Wohldosiertes Drama – Freddy Gonzales, klassisch unterwegs mit seiner Akustik-Gitarre, verzichtet in seinen Songs auf die biographische Ich-Form und singt lieber von Figuren, die etwas erlebt haben. Folk vermengt sich mit wohldosiertem Drama und lässt so etwas Besonderes entsehen, etwas, das Freddy herausstechen lässt aus der kaleidoskopartigen Münchner Musikszene.
Ordnung tut gut. Auch in der Popmusik. Obwohl dort das Chaos und das Anarchische für Neuerungen sorgt, muss Musik gleichzeitig verortbar sein, damit sich Zielgruppe und Musik auch finden können. Das geschieht meist über Labels, die Künstler eines ähnlichen Stils herausbringen. Oder über die Szene und deren Mundpropaganda. Was aber in der Popmusik besonders ist, ist, wie sehr so eine Zuordnung auch über Geografie funktioniert. Berlin steht für einen bestimmten Sound, Hamburg sowieso. Oder Seattle. Die Stadt im Nordwesten der USA, die wie kaum eine andere zum Label für einen Musikstil geworden ist.
München hat da ein Problem, weil es schon länger nicht mehr als Stadt für eine derartige musikalische Eindeutigkeit stehen konnte. Moroder und Munich Disko sind lange vorbei, die Szene ist ein Kaleidoskop. Das ist schön und abwechslungsreich, aber keine Schublade, die als breitenwirksames Genre funktionieren könnte. Doch eines ist hier gerade auffällig: Die große Anzahl an Musikern, die als Solo-Künstler unterwegs sind. Als hätte man sich in der Stadt völlig davon verabschiedet, Bands zu gründen, was vielleicht damit zusammenhängen könnte, dass man für Bands Probenräume braucht und das ist hier kompliziert. Viel weniger kompliziert ist es, im Alleingang mit den Mitteln, die einem unmittelbar zur Verfügung stehen, Musik zu machen. Ob das der Computer ist wie bei der Sängerin Nalan oder die E-Gitarre wie bei Matthew Austin. Der Münchner Freddy Gonzalez ist da noch etwas klassischer: Akustik-Gitarre, aufgelöste Akkorde in Finger-Picking-Technik und einen unüberhörbaren Irish-Folk-Einfluss. Und dennoch hebt sich der Mittzwanziger, der Deutsch studiert und einmal Grundschullehrer werden möchte, von den Teilnehmern der vielen Open-Stage-Sessions, die es in der Stadt gibt, ab. Und das hat einen simplen Grund. Es wirkt, als würde Gonzales die Haltung der Bänkelsänger in aktuelle Popmusik transferieren. Die traten im 19. Jahrhundert in Wirtshäusern und auf Marktplätzen auf und waren so etwas wie eine analoge und gesungene Version eines Boulevard-Blattes. Denn sie berichteten – stets mit einem gewissen Hang zur Dramatisierung – von Geschehnissen, die sie auf ihren Rundreisen erlebt hatten. Auch Freddy Gonzalez spart sich in seinen Songs die autobiografische Ich-Form und singt lieber von Figuren, die etwas erlebt haben. Etwa „Jacky“, ein Song auf seiner ersten EP „Once“, die er im Frühjahr veröffentlicht hat. „Eigentlich gefällt mir der Name Jacky überhaupt nicht“, erklärt er, doch der Klang hätte sich in seinem Kopf mit der Melodie verwoben – also schrieb er diesem Jacky eine Liebesgeschichte, die sich in dem Song in einer Harmonik zwischen Seeräuber-Shanti und Moritat wunderbar abspielen kann. Dass das so funktioniert, verdankt Gonzales auch seinem gewissen Gespür für ein wohldosiertes Drama.
Das Songwriter-Dasein hat für Freddy Vorteile, weil er es genieße, völlig frei über seine Kunst entscheiden zu können. Band-Erfahrung hat er bereits. Denn seine musikalische Laufbahn begann er als jugendlicher E-Gitarrist in einer Pop-Punk-Band. Nachdem er jedoch mit Anfang 20 in England die Band Treetop Flyers gesehen hatte, habe er gewusst, dass er Folk machen will. Und er begann vor drei Jahren, allein zu musizieren. Derzeit spielt er ab und an mit einer Geigerin, außerdem habe er gerade ein Projekt mit anderen Musikern gegründet, in dem er auf Deutsch singen will. Vielleicht generiert er so auch ein neues Label für München: moritatenhafte Texte und Musik, die sich an gerade Populärem orientiert. Ähnlich wie das Bertolt Brecht und Kurt Weill einst für die „Dreigroschenoper“ erfunden hatten.
Stil: Songwriter / Folk
Besetzung: Freddy Gonzales
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.freddygonzalez.bandcamp.com/
Text: Rita Argauer
Foto:eartrumpet.net