Meinen die das ernst? Könnte man sich vielleicht fragen, wenn man die Münchner Band Charly Bravo zum ersten Mal sieht und hört. Aber nein, sie wollen die Schickaria ihrer Heimatstadt karikieren, wobei sie sich an den Meistern der Ironie wie Falco orientieren – allerdings auch mit einem Hauch von Ironie.
Das uneigentliche Sprechen ist derzeit ausgesprochen angesagt. Im 19. Jahrhundert war das noch anders, da war der Beigeschmack der Ironie auf der Suche nach einer ideellen Wahrheit noch bitter. Doch das Ideal hat sich über das Jahrhundert hinweg verschoben. Und spätestens seit den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts feiert man auch in der Kunst die Ironie, die einen bei der Wahrheitsfindung vor dem Vorwurf der Naivität bewahrt. Falco war ein Meister darin, die Wahrheit in Ironie zu tauchen, den uneigentlichen Schleier über der Kunst aber so durchsichtig zu gestalten, dass die ganze Wahrheit darunter mit voller Wucht und böser Pointe hindurch blitzte. Die Münchner Band Charly Bravo (Foto: Christian Helmrath) mag die Ironie dieser Zeit. Sie mag das Überinszenierte, das Falco sich verpasste, und sie mag Helmut Dietl, der die Münchner Schickeria liebevoll und gleichzeitig bös-ironisch in „Kir Royal“ verewigte. Und da Charly Bravo, Bandname und Künstlername des Sängers, Kopfs und Konstrukteurs dieser Musik, nun einmal seit langer Zeit in München Schwabing lebt, wurde all das zum künstlerischen Leitmotiv der Band.
Seit 2010 gibt es die Band, die 2013 bei Stefan Raabs Bundesvision-Songcontest für Bayern antrat. Und da wurde einiges aufgefahren: „Dreckige Namen“ hieß der Song, Liebe wurde dabei gegen Übersexualisierung gestellt, fies dahin pumpender Elektrosound traf auf eine schmachtende Frauen-Stimme. Dass das eben alles ironisch gemeint war, zeigte die Band gekonnt in einem Video, in dem sie die Stadt München und sich selbst vorstellten – in der Live-Performance verwischten die Grenzen zwischen Ironie und Bad Taste jedoch zu einem seltsam aussagelosen Stück. Doch die Aufgabe, die sich Charly Bravo – der eigentlich aus dem Hip-Hop kommt und mit der Münchner Rap-Crew IUM unterwegs war – stellt, ist nicht einfach: „Wenn man in einer Stadt wie München lebt und sich von ihr inspirieren lässt, bleibt es natürlich nicht aus, dass die Schönen und Reichen von uns mal nett eins reingedrückt bekommen“, erklärt er. Und das Reindrücken funktioniert hier über Aneignen: der Look, die Kleidung, die Sprache – all das wird von Charly übernommen. Heraus kommt dabei eine prollig-neureiche Figur, die natürlich im P1 abhängt, Champagner schlürft und sich selbst feiert.
Beim Bundesvision-Song-Contest konnte dieses Konzept nicht aufgehen (sie erreichten den 14. Platz), vielleicht, weil die Band dem Klischee-Bild, das sie eigentlich parodieren wollten, zu sehr entsprach. Zum anderen haben sie sich eine fast unmögliche Aufgabe gestellt: Denn sie zitieren Falco und die Achtzigerjahre und wollen gleichzeitig diese sowieso schon ironietrunkene Zeit parodieren. Doch seit dem Bundesvision-Songcontest haben sie ihren künstlerischen Fokus verschoben: Eine neue EP ist fast fertig, die sich thematisch nicht mehr ausschließlich um die Münchner Schickeria dreht.
Gerade haben sie die Single „Maschine“ veröffentlicht, die sie am Donnerstag, 13. August, im Münchner Theatron vorstellen werden. Charly Bravo und die Sängerin Inika Allstar werden dabei live von Musikern aus der Münchner Indie-Szene unterstützt: etwa Konrad Wißmath, der früher der Namensgeber und Kopf der Band Konrad und der Löwe war. Oder André Schwager, der als Pianist auch bei Luko spielt. Diese Verankerung in der Gegenwart steht dem spiellustigen Elektro-Funk-Pop der Band gut. Und so geht ihre Musik plötzlich auch in die Richtung ganz zeitgenössischer Pop-Experimente – wie die österreichische Band Bilderbuch, deren augenzwinkernde Rückschau gleichzeitig eine brechende Ernsthaftigkeit hat.
Stil: Elektro-Funk-Pop
Besetzung: Inika Allstar (Gesang), Charly Bravo (Gesang, Keyboards), Konrad Wißmath (Gitarre), André Schwager (Keyboards, bisher nur live)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: www.bussicharly.de
Rita Argauer
Foto:
Christian Helmrath