Besser abstimmen

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Paul Other, 24, und Kerstin Zachau, 23, wollen mit ihrem Verein „Our Impact“ junge Menschen zum Wählen animieren.

Eigentlich schon fast klischeehaft: eine WG-Party in Thalkirchen. Acht Studenten leben hier, der Partykeller der WG „Die Basis“ ist gefüllt, laute Musik dröhnt über die Gespräche der Partygäste und mittendrin eine Diskussion über Politik und die Welt. Sechs junge Leute stellen fest, dass einiges passiert ist, bei dem junge Menschen die Möglichkeit gehabt hätten abzustimmen, etwas zu beeinflussen. Nur: Sie haben es nicht getan.

Aus einer Idee auf einer Party im Oktober 2016 ist nun der Verein „Our Impact“ entstanden. Dessen Ziel ist es, Politik greifbar zu machen und jungen Leuten zu zeigen, wie viel politischen Einfluss sie eigentlich haben können. Paul Other, 24, ist eines von sechs Gründungsmitgliedern des Vereins, Kerstin Zachau, 23, kam vor kurzem dazu. Der Verein besteht aus einer bunten Gruppe von zwölf Menschen im Alter von 17 bis 26 Jahren, manche gehen noch zur Schule, der Großteil studiert, unter anderem Geschichte, Jura, Geografie oder Soziale Arbeit. Die Motivation resultiert dabei vor allem aus persönlichen Erfahrungen. Politik hat Einfluss auf unser Leben, was Paul, der in Bochum aufgewachsen und nach dem Abitur nach München gezogen ist, früh gemerkt hat. Mit 16 Jahren, als er selbst das erste Mal wählen gehen durfte (in Nordrhein-Westfalen darf bereits mit 16 Jahren bei Kommunalwahlen gewählt werden), machte die Stadt Bochum mit einem Cross-Border-Leasing-Skandal Schlagzeilen. Während Skandale bei vielen zu Politikverdrossenheit führen, ging Paul mit Schulfreunden zu Vorträgen, in denen sich die Kandidaten für die nächste Wahl vorstellten, informierte sich und wollte mit seiner Stimme etwas verändern. 

Die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen ist traditionell gering, erschreckend im Vergleich zu der Gruppe von Senioren. Our Impact möchte mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 bei jungen Leuten mehr Interesse schaffen und zum Wählen motivieren, aber vor allem auch vermitteln, dass die eigene Stimme zählt. Paul möchte Erst- und Jungwählern bewusst machen: „Wenn mehr junge Leute wählen würden, dann wären sie auch als Wählergruppe interessanter, man müsste auch für sie Wahlkampf betreiben und die Themen, die junge Leute interessieren, würden auch auf die Agenda kommen.“

Ein Projekt mit Studierenden der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) ist im Moment in Arbeit, in dessen Rahmen ein Film, der zum Wählen aufruft, entstehen soll. Our Impact sieht eine Social-Media-Kampagne aber nicht als Hauptmission, sondern möchte die Leute dort abfangen, wo sie sind: in Schulen, Berufsschulen und Fortbildungsseminaren im freiwilligen sozialen Jahr. Im ersten Schritt soll die Angst vor dem Wahlprozess genommen werden, denn wie Paul und Kerstin erklären, sei einer der Hauptgründe für das Nichtwählen unter jungen Menschen, dass sie nicht wissen, wie das technisch funktioniere. Auch wenn für so etwas eigentlich der Sozialkundeunterricht in der Schule da sein sollte, findet Our Impact, dass dies nicht genug sei. „Der Sozialkundeunterricht vermittelt zwar bereits sehr viel, motiviert aber nicht direkt zur Handlung“, sagt Kerstin. Die Themen, die Our Impact ansprechen, gehen aber über das Wählen hinaus. Paul findet: „Politik ist nichts Fremdes und Arkanes, das man nicht verstehen kann.“ Um Politik zu entmystifizieren, soll unter anderem gezeigt werden, wie der Arbeitsalltag eines Abgeordneten aussieht. Wenn viel Zeit ist, sollen die Klassen und Gruppen selbst aktiv werden, gemeinsam etwas erarbeiten, überlegen, was sie interessiert und wie Politik ihr Leben beeinflusst. 

Die Zielgruppe umfasst dabei bewusst nicht Studierende, in der Universität sei das Politische ohnehin schon viel präsenter. Den direkten Vergleich kann Paul, der vor seinem Studium eine Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer gemacht hat, aus eigener Erfahrung ziehen: „Berufsschüler sind im Vergleich zu Studierenden weniger organisiert und unterrepräsentiert. Das sieht man zum Beispiel daran, dass diese kein Semesterticket oder keine subventionierten Mensen haben.“ Besser informiert zu sein, könne dies vielleicht ändern. Deshalb sollen hauptsächlich Schüler und Auszubildende angesprochen werden, denn in Pauls Augen werde politisches Engagement in Berufsschulen nicht so gefördert, wie an Gymnasien oder an Universitäten. Als Student stellt er fest: „Studieren ist ein Privileg und deshalb hat man auch die Pflicht, etwas zu machen.“ 

Bei Our Impact bringt jeder das ein, was er kann und möchte. Während Paul sich beispielsweise um die rechtlichen Sachen und die Außenkommunikation kümmert, bringt Kerstin Wissen aus ihrem Management-Masterstudium ein, wenn es zum Beispiel um den Außenauftritt geht. Kerstin hat ihren Bachelor an der Hochschule für Philosophie München gemacht, war dort in der Studierendenvertretung aktiv und hat sich sozial unter anderem bei einem Nachhilfeprojekt für Kinder mit Migrationshintergrund engagiert. Sie wurde vor kurzem von Paul für Our Impact rekrutiert: „Ich hatte immer das Gefühl, auch politisch was machen zu müssen. Und mir ist wichtig, dass meine Arbeit Menschen hilft, eben einen Impact hat“, sagt Kerstin.

Die Findungsphase von Our Impact ist vorbei, man ist sich einig, was man will und wie man das erreichen will. Jetzt freuen sich Kerstin und Paul auf die Umsetzung des ersten Projekts. Sie sind motiviert, aber gehen auch mit gesundem Vorbehalt an die Sache heran, wie Kerstin betont: „Ich glaube, wir haben da schon realistische Vorstellungen. Wir kennen das alle noch aus der Schule, wenn Leute kommen, die einem was erklären wollen. Da wird es vielleicht Rückschläge geben.“ Paul sieht der Reaktion der Schüler aber auch positiv entgegen: „Ich glaube, wenn man wirklich motiviert ist, dann merken das die Leute auch.“

Text: Gabriella Silvestri

Foto: Robert Haas