Zeichen der Freundschaft: Tassenränder

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Er hat blaue Augen und einen irischen Akzent. Sie kann ihm nicht widerstehen. Ein typischer Abend auf einer WG-Party, bei der man nicht nacht alleine nach Hause gehen will. Im Urlaub treffen sie sich wieder – kann er sie wieder so beeindrucken?  Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Ich könnte ihn jetzt küssen. Niemand würde es merken. Der Flur der Hausparty ist überfüllt und er betrunken genug. Wir trinken billigen Sangria aus Kaffeetassen und reden über Erasmus-Erfahrungen. Er hat unglaublich blaue Augen. Wie ein Husky. Er sieht mich auch mit einem sehr gekonnten Hundeblick an. Dennoch weiß ich, heute werde ich alleine nach Hause gehen.

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich mich an dieser Stelle anders entschieden. Damals gefielen mir seine blauen Augen und sein irischer Akzent einfach zu gut. Ich hörte nicht auf meinen Verstand. Auch wenn der damals schon merkte, wie besserwisserisch und nervig dieser hübsche Ire sein konnte.

An jenem Abend ging ich nicht allein nach Hause und auch an den Abenden danach nicht. Nach ein paar rosaroten Wochen, wurde es allerdings auf einmal furchtbar kompliziert, weil er gerade aus einer Beziehung kam und seine Ex-Freundin in derselben Stadt ihr Auslandsjahr machte wie wir und ihm das alles zu schnell ging.

Und da sagt noch einer, Frauen sind kompliziert.
Frauen schaffen es aber auch, irgendwann mit ehemaligen Liebhabern befreundet zu sein.

Das Schicksal hat dennoch einen gewissen Sinn für Humor, denn als unser Freundeskreis zusammen in den Urlaub fuhr, und ich eines Nachts gut gelaunt mit ein paar Südamerikanern Salsa tanzte, kam er auf einmal angeschlichen. Reue im Hundeblick.

Ich bin keine schadenfreudige Person, aber ich merkte, wie gut mir das tat. Denn interessanterweise wusste ich, dass diesmal ich diejenige war, die „nein“ sagen würde. Seine Augen waren zwar immer noch blau, aber mein Verstand deutete mit immer unverschämter werdendem Zeigefinger auf seine neunmalklugen Erklärungen und die Witze und Geschichten, die er mir immer und immer wieder erzählte, während er sich nicht einmal merken konnte, wie viele Geschwister ich hatte.

Trotzdem waren wir füreinander da. Er besorgte mir Augentropfen, wenn ich mit Bindehautentzündung jammernd im Bett lag, ich kochte ihm Nudelsuppe, wenn er über seine Unikurse jammernd in meiner Küche saß.

Er sieht mich über seine Tasse hinweg an. „Wir hatten schon eine schöne Zeit, oder?“. Ich lächle und verdrehe die Augen. Ja, hatten wir. Haben wir immer noch. Als Freunde. Vielleicht wird da immer eine nicht aufgelöste Spannung sein. Ein Wenn in Verbindung mit einem Hätte-sein-können. Die Möglichkeit, immer vielsagende Blicke über Tassenränder werfen und zweideutige Andeutungen fallen lassen zu können. Aber vielleicht ist es das wert, denn Freundschaften sind manchmal langlebiger als Beziehungen und wer hat nicht gerne einen irischen Kumpel mit strahlend blauen Augen und süßem Akzent?

Von: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer