Katastrophen im Kopf

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Viel Verantwortung, die bringt einer eigene Wohnung immer mit sich. Und: die Angst vor möglichen Szenarien, die durch das eigene Verschulden entstehen können. Aber der Nachbarin das Wasser abzudrehen, während man selber im Urlaub ist, das will gelernt sein.

Der Urlaub ist vorbei, so viel ist klar: Ich soll die Hausverwaltung zurückrufen, und zwar dringend. Zitternd sinke ich auf das Bett unseres polnischen Hostels. Etwas Furchtbares ist passiert. Wasserrohrbruch! Feuer! Gasexplosion! Ich gehe in Gedanken durch, wie ich versehentlich die Zerstörung unserer Wohnung, wenn nicht des ganzen Mietshauses eingeleitet haben mag. Mal ehrlich, wer benutzt schon das Wort „dringend“ für weniger? Mein einziger Trost ist, dass ich den Wasserhaupthahn abgedreht habe.

Leider bietet so ein blödes eigenes Zuhause unendlich viele Möglichkeiten für Katastrophen. Deshalb hätte es ein Versicherungsfuzzi auch fast geschafft, Judith und ihrer WG eine Hausratversicherung aufzuschwatzen, die im halben Jahr mehr gekostet hätte als das gesamte versicherte Mobiliar. Aber Hausratversicherung, das klingt gut. Als wäre man damit gegen alle häuslichen Schreckensszenarien gerüstet: gegen explodierende Mikrowellen, feuerspeiende Duftkerzen und Waschmaschinen, die plötzlich Sturzbäche über die Auslegeware ergießen. Mag sein, dass solche Katastrophen nur in paranoiden Fantasien vorkommen. Aber das ist ja schon schlimm genug.

Hanna zum Beispiel hat in so einer Fantasie die Stromversorgung eines sechsstöckigen Gebäudekomplexes zusammenbrechen lassen. Da wohnt sie grade mal drei Tage in ihrem eigenen Apartment und dann so was: Staubsauger eingeschaltet, Licht ausgegangen. Dass sie gerade die Elektrizität im ganzen Haus – wenn nicht in der ganzen Studentenstadt – auf unbestimmte Zeit lahmgelegt hat, ist Hanna sofort klar. Und wenn das erst mal jemand bis zu ihr zurückverfolgt, dann ist ihr junges Leben eigentlich schon so gut wie beendet. Sechs Stunden später legt der Hausmeister den Schalter in ihrem Sicherungskasten um und lacht dabei in sich hinein. Wie durch ein Wunder hat der Kurzschluss dann doch nur ihr Apartment betroffen. Gerade noch mal gut gegangen ist das.

Und meine Rohrbruch-Feuer-Gasexplosion? Na ja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Am Telefon fragt mich mein Hausverwalter, ob ich vor der Reise den Haupthahn abgedreht habe. Bevor ich Zeit habe, zu bejahen und meine eigene Vorsicht zu loben, fährt er fort: Meine Nachbarin hat kein Wasser mehr. Das hab ich ihr abgedreht. Kann man sich eigentlich auch gegen Paranoia versichern? Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.