Kilian Sladek hat Musik studiert, er kommt aus dem Jazz – und er liebt die Improvisation.
Von Johanna Schmidt
München Lebt. Menschen und mehr.
Kilian Sladek hat Musik studiert, er kommt aus dem Jazz – und er liebt die Improvisation.
Von Johanna Schmidt
Die Improvisationstheatergruppe “Bühnenpolka” (Foto: Tom Amon) verlost regelmäßig unter dem Titel “Heimspiel” Auftritte in Wohngemeinschaften. Zu der Show gehört auch der bayerische Superheld Captain Bavaria, mit dem sie die „die Bajuwarisierung der ganzen Welt“ erreichen wollen.
Nur mal kurz die Welt retten? Für Captain Bavaria ist das kein Problem. Er, der bayerische Superheld, hat eine Mission: die Menschheit unterhalten. Hierzu zieht er im hautengen blauen Kostüm los. Darüber trägt er eine Lederhose, an seinen Schultern flattert ein Superhero-Cape mit bayerischem Rautenmuster. Hinter dieser Kunstfigur verbirgt sich Theaterwissenschaftsstudent Tobias Zettelmeier. Als sein Alter Ego Captain Bavaria steht der Student regelmäßig auf den Bühnen dieser Stadt. Doch damit ist er nicht allein: Captain Bavaria ist Teil einer ganzen Show um den bayerischen Superhelden, die Tobias mit seinem Schauspielensemble „Bühnenpolka“ entwickelt hat.
Bühnenpolka, das sind neben Tobias: die drei Schauspieler Christine Sittenauer, Sophie Meinecke und Dave Wilcox, die beiden Musiker Lukas Maier und Matthias Pittrich, sowie Sherin Kharabish, die für das Organisatorische zuständig ist. Die Gruppe ist vor allem bekannt für ihre Improvisationstheaterabende – das heißt: rauf auf die Bühne und losgespielt, was das Publikum spontan vorgibt. „Man braucht kein Bühnenbild, man braucht keinen Text, man kann einfach 100 Prozent das wiedergeben, was man vom Publikum an Wünschen bekommt. Das ist so aufregend, weil man nie weiß, was gleich auf der Bühne passieren wird“, schwärmt Tobias von dieser Art des Stegreifspiels.
Doch anders als man vermuten würde, steckt auch hinter so einem Impro-Abend jede Menge Inszenierung. Dafür sind die Mitglieder der Bühnenpolka bekannt: Im Gegensatz zu vielen anderen Münchner Gruppen entwickeln sie gemeinsam Showkonzepte mit fester Dramaturgie und vorher ausgearbeiteten Figuren wie die des Captain Bavaria. „Wir wollen nicht einfach nur spielen, sondern den Leuten eine Geschichte erzählen“, erklärt Tobias das Konzept des Ensembles. So spielen sie dem Zuschauer unter dem Titel „Beachpolka“ die Feriengeschichten von Dauercampern, Ballermann-Reisenden und Cluburlaubern vor, dann eifern sie mal amerikanische Serien wie „Desperate Housewives“ nach. Für ihre Show zum Thema „Grey’s Anatomy“ locken sie das schaulustige Publikum sogar in einen Vorlesungssaal der Pathologie. „Vor der Show wurde so eine Leiche in Formalin an uns vorbeigefahren, das war schon ein Nervenkitzel“, sagt Tobias.
Aber: Sie wollen Serien und Filme nicht nacherzählen, sondern lediglich ihre dramaturgische Struktur übernehmen. „Du glaubst, du weißt, wie ein bestimmtes Filmgenre funktioniert und dann lernst du oft erst beim Spielen, wie diese Filme wirklich erzählen“, beschreibt Tobias diesen Prozess. So funktioniert auch ihre Show um Captain Bavaria – das Ensemble imitiert die Strukturen des klassischen Superheldenfilms. Und die Zuschauer dürfen dann bestimmen, was sie sehen möchten: „Bei Captain Bavaria kann das Publikum entscheiden, was für eine Superkraft der Held hat, wie es in seinem Privatleben so aussieht und wer der böse Schurke ist, den er besiegen muss. Das letzte Mal hat er durch das Jonglieren von Maßkrügen die Welt gerettet“, erklären Sherin und Tobias: „Wir wollen einfach die Bajuwarisierung der ganzen Welt.“ Sie lachen. Dass dieser Witz vielleicht doch ein bisschen ernst gemeint ist, zeigt ein Urlaubsfoto: Tobias hat einen ernsten Blick aufgesetzt, sich im Heldenkostüm in Pose geworfen und steht mitten in New York in Erwartung eines Bösewichts, mit dem es zu kämpfen gilt.
Dieser ironische Mix aus bayerischer Heimatverbundenheit und amerikanischer Erzählweise kommt bei den Fans an: In Freising spielen sie regelmäßig in der Gaststätte „Furtnerbräu“, in München locken sie das Publikum ins „Heppel & Ettlich“. Dazu kommen Auftritte bei Firmen, Hochzeiten und Weihnachtsfeiern. Der Erfolg verblüfft, wenn man bedenkt, dass die Bühnenpolka sich erst 2011 gegründet hat. Doch Sophie, Tobias und Christine sind schon länger in der Impro-Szene unterwegs – vor acht Jahren lernten sie sich bei einem Impro-Workshop kennen und spielten einige Jahre in derGruppe „Mix it“. Als sie merkten, dass sie sich künstlerisch neu positionieren wollen, riefen die drei die Bühnenpolka ins Leben und holen Dave, Lukas und Matthias mit auf die Bühne.
Was sie verbindet, ist in erster Linie die Freude am Spiel, denn anders als zu erwarten, haben die jungen Theatermacher einen sehr unterschiedlichen künstlerischen Background: Sophie, Dave und Lukas studieren Schauspiel beziehungsweise Musik, Christine arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bauklimatik der TU, Musiker Matthias studiert Bauingenieurwesen und Sherin und Tobias sind für Theaterwissenschaft eingeschrieben. Tobias, der schon ausgebildeter Sozialarbeiter ist, findet diese Mischung an unterschiedlichen Erfahrungen gut. Ihm habe sein erstes Studium geholfen zu verstehen, wie er beim Spiel besser auf die Fans eingehen könne, sagt er.
Für diese Fans hat sich die Gruppe etwas ganz Besonderes ausgedacht: Unter dem Titel „Heimspiel“ verlosen sie regelmäßig Auftritte in den WGs und Hobbykellern ihres treuen Publikums. Die Idee dahinter: Dem Zuschauer auf der Couch die gleiche Qualität bieten wie in einem richtigen Theater. Dafür rücken die Schauspieler mit einem großen Bus voller Licht- und Tontechnik an, mit der sie die Wohnung des Gewinners in eine Bühne verwandeln. An diesem Abend warten fast siebzig Gäste auf den Beginn der Show: Die Gewinnerinnen der jüngsten Verlosung, die Schwestern Nikola und Julia Wenner, haben nach Freising zur gemeinschaftlichen Geburtstagsparty geladen. Auf dem Tisch steht ein Geburtstagskuchen in Penisform, draußen beschweren sich die Nachbarn über den Lärm und drohen mit der Polizei.
Viele der Gäste kennen Christine noch von Auftritten in ihrer alten Schule, haben die Gruppe bereits mehrmals gesehen. Die Britin Natalie Berry ist extra aus England angereist: „Die sind super. Dieses Klischee, dass die Deutschen gar keinen Humor haben, stimmt echt nicht, wenn man die Bühnenpolka sieht.“ Die Menge geht spätestens dann richtig ab, als Tobias und Christine eine kleine Einlage zum Thema „Bärte“ spielen: Geburtstagskind Nikola, die wie alle Gäste mit schicker Unternasenfrisur rumläuft, erklärt, so einen Bart wie sie habe Salvador Dalí auch schon getragen. Als Tobias dann „Bart“ Simpson spielt, lachen erst nur die flinken Denker, später dann alle.