Sie laden Diplomaten zu Podiumsdiskussionen und veranstalten Workshops – die Mitglieder von IFAIR setzen sich mit dem Thema internationale Beziehungen auseinander. Und das natürlich weltweit!
München – Die Aula der Hochschule für Philosophie ist voll an diesem Freitagabend im Oktober. Bis zum letzten Platz, und immer noch kommen Leute herein. Am Rednerpult steht Hanna Pfeifer (Foto: Christian Macht), Mitte Zwanzig, und sortiert ihre Notizen. In wenigen Augenblicken wird sie die Besucher begrüßen. Der Andrang ist verständlich: Die Veranstaltung dreht sich um den Nahostkonflikt, genauer um die deutsche Verantwortung für Israel und Palästina. Kaum ein internationales Thema erregt derzeit mehr Aufmerksamkeit, das zeigt auch dieser Abend.
Das Stimmengewirr verstummt, Hanna beginnt zu sprechen, ruhig und konzentriert. Aus dem Auditorium werden später viele positive Rückmeldungen für ihren Impuls vor der Podiumsdiskussion kommen. Doch Hanna leitet nicht nur den Abend ein, sie hat ihn auch organisiert – zusammen mit ihren Kollegen und Kolleginnen vom Verein IFAIR (Young Initiative on Foreign Affairs and International Relations), in Kooperation mit der Hochschule für Philosophie München und dem deutschen Außenministerium.
IFAIR wurde im Sommer 2010 ins Leben gerufen, Hanna war eines von fünf Gründungsmitgliedern. Die grundlegende Idee des Vereins ist es, junge Menschen zusammenzubringen zum weiten Thema der internationalen Beziehungen und dabei starre akademische Fächergrenzen zu überwinden. Dabei sein kann, wer interessiert ist, nicht, wer Politikwissenschaft oder Völkerrecht studiert. Der Startpunkt war eine Onlineplattform, über die auch vier Jahre nach der Gründung noch ein reger Austausch stattfindet zu weltpolitischen Themen aus aller Herren Länder. „Es hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass wir mehr wollen“, sagt Hanna. Um über den rein wissenschaftlichen Austausch hinaus zu kommen, begannen sie und ihre Kollegen, Seminare und Workshops zu organisieren.
Der erste Gesprächspartner war ein ehemaliger Diplomat, Workshops zu Verhandlungsfähigkeit und anderen Soft-Skills folgten. Auch das ist die Idee von IFAIR, denn es gibt in Deutschland zu wenig außenpolitische Nachwuchskräfte. Das beklagte schon der Diplomat aus dem ersten IFAIR-Seminar. „Diese Lücke wollen wir schließen“, sagt Hanna.
Den aktiven Mitgliedern geht es außerdem darum, sich selbst vorzubereiten auf spätere Berufsfelder in der internationalen Politik. Lernen und lernen lassen, könnte man sagen. Und so geht der Anspruch des Vereins auch deutlich über das reine Reden hinaus. Mit den drei Säulen „Think. Learn. Act.“ wird klar, dass konkrete Aktionen und Projekte ein weiterer Schwerpunkt von IFAIR sind. „Das Ziel war und ist es, das Studium mit der Praxis zu verbinden.“ So formuliert es Lukas Rudolph, ebenfalls Gründungsmitglied von IFAIR und Mitorganisator des Nahostabends in München.
Die Praxisnähe ist es auch, die Hanna zu ihrer Arbeit bei IFAIR motiviert. „Mir geht es darum, die Wissenschaft in die Welt hinaus zu tragen und dabei praktisch tätig zu werden.“ Aber auch die Welt zurück in die Wissenschaft zu tragen, ist Hannas Anliegen. Denn nach ihrem Politologie-Studium in München schreibt sie derzeit an ihrer Doktorarbeit, auch hier geht es um internationale Beziehungen. Das Ziel der Projektarbeit bei IFAIR ist aber nicht nur die im Gespräch viel erwähnte Praxis. Es geht auch darum, den Zugang zu dieser Praxis überhaupt erst zu ermöglichen. Viele junge Menschen seien durchaus interessiert, sich aktiv einem weltpolitischen Projekt zu widmen, allerdings mit klarem Anfang und Ende.
Will heißen: IFAIR bietet die Möglichkeit, projektbezogen zu arbeiten, ohne weitere Verpflichtungen im Anschluss. Ein Beispiel sind Onlineworkshops, die verschiedene Regionen der Welt miteinander verbinden. So war es bei einem Projekt von IFAIR mit asiatischen Studenten, bei dem es um den Austausch zwischen Europa und Asien ging, alles im Rahmen der digitalen Möglichkeiten. Auch das ist eine Besonderheit von IFAIR: Nicht nur die Projekte sind häufig international, sondern auch die aktiven Mitglieder sind über viele Teile der Welt verteilt. Deshalb läuft viel Kommunikation nur online ab, persönliche Treffen sind nicht immer möglich.
Professor Michael Reder, der Lehrstuhlinhaber für praktische Philosophie an der Hochschule ist und den Abend moderiert hat, ist überzeugt vom Engagement von Hanna und ihrer IFAIR Kollegen. „Dass eine außenpolitische Auseinandersetzung bereits bei jungen Menschen stattfindet, ist essenziell“, sagt er.
Hanna ist zufrieden mit dem Abend. „Bei der Brisanz des Themas war es nicht leicht, geeignete Podiumsteilnehmer zu finden“, sagt sie. Am Ende jedoch ist genau das gelungen und die Debatte war abgeklärt und vielseitig, wenngleich der ein oder andere kurze polemische Ausbruch in Form von Meldungen aus dem Publikum nicht zu vermeiden war.
Hanna und ihre Kollegen sehen das gelassen. Für sie bleibt nicht viel Zeit zum Verschnaufen: Schon am nächsten Morgen geht es auf zum IFAIR-Strategiewochenende, um Weichen zu stellen für die Zukunft des Vereins. An diesem Wochenende steht ein Nahostabend mit anschließendem Planungswochenende an: So viel menschliche Nähe haben Hanna und ihre Kollegen vermutlich selten, wenn sie über Weltpolitik diskutieren. Valentin Feneberg