Schluss mit Puppe

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Wie ist die Frau? Anfänglich macht Jana Baaske, 25, nette Mädchenmode. Heute heißt Weiblichkeit für die Designerin auch: kämpfen, provozieren, zweifeln. Jana bricht mit einer Modeindustrie, bei der schnell vergängliche Trends und überhöhte Körperbilder das Aussehen definieren.

Wäre Jana Baaske (Foto: Tobias Leipnitz) eine Blume, dann ein Maiglöckchen – denn das ist der lateinische Name ihres Modelabels: Jana Majalis. Grund für den Namen sind die Ballonröcke in Form von Maiglöckchen, die sie zu Beginn gefertigt hat – als Projektarbeit für ihren damaligen Studiengang „Kunst und Multimedia“ an der LMU in München. Anfangs kann sie noch nicht wirklich nähen, fabriziert deswegen etwas Einfaches wie Ballonröcke. Doch die Lust am Modemachen bleibt, Mitte 2010 folgt dann eine erste Kollektion, die sich sehen lassen kann.

Leicht, irgendwie zufällig, mädchenhaft wirken die Designs aus dieser Zeit: Auf den Fotos von damals tänzelt eine junge Frau in Weiß ganz gedankenverloren durch ein Kornfeld, reitet ein Pferd, genießt den Sommer. Das Mädchenhafte dieser Bilder hat die heute 25-Jährige inzwischen abgelegt, ist erwachsener geworden und fragt mit ihren Kleidern: Wie ist die Frau? Oder, wie Jana es formuliert: „Wie ist die Rolle der Jana als Frau?“

Eine Kollektion aus dem Jahr 2011 versucht sich an einer Antwort: In Tänzerpose steht das Model neben einer Ballettstange, die Haare streng nach oben gebunden, den Blick erstaunlich scheu gesenkt, sich in Spiegeln doppelnd, doch statt eines Tutu trägt sie ein durchsichtiges Kleid aus Abdeckfolie, das mit zwei breiten, schwarzen Trägern befestigt ist. Im ersten Moment: gewöhnungsbedürftig, hart, unzufrieden. Auch ein kleines bisschen steif wirkt das Frauenbild, das sie hier entwirft, so als müsse die Frau sich, ohne es zu wollen, an die Ballettpose anpassen. Eine ganze Reihe von Einzelteilen entsteht in dieser Zeit – mit Materialien aus dem Baumarkt. Das mag Jana: Materialien, die fordern. Für einen Wettbewerb ihrer Universität umhüllt die Studentin an der Modeschule Esmod eine Frau komplett mit PVC. „Wie ein Panzer, der sich um sie herum legt“, kommentiert Jana, deren Haar lässig zu einem Dutt gebunden ist, „im Endeffekt sah das aus wie eine verhüllte Muslimin.“ Damit gewinnt sie die Ausschreibung.

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Foto: Sima Dehgani

Wenn Jana spricht, macht sie oft lange Pausen, denkt nach, man merkt: Sie sieht Mode nicht einfach nur als Design, die Frau nicht nur als eine Puppe, der man anzieht, was den Designern von H&M und Zara gerade einfällt. Für sie repräsentiert Kleidung auch ein Kunstverständnis, sie fragt: Wie ist Weiblichkeit? Doch „weiblich“ ist für Jana gerade nicht das, was die ersten Kreationen und der Labelname noch vermuten lassen: unbeschwert, zart, einfach nur ästhetisch schön. Damit bricht sie, als sie das Studium an der Esmod beginnt.

Nicht nur handwerklich reift sie, sondern auch persönlich: Rückblickend ist das für sie eine schwierige Zeit, eine Zeit der Trennung von Menschen, von Sehgewohnheiten auf die Mode, von der bisherigen Studiumsumgebung, eine Zeit, in der sie in ihrer neuen Lebenswelt als Jana, als Frau, erst wieder erstarken muss. „Man nimmt Dinge plötzlich viel differenzierter wahr, geht mit einer größeren Ernsthaftigkeit an sie heran“, beschreibt sie diesen Prozess ihrer Rollenfindung. Deshalb heißt Weiblichkeit für sie fortan auch: kämpfen, provozieren, zweifeln, suchen, widersprüchlich sein, brechen mit einer Modeindustrie, bei der schnell vergängliche Trends und überhöhte Körperbilder definieren, wie „Frau sein“ und „als Frau schön sein“ funktioniert – ohne dabei der Persönlichkeit der Trägerin Rechnung zu tragen.

Dieser Bruch mit den standardisierten Designs der Massenmode zeigt sich auch in der neuen Kollektion, die gerade erschienen ist; auch hier wird der Zwang eines normkonformen Kleidungsstils wieder ein Thema: „In Deutschland möchte man möglichst angepasst sein. Nicht nur in der Mode. Uns wird vorgegeben, dass wir eine perfekt eingerichtete Wohnung brauchen, wo alles zueinander passt. Und genauso sollen wir auch angezogen sein. Das ist so eine Kaufhofmentalität“, ärgert sich die Studentin. Wenn es um diesen Zwang geht, was läge da näher, als sich sinnbildlich von Zwangsjacken inspirieren zu lassen?

Die Silhouetten ihrer neuen Kleider brechen das Modediktat auf, was Männer oder Frauen zu tragen haben. Janas Mode kann mal maskulin, mal feminin sein, je nach der Art, wie ein Kleidungsstück getragen wird – sogar beides zugleich. Mit der Folge, dass man sich beim Anziehen entscheiden kann, ob man heute gern als Mann oder als Frau auftritt. Hinzu kommen, wie sie es nennt, „harte Materialien“: Leder, grobe Wolle, Reißverschlüsse, große Schnallen, Denim. Eine Herausforderung.

Doch wieso fordert Jana den Betrachter so heraus, warum arbeitet sie sich immer wieder an denselben Themen ab? „Mode ist für mich eine ganz krasse Auseinandersetzung mit mir selbst“, erklärt sie, „und eine krasse Reflexion meiner Persönlichkeit. Mir geht es nicht darum, etwas zu revolutionieren, sondern eigentlich geht es um die kleine Jana-Welt, die sich dann in der Mode ausdrückt.“ Genau diese Ausdrucksmechanismen macht sie sich zu Nutze: „Man kann sich selbst inszenieren. Mode ist auch eine Art Schutz“, gibt sie zu. Selbstinszenierung, das heißt, sich zu kleiden, um man selbst zu sein, indem man sich als jemand anderes in Szene setzt. Schutz, das heißt, sich zu kleiden, um jemand anderes als man selbst zu sein, damit man versteckt bleiben kann, keine Intimität preisgeben muss.

Genau das fällt bei Janas Kleidern zusammen. Einerseits verkünden sie: Schau mal, so bin ich als Frau. Andererseits sagen sie: Guck nicht hin, eigentlich weiß ich doch gar nicht genau, wie ich bin. Schaut man dennoch hin, findet man vor allem eines: außergewöhnliche Einzelstücke, inspiriert von einem Auslandssemester in Paris.