Band der Woche: Gruppe 2

image

Fabian Bottler und Christian Rehländer, ehemalige Bandmitglieder von Exclusive, bewegen sich mit ihrer neuen Band Gruppe 2 vom Popschema weg, hin zu elektronischer Musik. Auf ihrem ersten Album „Game Over Zeus“ fehlt nun zwar die markante Stimme von Fabian Bottler, die zehn Instrumentalstücke haben es aber in sich. 

Vor circa fünf Jahren in der Roten Sonne in München: In dem Kellerclub läuft elektronische Musik, die Anlage dort ist ziemlich gut, weshalb die Beats in der Magengegend treffen und man das Gefühl hat, sich in einem eigenen Raum aus plastisch spürbarer Musik zu befinden. Doch dann schmettert auf einmal der Klang einer Snare-Drum durch den Raum: metallisch, klirrend, durchdringend. Diese Trommel ist der wichtigste Akzentgeber eines jeden Schlagzeug-Sets und mit einer rasselnden Kettenkonstruktion unter dem Trommelfell ausgestattet, die den Klang verfremdet und verstärkt. Der Klang schneidet durch den Raum. Er setzt sich mühelos gegen die elektronische Beat-Kulisse durch und schafft Akzente, die fesseln. Das britische Duo Mount Kimbie hat bei diesem Konzert in München recht eindrucksvoll bewiesen, was akustische Instrumente in einem elektronischen Kontext so reißen können. Und es ist erstaunlich, wie wenig Club-Musiker immer noch mit diesen doch so berückenden Effekten arbeiten.

Die neue Münchner Band Gruppe 2 versucht sich nun ebenfalls daran. Weniger erstaunlich ist dabei jedoch die radikal geplante und schnittige Ästhetik, mit der Fabian Bottler und Christian Rehländer solche Effekte in ihrem neuen Projekt erschaffen. Denn dass die beiden Musiker, die zuletzt mit der Band Exclusive ernst zu nehmenden Erfolg hatten, ein Gespür für ästhetische Grenzgänge mit enormen Pop-Appeal haben, zeigten sie auf ihrem Album „Nachtmensch“. Völlig in Eigenregie hatten sich Exclusive da von der Schülerband zum spannenden Pop-Projekt entwickelt; mit einer Radikalität und einer Frische, an die sie auf ihrem Major-Debüt anschließend nicht mehr herankamen. Dass sie das aber noch können, zeigen sie nun mit Gruppe 2. Fabian und Christian greifen damit mal wieder zu den Göttern oder sogar darüber hinaus, wenn sie ihr erstes Album, das sie gerade veröffentlicht haben, „Game Over Zeus“ nennen. Dieses überbordende Selbstbewusstsein gab ihnen schon auf „Nachtmensch“ eine schlagende ästhetische Aussagekraft. Bei Gruppe 2 schichten sie die aber auch musikalisch noch einen Schritt weiter. Denn auch kompositorisch sind die beiden, die seit fast zehn Jahren in verschiedenen Formationen gemeinsam Musik machen, nun ein Stück radikaler. 

Zum Beispiel verzichten sie völlig auf Fabians Stimme, was sich erst einmal wie ein Verlust anfühlt, denn Fabian verfügt über ein schon sehr besonderes, aufgerautes Timbre. Doch die rein instrumentale Musik, die sie nun als Gruppe 2 in zehn Tracks veröffentlicht haben, gibt ihnen andere Freiheiten. Etwa bezüglich der Strukturen, in denen sie sich nun weit vom üblichen Popschema entfernen und stark an der elektronischen Musik orientieren: Sie setzen also auf lange Spannungsbögen anstatt kurzfristiger Hooklines. 

Trotzdem ist das kein Druffi-Techno. Vielmehr hat diese Musik in ihrer Dramaturgie etwas Orchestrales, das ohne Abstriche auf Mächtigkeit setzt: „Unser Ziel war es immer, energiegeladene Musik zu machen, die einen kickt und antreibt“, erklären sie und vergleichen das mit einem Moment im Sport, „wo du auf der Zielgerade bist und die letzten 500 Meter deinen Lieblingssong anmachst und du dadurch noch mal einen Energieschub bekommst! So in etwa ist unsere Vorstellung zu unserer Musik. Power“. Produziert wird diese Musik, mit der sie sich an Justice oder Daft Punk orientieren, am Computer und mit Synthesizern. Live soll das aber zum Teil mit echten Instrumenten umgesetzt werden – Christian wie gewohnt am Schlagzeug, Fabian an Bass oder Gitarre. Den Druck wird die ohnehin schon mächtige Musik dadurch wohl ziemlich erhöhen können.

Text: Rita Argauer

Foto: Kai Lehner

Band der Woche: Martin Piehlmeier

Bei dem Münchner

Akustik/Instrumental-Musiker

Martin Piehlmeier treffen Postrock-Strukturen auf kluge rhythmische Arbeit. Seine erste EP 

„Bergblick“ hat er, passend zum Titel, ganz abgeschottet in der österreichischen Berglandschaft aufgenommen.  

Manche Menschen ziert von Geburt an ein großartiger Name. Dafür braucht es das Glück, in eine Familie hineingeboren zu werden, die über einen spektakulären Nachnamen verfügt. Beispiele hierfür ist etwa das Adelsgeschlecht „von Streit“. Bei diesen Voraussetzungen braucht es dann nicht mehr viel Fantasie. Selbst wenn man einen recht normalen deutschen Vornamen davor setzt, hat der potenzielle Namensträger den besten Künstlernamen, den sich etwa der Gitarrist einer Punkband für sich ausdenken könnte. Das Pop-Biz liebt alles, was schillert. Etwa, wenn Kate Esther Calvert auf einem Plattencover stehen würde, würde man am ehesten noch eine bodenständige Songwriterin erwarten, nicht aber die spitzfindigen, wütenden und gleichsam poetischen Zustandsbeschreibungen der jüngeren britischen Gesellschaft, die besagte Mrs. Calvert unter dem Namen Kate Tempest veröffentlicht.

Künstlernamen sind, wenn es um den ersten Eindruck geht, nicht unerheblich. Wenn sich jemand also dafür entscheidet, unter seinem eigenen, süddeutsch gefärbten Namen aufzutreten und seine erste EP auch noch „Bergblick“ nennt, assoziiert der geneigte Musikentdecker damit wohl erst einmal eine Art von Mundart-Gitarrenfolk, wie ihn auch Claudia Koreck veröffentlicht. Doch beim Münchner Musiker Martin Piehlmeier und seiner ersten EP liegt man mit dieser Annahme ziemlich daneben. Denn dessen in vielerlei Hinsicht unprätentiöses Auftreten dient keinem bestimmten Image. Vielmehr wirkt es tatsächlich so, als sei ihm all der Firlefanz um Imagebildung und Namensfindung herzlich egal. Der Neurowissenschaftler macht mit seinen 25 Jahren Musik, die wie eine auf Akustik-Instrumente heruntergebrochene instrumentale Version von The Notwist klingt. Postrock-Strukturen ohne die obligate Verstärker-Verzerrer-Kombination dieses Genres treffen auf kluge rhythmische Arbeit, zusammengeklopft auf dem Gitarrenkorpus. Die Gitarre ist für ihn nicht nur harmonisches Instrument, sondern auch getrommelter Rhythmusgeber. Es klingt, als wären da weit mehr Menschen am Werk, de facto spielt er das jedoch alleine. 

Auf all diese an sich schon ziemlich beeindruckenden Voraussetzungen wirft Martin jedoch einen trocken-unterkühlten, ja, naturwissenschaftlichen Blick. Die Musik dient nicht der Selbstdarstellung, kein bisschen Glamour umweht diesen Musiker. Hier macht jemand, der auch noch auf einem anderen Gebiet recht begabt ist, Musik zum Ausgleich: „Obwohl ich während meines Studiums sehr viel zu tun hatte, habe ich so viel Musik gemacht wie noch nie und gemerkt, dass das Eine ohne das Andere einfach nicht funktionieren kann“, sagt er. Dennoch beeinflusse seine wissenschaftliche Seite die Musik, er habe an den molekularen Zusammenhängen in der Entstehung von Alzheimer geforscht und suche „instinktiv den Kontrast zwischen der strengen Naturwissenschaft und der weichen Musik“. Ähnlich pragmatisch erklärt er auch den heimatseligen Titel seiner ersten Veröffentlichung: Um sich vom Großstadtlärm zu distanzieren und die Natur zu genießen, habe er diese EP in abgeschiedenen Hütten in den Bergen aufgenommen. Außerdem sei ihm in den acht Jahren Auslandsstudium der Begriff der „Heimat“ vielfältig bewusst geworden. Für den Sommer habe er nur ein paar Konzerte in seiner ehemaligen Heimat London geplant, im Herbst will er verstärkt in München auftreten.

Stil: Akustik/Instrumental
Besetzung: Martin Piehlmeier (Gitarre, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2006
Internet: martinpiehlmeier.com

Text: Rita Argauer

Foto:

privat

Band der Woche: Bloomfeld

image

Beats sind die Welt von Hubert Spangler, der seit 2012 als Bloomfeld in München seine Musik produziert. Im Gegensatz zu Beats, die normalerweise als Unterlage für Raps dienen, steht Bloomfelds Musik für sich:  „Um Collabos mit Rappern habe ich mich, um ehrlich zu sein, noch nie bemüht.“

Es ist ein brutales Bild: Ein Gesicht, anstelle der Lippen ein Reißverschluss, schmerzhaft ins Fleisch gegraben, so stellt man sich das zumindest als Betrachter vor. Eine äußere Sperre, die verhindert, dass das Sprechorgan Laute von sich gibt. Doch irgendwie passt das Bild in dieser Radikalität des versperrten Mundes, der nur von außen wieder geöffnet werden kann. Es ist ein Statement, das der Beat-Bewegung gut steht. Denn hier geht es nicht um die sich – wenn auch etwas drogenbenebelt – vehement äußernden Beatniks der Sechzigerjahre, hier geht es um Popmusik, die sich der leitenden Funktion einer Gesangsstimme völlig entzogen hat.

Ein wenig ist es auch eine Schicksalironie, dass einer der Beat-Köpfe in München von seinem siebten Lebensjahr an frühe musikalische Erfahrungen im Tölzer Knabenchor sammelte, um dann der Vokalmusik umso stärker den Rücken zu kehren. Nun bringt der mittlerweile 19-jährige Hubert Spangler Tracks heraus, die etwa „Silent Beauty & Beast Opus“ heißen, und garniert dieses File auf seiner Soundcloud-Seite mit eben jenem Bild vom Reißverschluss-versperrten Mund.

Bloomfeld nennt er sich als Musiker. Und auch hier blitzt wieder ein kleiner, vielleicht fieser Kommentar durch – immerhin prägen Jochen Distelmeyers Wortkaskaden die deutsche Indie-Klassiker-Band Blumfeld in einem ganz erheblichen Maß. Auf Wortkaskaden kann man bei Huberts Musik lange warten, denn der Beatproduzent hat sich auch von den Rappern entfremdet. Die sind bis vor kurzem Hand in Hand mit der Entwicklung neuer Beatmusik gegangen: Der Beat als groovende, pumpende Unterlage für die Worte. „Um Collabos mit Rappern habe ich mich, um ehrlich zu sein, noch nie bemüht“, erklärt hingegen Hubert, seine Musik sei ohnehin oft recht komplex, sodass sie vom Gerappten ablenken würde und im Großteil der Fälle gar keinen Raum für eine Stimme lasse.

Anders herum ist diese Emanzipation der Beats von der Stimme bei Hubert ein musikalischer Genuss. Denn seine Beats sind keine stoisch gleichbleibenden Loop-Phrasen, seine Beats blühen voll musikalischer Ideen. Da entwickeln sich Motive aus Rhythmus- und Harmoniefragmenten, da verwandeln sich die perkussiven Klänge innerhalb der Tracks – die ganz bewusst nicht als Songs bezeichnet werden können, denn singen tut hier ja niemand, die aber in ihrer Ausarbeitung über die Skizzenhaftigkeit, die dem Wort Track als einfache Soundspur inne liegt, weit hinausgehen. Denn das sind richtiggehend ausgearbeitete Werke, die der junge Musiker da auf seiner Soundcloud-Seite veröffentlicht.

Synkopen und rhythmische Verschiebungen, die dem Vier-Viertel-Takt-Diktat anarchisch ins Gesicht lachen, gibt es etwa im Stück „3x Bumm“, das mit den Fragmenten einer klassischen Gesangsstimme beginnt, die aber von den Dominanz des Beats überrollt wird. Brutal ist das, wären die Klänge von Hubert nicht so charmant, dass man ihnen gerne folgt und über das Abwürgen der Stimme schnell hinwegsieht. Deutlicher ist diese Bewegung noch in „Close to Jolene“. Das Flehen der ursprünglichen Version von Dolly Parton zerbrachen schon die White Stripes in ihrer Version zu wütendem Frust. Hubert besticht in seiner Version mit den rührseligen Harmonien des Originals, über welches das Wort „Jolene“ wie die Erinnerungssplitter an früher textgetragene Songs gestreut wird. Instrumental Hip-Hop nennt er seine Musik. Hubert bekam einst ein billiges Keyboard geschenkt und begann von da an, damit die verquersten Klänge zu produzieren. Die Szene in München wächst jedoch, etwa im Milla oder im Kiddo, wo mittlerweile regelmäßig Beat-Abende und -Battles veranstaltet werden. 

Stil: Beat / Instrumental
Hip-Hop
Besetzung: Hubert Spangler
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.soundcloud.com/bloomfeld

Von: Rita Argauer

Foto: Privat