Weg mit den Klischees

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Eine Webserie als Imagewerbung: Sebastian Stojetz, 28, dreht in Kooperation mit der TU und der HFF München die Reihe “TUM – Täglich unter Männern”. Der Plot: Eine Frau will an der Technischen Universität studieren.

Es ist die Stunde der Wahrheit. Den Schauspielern liegen die Drehbücher vor, alle sitzen zusammen und beginnen die Szenen zu lesen. Dann ist Sebastian Stojetz, 28, am glücklichsten. “Das ist wie eine Droge”, erzählt er über den Moment, wenn die Figuren und die Geschichte, die er sich monatelang ausgedacht hat, durch die Stimmen der Schauspieler zum Leben erweckt werden. Der junge Regisseur und Drehbuchautor feiert gleich dreifache Premiere. Er hat gerade als erster die Förderung des Film-Fernseh-Fonds Bayern in der Kategorie Webserie erhalten – und das in Höhe von 50 000 Euro. Das Projekt ist die erste Kooperation zwischen der Technischer Universität (TU) München und der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Und es ist Sebastians erster eigener Film als Regisseur.

Unter dem Arbeitstitel “TUM – Täglich unter Männern” hat er in Kooperation mit der TU und der HFF München eine Geschichte entwickelt über das Studium an der Technischen Universität als Frau. Es geht um die taffe Juli, die wegen ihres Wunschs, Elektrotechnik zu studieren, von ihrem Freund verlassen wird. Humorvoll erzählen die Drehbuchautoren Sebastian Stojetz und Madeleine Fricke von dem Konflikt ihrer Protagonistin, trotz Hindernissen zu ihrem Traum zu stehen – und ihr Traum ist eben ein technisches Studium.

Die Webserie, also kurze Filmsequenzen, sind das Format der Zukunft. Das sagt zumindest Sebastian. Schon jetzt sehen immer mehr junge Menschen Serien. Für ihn ist das Format interessant, da es noch alle Freiheiten offenlässt. Die Länge der Folgen, der Handlungsaufbau und -ablauf, alles ist flexibel. Er kann experimentieren.

Angestoßen hat das Projekt der damalige TUM-Vizepräsident für Diversity und Talent Management, Klaus Diepold. Als Verantwortlicher für das Thema Gendergerechtigkeit wollte er, dass endlich Schluss ist mit dem Klischee, Frauen seien für technische Studiengänge nicht geeignet. “Es stört mich schon lange, dass in Fernsehen und Werbung Frauen nur bestimmte stereotype Rollen zugewiesen bekommen”, sagt Diepold. Deswegen habe er versucht, Filmschaffende davon zu überzeugen, mal ein Projekt über Ingenieure mit starken Frauen in Hauptrollen zu verwirklichen. Damit sei er auf Granit gestoßen. “Da habe ich mir gedacht, das machen wir jetzt einfach selbst”, sagt Diepold. “Es ist an der Zeit, dass auch im Film dargestellt wird, was schon lange Realität ist: starke Frauen in den Ingenieurwissenschaften.”

An der HFF hat Sebastian Stojetz von 2009 bis 2014 Drehbuch und Dramaturgie studiert. Als Dramaturg arbeitet er bei den Bavaria Filmstudios, seine Drehbücher waren schon Grundlage zahlreicher Filmproduktionen. In seinem neuesten Projekt ist er als Regisseur und Drehbuchautor involviert. Die Tätigkeit als Regisseur habe ihn völlig begeistert. “Da habe ich schon Blut geleckt”, sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn nur so kann er eine Idee in ein Gesamtkunstwerk nach seinen Vorstellungen verwandeln.

Vor allem das Paket aus talentierten und engagierten Beteiligten vor und hinter der Kamera, dem aktuellen Thema und dem Auswertungspotenzial haben den Vergabeausschuss des Film Fernsehfonds Bayern überzeugt. “Dass wir diese Förderung vom Film-Fernseh-Fonds bekommen haben, war der Wahnsinn”, sagt Sebastian. Damit konnte er das Projekt so professionell aufziehen, wie er es sich gewünscht hat. Mit richtiger Kinovisualität und nicht nur von einer Spiegelreflex gedreht.

Helena Hofer, eine gute Freundin von Sebastian, hat mit ihrer Produktionsfirma Cocofilms die Produktion geleitet. Um alle anderen Dinge, wie etwa das Casting, hat sich Sebastian selbst gekümmert. Die Hauptrolle spielt Alina Stiegler. Auch der Kabarettist Maxi Schafroth ist mit von der Partie. Maria Furtwängler, die sich selbst mit ihrer Stiftung für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt, ist die Idealbesetzung für die Rolle der Professorin für Regelungstechnik an der TU und als starke Frau das Vorbild der Protagonistin.

“Ich war schon immer ein Geschichtenerzähler”, sagt Sebastian. Während der Schulzeit habe er bereits kleine Prosa geschrieben. Nach dem Abi, während einer Interrail-Tour durch Europa, hat er mit einem Freund Ideen für zwei Theaterstücke gehabt. “Ich mag es am liebsten, Geschichten in dieser Dialogform zu erzählen”, sagt er. Danach ein Jahr der Orientierung. Studium der Komparatistik und Jura, journalistische Tätigkeit, eine Tour mit seiner Indie-Alternative Band durch Frankreich. “Aber ich wollte Geschichten erzählen, ich wollte selbst etwas tun und nicht nur wie in der Schule Dinge beigebracht bekommen”, sagt er. Dann kam die Zusage von der HFF.

Die Webserie um die Frau in der Männerwelt ist jetzt abgedreht und soll Anfang des kommenden Jahres in fünf Folgen à acht Minuten erscheinen. Klaus Diepold kann es kaum erwarten, erste Szenen fertig geschnitten zu sehen, nachdem er das Projekt nun schon seit fünf Jahren verfolgt. Tobias Grabmeier, ein Student von ihm, hat den Kontakt zu der Coco-Films Produzentin Helena Hufnagel und Sebastian Stojetz hergestellt. Die Kooperation mit der HFF ergab sich durch Zufall, als die heutige Präsidentin der HFF Bettina Reitz als Kuratorin der TU in einer Besprechung von dem Projekt informiert wurde. “Das war ein langwieriger Prozess mit vielen kleinen Impulsen, bis wir da angekommen sind, wo wir heute stehen”, sagt Diepold.

Gedreht wurde ausschließlich an Originalschauplätzen: Vorlesungssaal, Mensa, Bibliothek. Alle Szenerien entsprechen denen des echten Studentenlebens an der TUM. Den Filmemachern ist aber wichtig, dass ihre Webserie
über die TUM hinausgeht, dass sie sich überall für Genderförderung in
naturwissenschaftlichen Studiengängen einsetzen.

Mitten im Unialltag zu drehen, führt zudem zu lustigen Zwischenfällen. Beim Dreh in der TU Bibliothek bei vollem Betrieb durften selbst die Schauspieler nur miteinander flüstern, bis Stojetz in voller Konzentration und mit den Kopfhörern auf laut: “Und bitte!”, durch die gesamte Bibliothek rief. Bei einem Dreh Anfang November konnten die TU-Studenten als Komparsen auch selbst Teil der Serie werden. Für die erste Folge wurde eine Schlange Studenten, die auf ihre Student-Cards warten, nachgestellt. Mit 50 Leuten zu drehen, sei schon sehr aufwendig gewesen. “Die Schlange war uns deshalb so wichtig, da wir die verschiedenen Studi-Gruppen charakteristisch überspitzt zeigen wollten”, sagt Stojetz.

Aber was halten die Studierenden der TUM von der Idee? “In meinem Master in Kerntechnik und Astrophysik sind wir etwa fünf Prozent Frauen”, sagt Karina Bernert, 22, “da gibt es also eindeutig ein ungleiches Verhältnis. Ich habe mich nicht zurückhalten lassen und auch noch nie als Frau in den Naturwissenschaften einen Unterschied erlebt. Ich finde es wichtig, dass andere Mädchen dazu ermuntert werden. Dafür ist die Webserie ein gutes Zeichen, das die Uni sendet.” Leon Stütz, 24, macht seinen Master in Maschinenbau und Management an der TUM und schätzt den Frauenanteil auf unter zehn Prozent. Er gibt zu bedenken: “Ich glaube nicht, dass so eine Serie bei einem Mädchen in der elften Klasse, die sich vorher noch nie für Technik interessiert hat, plötzlich den Wunsch weckt, sich doch für Elektrotechnik einzuschreiben. Trotzdem ist eine Serie, die solche Klischees aufbricht, ein wichtiger erster Schritt.”

Heute ist Sebastian seinem Ziel, Menschen mit seinen Geschichten zu unterhalten, schon zum Greifen nahe. “Irgendwann will ich im Kino den Leuten von der ersten Reihe aus zusehen, wie sie zu meinen Filmen lachen. Das ist mein Traum”, sagt er. Am meisten faszinieren ihn die Charaktere, die für etwas brennen, in einem Thema “richtig nerdy” sind, seien es nun die Fußballergebnisse oder Elektrotechnik. So wie er selbst, mit seinem Talent zu schreiben und dem Traum, in der Filmwelt zu arbeiten. In seinem nächsten Projekt geht es dann um einen Mann, der sich in eine reine Frauendomäne vorwagt: Er will Hebamme werden.

Text: Anne Gerstenberg

Foto: Joshua Park

Neuland: Easyorange

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Produktionsfirma und Künstlerkollektiv zugleich, das ist Easyorgange. Die Gruppe besteht aus fünf Münchnern, die Kurz-und Imagefilme, sowie Musikvideos machen.

Easyorange – das sind fünf junge Münchner zwischen 20 und 22 Jahren: Anian Krone, Armin Kottek, und Tim Schäfer sind Mediengestalter für Bild und Ton, Leon Hörtrich hat gerade sein Kameradiplom abgeschlossen und Leo Vinzenz eine Technologie- und Management-orientierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität (TUM). Zusammen produzieren die jungen Männer Kurzfilme, Imagefilme und Musikvideos. Ihre Zielgruppe sind Unternehmen, die im Social-Media einen guten Auftritt hinlegen wollen, sowie Künstler und Musiker. Easyorange ist also eine Produktionsfirma, aber auch ein Künstlerkollektiv.
Im August zeigen sie drei Kurzfilme beim In Frames-Kurzfilmfestival.

Text: Ornella Cosenza

Foto: Easyorange