Über 40 Leute sind zur ersten Probe des Chors „Anchora“ aus Freising gekommen. Im Programm hat der Jazz- und Pop-Chor unter anderem Lieder von den Backstreet Boys und den Monday Tramps. Ein Interview mit dem Chorleiter Lukas Maier.
Freising – Lukas Maier, 23, hat gemeinsam mit Mimi Neumair, 24, vor einem Jahr in Freising das junge Chor-Projekt „Anchora“ ins Leben gerufen. Er arrangiert die Stücke und sitzt am Klavier, sie dirigiert. Das Konzept ist einfach, der Andrang jedoch so groß, dass die beiden Musik-Lehramtsstudenten sich inzwischen zu einem Aufnahmestopp gezwungen sehen.
SZ: Ihr leitet einen kostenlosen Chor für junge Menschen – eigentlich nichts Ungewöhnliches. Wie erklärt ihr euch den riesigen Ansturm?
Lukas Maier: Ganz ehrlich: Wir können uns das selbst nicht erklären. Die erste Probe haben wir nur über Facebook angekündigt, und es kamen schon 40 Leute. Und von Woche zu Woche wurden es mehr. Bei 100 Mitgliedern mussten wir irgendwann sagen: Okay, piano, mehr geht nicht.
Was bringt all diese Menschen zu euch?
Die meisten unserer Mitglieder haben das musische Gymnasium in Freising besucht, an dem wir beide unseren Abschluss gemacht haben. Das sind Menschen, die neun Jahre lang Musik als Hauptfach hatten.
… und dann nach dem Abschluss plötzlich nicht mehr musizieren?
Genau. Mimi und ich haben nach dem Abitur an der Schule als Assistenz für die Chorwochen gearbeitet und kennen deshalb Ehemalige aus ganz verschiedenen Jahrgängen. Bei einigen habe ich mir gedacht, dass sie später Musik zum Beruf machen würden. Aber viele studieren jetzt etwas ganz anderes, kommen nicht mehr zum Singen oder finden einfach nicht den Chor, der sie anspricht.
Und ihr wollt diese Lücke schließen.
Als Chor-Assistenz konnten wir beide viel Erfahrung sammeln. Das hat uns das Selbstbewusstsein gegeben zu sagen: Okay, jetzt probieren wir es.
Was ist bei euch so anders als an anderen Chören?
Viele Mitglieder sagen, es sei viel ansprechender, wenn Menschen im eigenen Alter den Chor leiten – professionell, aber auch locker – und sich jeder direkt mit einbringen kann. Ich kann die allgemeine Stimmung bei den Proben aufgreifen und Arrangements nach Geschmack des Chores umsetzen. So kam es auch dazu, dass ich mich irgendwann der Mehrheit gebeugt habe und „Atemlos“ von Helene Fischer arrangiert habe.
Wirklich? Die wollen allen Ernstes Helene Fischer singen?
Ja, das liebt der Chor. Ich werde nicht zulassen, dass wir das in unser nächstes Konzert einbauen, das ist für mich als Musiker zu demütigend. Aber das ist immer das Zuckerl am Ende der Proben: „Dürfen wir noch einmal Helene Fischer rocken?“ – „Ja, okay …“
Wie sieht euer Repertoire abseits von Helene Fischer aus?
Wir sind ein Jazz- und Popchor. Bei unserem ersten Konzert haben wir zum Beispiel Backstreet Boys, den Pokémon-Titelsong und das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ in komplett neuer Fassung gesungen – aber auch ein Arrangement der Münchner Band Monday Tramps.
Interview: Susanne Krause