, sodass man sich fühlt, als würde man mit auf
die Kutschfahrt nach Pavia gehen und das Schnauben der Pferde hören.

Nach der Lesung wird direkt angeregt diskutiert. Wie so oft
steht die Frage im Mittelpunkt, wie man als junge Literatin heute ausreichend
Aufmerksamkeit erlangt, besonders in einer Stadt wie München. „Schade, dass
sowas in München immer so am Rande stattzufinden scheint“, sagt auch Romina.
„Man muss die Leute immer erst überreden zu solchen Veranstaltungen zu kommen,
als hätten sie irgendwas zu verlieren. Dabei reden die Leute immer davon, was
alles in München fehlt, aber anstatt einfach mal hinzugehen, und sich
überraschen zu lassen, ziehen sie lieber in eine andere Stadt, in der
vermeintlich mehr los ist.“ Trotzdem ist sie optimistisch, dass ihre Arbeit
auch Aufmerksamkeit erlangt, denn es gibt treues Publikum. Sie empfiehlt die
Webserie „Fett und Fett“, an der sie derzeit mitwirkt. 2019 erscheint die 2.
Staffel, alles frei verfügbar auf Vimeo.

Über die Ausstellung wird natürlich auch noch gesprochen,
denn Alina Oswald, eine der Fotografinnen, ist vor Ort. Mit der Moderatorin
Kathi Hartinger spricht sie kurz über ihre Fotoserie, in der sie Muster auf die
nackte Haut der Models projiziert hat. „Die Arbeit mit den Models war sehr
natürlich und individuell und die Shootings gestalteten sich spontan und
persönlich. Ich habe die Models selbst entscheiden lassen, wie weit sie sich
öffnen wollten.“ Außerdem lobt Alina auch das gesamte Projekt der Ausstellung
„10 im Quadrat“. Die große Diversität an teilhabenden Persönlichkeiten sei eine
wunderbare Gelegenheit für die Entstehung von Vernetzungen in der
künstlerischen Szene Münchens. „Schade, dass sich die Fotografen während des
Projekts nicht so genau kennengelernt haben, aber ich habe mir dennoch viel
Inspiration holen können.“, sagt Alina.

Mittlerweile ist es dunkel vor den großen, einladend
leuchtenden Fenstern des Farbenladens und es hat sogar angefangen zu schneien.
Doch drinnen bleibt die Atmosphäre wohlig warm, denn nun betreten King Pigeon
die Bühne. Obwohl die Band normalerweise zu viert auftritt, scheint es dem
Akustik Set an nichts zu fehlen. Die Gitarrenriffs sind clean, die Stimmen klar
und die Melodien gehen sofort ins Ohr. Der treibende Beat des Cajons verleitet
unvermittelt dazu, mit im Takt zu klatschen und auch wir vom SZ Junge Leute
Team wippen hinter der Bar begeistert auf den Zehenspitzen auf und ab. Ja, die
Musik von King Pigeon macht Spaß und ist durchaus sehr tanzbar. Wer die Band in
voller Besetzung hören will, sollte am 04.04. im Orange House vorbeischauen, da
treten die Jungs als nächstes auf und freuen sich über neue Gesichter.

Doch auch das Akustik Set war für die Jungs sehr lehrreich.
„Es war gar nicht so leicht das zu planen“, sagt Chris. „Wir dachten, wir
treffen uns ein zwei Mal, aber haben im Endeffekt dann fünf mal für den
Auftritt geprobt“. Marius stimmt zu. „Man entdeckt seine eigenen Songs
plötzlich ganz anders. An vielen Stellen muss man variieren und Dinge ersetzen,
wobei man alles nochmal neu überdenkt. Dabei haben wir viel gelernt.“ King
Pigeon bedanken sich bei der SZ Junge Leute Seite für die Einladung und
besonders auch bei dem aufmerksamen Publikum. „Es ist anders, wenn alles hell
ist und man auf einmal ein sitzendes Publikum hat“, sagt Chris. „Da hat man
einfach nicht das direkte Feedback und mit der Situation muss man auch umgehen
können. Das hat für uns aber sehr gut geklappt.“

Auch nach dem Konzert bleiben die Besucher noch lange,
schlendern noch einmal durch die Ausstellung und plaudern mit den Künstlern.
Vernetzungen entstehen, Kontakte werden geknüpft, gemeinsam wird weitergezogen.
Der Samstagabend ist schließlich noch jung und in München ist immer etwas los.

Fotos: privat

Text: Marietta Jestl

Die SZ Junge Leute Spotify Playlist im Mai

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Die aktuellen
politischen Entwicklungen führen zu viel politischer Musik, gerade im Hip-Hop! Dass
da gerade viel in Bewegung ist, ist auch in unserer Playlist zu sehen. Davon
abgesehen finden sich viele Münchner Bands hier vertreten, ob laut ob leise, ob langsam
oder schnell – München bedeutet momentan einfach Vielfalt!

Monday Tramps –
Lullabies

Vergangenen August beim Musiksommer im Olympiapark angehört und
für gut befunden.  Diesen Samstag, 3. Juni, geht es deshalb direkt wieder zum Theatron – diesmal fürs Pfingstfestival,
wo die vier Jungs uns mal wieder die Ehre erweisen!

Jana Haberkern

Steven Wilson –
Pariah

Der große Dynamikumfang seiner Songs war schon immer ein
Markenzeichen des Prog-Rockers und Ex-Porcupine-Tree-Frontmanns Steven Wilson.
Und so beginnt auch sein neuestes Meisterwerk “Pariah” als sphärische
Pop-Ballade, um dann in der letzten Minute einfach komplett zu eskalieren. Mit
dabei ist auch die unglaubliche Stimme von Ninet Tayeb, die schon auf dem
letzten Album ein paar Gastspiele geben durfte. Das macht Lust auf mehr!

Max Mumme

 

Mando Diao – Watch Me
Now

Eigentlich fand ich so ziemlich alles, was Mando Diao die
vergangenen Jahre gemacht haben, ziemlich doof. Ich fand das überdrehte letzte Album
schwach und nach dem Abgang von Sänger und Gitarrist Gustaf hatte ich mit der
Band eigentlich schon abgeschlossen. Umso mehr überrascht das neue, ruhige,
fast besinnliche Album, das neben einigen Fehlgriffen einige wirklich gute
Songs beinhaltet. Besonders das melancholische „Watch Me Now“ gefällt mir da.
Eine Neuerfindung, der man eine Chance geben sollte!

Philipp Kreiter

 

We destroy disco – Lake

Die Sonne scheint, der See ruft! Den perfekten Soundtrack
dazu bieten die Augsburger Jungs von We destroy disco. Da trifft gute Laune auf
rockige Gitarren und alternative Klänge. Bei wem jetzt schon Festival-Gefühle
aufkommen, sollte die Auftritte der Jungs miteinplanen!

Sandra Will

 

King Pigeon – My Girl

Was haben die frühen Kooks und die späten Chili Peppers
gemeinsam? Richtig, beide könnten problemlos musikalisches Modell gestanden
sein für den EP-Track “My Girl” von King Pigeon. Schön cleane
Gitarren, fröhliche Harmonien, Mitsingrefrain. Ihre EP Sonic Fields ist einer
von vielen diesjährigen Münchner Sommersoundtracks.

Tilman Waldhier

 

The National – The system only sleeps in total
darkness

Mit dem Album “Sleep Well Beast” bringt die
US-amerikanische Band The National ihr siebtes Studio-Album auf den Markt.  Die jetzt schon veröffentlichte Single daraus
“The System Only Sleeps In Total Darkness” lässt erahnen, dass auch
das im September erhältliche Album an den melancholisch, düsteren Sound der
Indie/Rockband wieder anknüpfen wird. Bisschen Melancholie geht meiner Meinung
auch schon hervorragend im Frühling.

Lisa Katharina Spanner

 

Matthew Matilda –
Fast

Matthew Matilda aus München werden gerade für ihren düsteren
Cello-Blues von Berlin bis Luxemburg gefeiert. “Fast” hat sich inzwischen zu
meinem neuen Lieblingssong erschlichen. An Intensität kaum zu übertreffen merkt
man, wie wundervoll Improvisieren sein kann. Wer hätte noch vor einem Jahr
gedacht, dass das Cello das wohl mit am meisten unterschätzte Blues-Instrument
überhaupt ist?

Louis Seibert

 

Halsey – Eyes closed

Irgendwie ein bisschen sehr typisch jugendlich das Lied. Das
übliche Thema: Herzschmerz, unerwiderte Liebe. Aber gut: Eigentlich bin ich ja
auch erst 17, ich denke, da darf einem so etwas schon noch gefallen. Und
irgendwie mag ich die Stimme und die gleichförmigen Beats, die das richtige
sind für einen gemütlichen Abend und vielleicht auch für Ältere, um sich wieder
wie 16 zu fühlen.

Mariam Cholett.

 

Ásgeir – Unbound (Alternative
Version)

Zum Runterkommen höre ich momentan immer „Unbound“ von dem
isländischen Wunderknaben Ásgeir. Im Mai ist jetzt eine Alternative-Version
davon erschienen, die, mit sanften Klaviertönen im Hintergrund, ein wenig
ruhiger daherkommt als das Original. Ein schöner Feierabend-Song für die
kommenden Sommertage.

Barbara Forster

 

Berry – Mademoiselle

Das franzsösische Chanson ist tot! Es lebe das französische
Chanson! Berry ist Carla Bruni mit tieferen Augenringen und mehr Bohème.
Verträumte Melodien, weiche Stimme, poetische Texte. So klingt es, wenn man mit
guter Literatur, großer Sonnenbrille in einem Pariser Café vor einem Espresso sitzt, oder durch lichtdurchflutete
pariser Boulevards bummelt. Berry ist für alle, die extravagante Leichtigkeit à
la francaise lieben.

Anne  Gerstenberg

 

Mola – GROSS

“GROSS” ist und bleibt die neue Single von MOLA
im wahrsten Sinne des Wortes. In
“GROSS” steckt ganz viel Liebe drin, eine Liebe, die alles überdauert
und die bei mir wohl noch länger in Dauerschleife laufen wird. Das tun jetzt
auch die anderen Songs der neuen EP “Babies” von MOLA, die im Mai
erschien: “Lass es regnen”, “Hallo”, “Lieber
ich”, … Um nur ein paar Songs aus einer absolut großartigen Auswahl zu
nennen. Dreht den Sound auf!

Laura Schurer

 

Mavi Phoenix –
Aventura

Kennt ihr Liebe auf’s erste Mal hören? Wenn man einen Track
zum aller ersten Mal wahr nimmt und sich von Beginn an nicht mehr still halten
kann. Wenn man sofort anfängt, ganz peinlich mit dem Kopf mit zu wippen und die
Mundwinkel sich von selbst nach oben ziehen. Seit Wochen bekomme ich Mavi
Phoenix “Aventura” einfach nicht mehr aus dem Kopf. Die österreichische
Künstlerin und ihr im März erschienenes Album “Young Prophet” habe
ich auf jeden Fall in mein rapverliebtes Herz geschlossen.

Anastasia Trenkler

 

Sookee – Queere Tiere

„Es gibt doch mehr als zwei Geschlechter, wirf einen Blick
in die Natur und du weißt, wer Recht hat. Männchen vögeln Männchen, Weibchen lieben
Weibchen – lasst uns die Menschen öfter mit Tieren vergleichen“, rappt Sookee
und dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen – außer vielleicht: Hass ist krass. Liebe ist krasser.

Jacqueline Lang

 

Wu Tang Clan – C.R.E.A.M.

Wer in München eine Wohnung sucht, braucht harte Nerven. Man
muss sich durchhustlen im gnadenlosen Mietwahnsinn. München  mutiert zum harten Pflaster, was Mietpreise
angeht. Hast du reiche Eltern, bekommst du Wohnraum, oder so. Deshalb passend dazu: C.R.E.A.M – Cash rules
everything around me. Leider.

Ornella Cosenza

Kendrick Lamar feat. U2 – XXX

DAMN. Das
neue Album von Kendrick Lamar, das er an Ostern veröffentlichte, ist verdammt
gut. Er rappt darin über black power, das rassistische Amerika und seinen
Schock: „Donald Trump’s in office, we lost Barack.“ Sowohl musikalisch als auch
hinsichtlich der Texte und Message ein ganz starkes Album – und dann hält es
auch noch eine Überraschung bereit: den Song XXX, ein Feature mit U2.
Zugegeben, ich war zunächst etwas skeptisch, was U2 auf einem solch großartigen
Rap-Album zu suchen hat. Doch bis Bono in XXX überhaupt singt, muss man erst
lange Zeit den aggressiven Public Enemy-Sirenen und Kendrick’s düsteren
Schilderungen des aktuellen Amerika zuhören, und als Bono dann den Refrain
anstimmt („It’s not a place / this country is to be a sound of drum and bass /
you close your eyes to look around“), hat das irgendwie etwas Hoffnungsvolles:
Trotz – oder gerade wegen – der aktuellen Entwicklung tun sich nun Kräfte
zusammen und stehen gemeinsam für etwas ein. Ob beim Women’s March, Black Life
Matters – oder eben ein irischer Rock-Musiker mit einem schwarzen West
Coast-Rapper.

Anna-Elena Knerich