Musikalischer Umbruch

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musikerin Amira Warning.

Amira Warning, geboren 1995, schreibt deutschsprachige
Lieder und ist gespannt, wie das bei ihren Fans ankommen wird. Bisher hat sie auf
Englisch gesungen. Englisch versteht schließlich jeder und würde deshalb auch
eine potentielle internationale Karriere nicht behindern. Doch inzwischen ist
Amira das nicht mehr wichtig: „Wenn ich in Deutschland spiele, versteht mich
jeder und auf Deutsch kann ich mich besser und natürlicher ausdrücken.“ Der
Musikstil ist auch neu: „Singer-Songwriter und vom Beat her Hip-Hop und
Groove.“ Neben ihrem Soloprojekt Ami ist sie auch mit ihrem Vater Wally Warning
als Duo unterwegs. Gemeinsam bespielen sie Kulturplätze und wechseln sich ab
mit Gesang und Bass. Diesen Musikstil beschreibt Amira als Weltmusik mit ein
bisschen Reggae und Soul. Für sie ist es wichtig, dass beide Seiten
nebeneinander existieren. So kann sie einerseits ihr „eigenes Ding“ machen und
es andererseits genießen, wenn die ganze Familie bei den Auftritten mit ihrem
Vater dabei ist.

Text: Lena Schnelle

Foto: Diego Reindel

Magische Momente, authentische Auftritte

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Welche Musiker fallen in München auf? Jeden Montag stellen wir auf der Junge-Leute-Seite die „Band der Woche” vor. Zehn Bands, die in den vergangenen Monaten von sich reden machten, stehen nun zur Wahl für die „Band des Jahres” – ein Überblick:

Für Pop aus München sind wir regelmäßig unterwegs: Wir schauen bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei. Wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet. Von daher wissen wir meist, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft hören wird – nachzulesen jeden Montag in unserer Rubrik „Band der Woche“. Ende des Jahres gehen wir einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands, die uns in diesem Jahr aufgefallen sind, ausgewählt für die Wahl zur „Band des Jahres“. Die Facebook-Abstimmung läuft bis Ende Januar. Hier die zehn Bands im Überblick:

Matija
Indie-Pop

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Das Gefühl kennen die Musiker noch aus ihrer Anfangszeit, als sie sich noch The Capitols nannten: Die Stimmung im Münchner Club Strom kocht, junge Frauen stehen in der vordersten Reihe und schmachten den Frontmann an, der sich betont cool inszeniert; der Traum von präpotenten Jungs. Neu ist: Sänger Matija, nach dem jetzt die Band benannt ist, wird gerade auf den Armen der Fans durch die Halle getragen. Matija wird als das nächste große Münchner Indie-Ding gehandelt. Die Songs haben Hit-Potenzial, poppige Melodien treffen auf einprägsame Gitarrenriffs – die Fanliebe scheint nicht zu erlöschen.
Foto: Rue Novelle


Klimt
Soul-Pop / Singer-Songwriter

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„Um sich weiterzuentwickeln, muss man manchmal allein sein.“ Das sagt Verena Lederer, Sängerin von The New Colossus, die man mittlerweile viel häufiger mit ihrem Soloprojekt Klimt auf Münchens Bühnen bestaunen kann. Melancholische Melodien am Klavier treffen auf eine soulige Stimme, verraucht und auch ein bisschen verrucht, brechend, aber dennoch immer sicher. Um sich weiterzuentwickeln, muss man auch Risiken in Kauf nehmen. Dieses Jahr hat die 25-Jährige ihre Festanstellung als Beauty-Redakteurin gekündigt, um Musik zu studieren. Foto: Ar Hart

King Pigeon
Indie-Pop

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Das Atomic Café gibt es nicht mehr. Das ist schade. Aber immer wieder tauchen junge Musiker auf den Münchner Bühnen auf, die in dem ehemaligen Britpop-Club ihre musikalische Unschuld verloren haben und dort mit der Musik sozialisiert wurden, die sie heute selbst spielen. Bei King Pigeon heißt das: treibendes Schlagzeug samt Bass, funkig-kratzige Gitarrenriffs, ein etwas aufgerauter Grundklang, melodiöser Gesang und vor allem live viel Druck und Energie. Dazu erzählen die Musiker etwas vertrackte Liebesgeschichten. Wie damals im Atomic Café – nur hier von Dauer. Und das ist gut so. Foto: Sebastian Menacher

Ni Sala
Bluesrock

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Auf einmal steht die Welt Kopf. Auf dem Boden sind ein Schlagzeug, der Bass, die E-Gitarren zu sehen, an der Decke hängen auf diesem Bandfoto die Musiker. Oder anders herum. Eine Täuschung, und das passt sehr gut zu Robert Salagean. Vor noch gar nicht so langer Zeit wollte er weg aus München, weg aus dem spießigen Deutschland mit all seinen Verpflichtungen. Längst ist er wieder zurück – mit neuer Musik und seiner neuen Band Ni Sala, die diese Stadt um einiges spannender macht: Post-Weltenbummler-Bluesrock mit ausladenden Hippie-Phrasen und fetten Gitarren-Riffs. Foto: Luis Zeno Kuhn

Liann
Singer-Songwriter

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Kilian Unger ist alles, nur kein Punkrocker. Als Singer-Songwriter nennt er sich Liann, er singt deutschsprachige Lieder, einfache, aber poetische Texte über sein Viertel, seine Freunde, seine Kindheit, seine Kneipen. Sein Auftreten, seine Texte, seine Musik – all das macht Liann zu einer Figur, die nicht unnahbar erscheint. Ein bisschen holt er so eine nostalgische Schlager-Ästhetik in den Indie-Lifestyle. Authentisch könnte man das aber auch nennen – ein Wert, für den Plattenfirmen viel Geld ausgeben, eine Ausstrahlung, die man zum Glück nicht kaufen kann. Mit seinem Lied „Eismann“ hat er zum Beispiel das Herz von Sportfreunde Stiller-Manager Marc Liebscher berührt, es folgten Auftritte im Vorprogramm der Sportfreunde und der Rapperin Fiva. Aber auch sein Auftritt beim Festival „Sound Of Munich Now“ war umjubelt – auch von Tobias, Gitarrist der Punkrock-Band Todeskommando Atomsturm. An sich höre er nur Punkrock, sagt der, aber die Musik von Liann, „die hat mich berührt“. Foto: Victoria Schmidt

Beta
Hip-Hop

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Weg vom Wilde-Kerle-Image, raus aus der Komfortzone. Als nach dem dritten Album – der Debüt-Platte bei Sony – die Karrierechancen von Exclusive eher als gering eingeschätzt wurden, starteten Schlagzeuger Christian Rehländer und Bassist Markus Sebastian Harbauer mit der herrlich störrischen Hip-Hop-Band Beta. Eine Bandbesetzung aus Gitarre, Bass, Elektronik und Schlagzeug trifft dabei auf den Aggro-Berlin-sozialisierten Rapper Sebastian Grünwald. Funk-Licks, dröhnende Elektro-Bässe und Gitarren-Soli sind genauso Teil des Konzepts wie Raps und die dem Hip-Hop so eigene Überheblichkeit: „Ich hab’ lieber kein Style als Dein’ Style“, lautet die erste Punchline, mit der das Quartett aufbricht und die konsensverwöhnte Münchner Szene ein bisschen aufwirbelt. Das macht in erster Linie großen Spaß und kann erfolgreich werden – im kommenden Jahr gehört die Aufmerksamkeit trotzdem wieder Exclusive, die jetzt doch eine weitere Platte bei dem Major-Label veröffentlichen. Foto: privat

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Eliza
Alternative-Pop

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Feen-Pop mit sphärischen Klängen. Melancholischer Alternative, märchenhaft und düster, laut und leise, süß und sauer. Die Musik von Eliza verbindet Elemente, die auf den ersten Eindruck nicht zusammenpassen – und doch öffnet sich mit jedem Song eine gewisse Magie, vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein. Im Mittelpunkt steht Sängerin Elisa Teschner. Auf einem der Bandfotos steht die Sängerin in schwarz-rotem Spitzen-Outfit vor einem See, gesäumt von Tannen und einem etwas verhangenen Himmel – „Game of Thrones“ lässt grüßen. Dieses groß angelegte Fantasy-Reich findet sich auch in der Musik – und muss jetzt noch den Weg aus dem Labyrinth finden. Dafür setzt die Musikerin auf Neuausrichtung: In der zweiten Jahreshälfte 2017 wurden der Produzent und Musiker ausgetauscht, die Musik klingt nun elektronischer. Dementsprechend wird sich 2018 auch abseits der Musik einiges ändern. Es soll einen neuen Look geben, verspricht Elisa. Und auch der Bandname wird sich verändern, Eliza heißt dann were here. Foto: Conny Mirbach

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Paul Kowol
Singer-Songwriter

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Die Namensänderung ist noch nicht vollzogen. Aber da sich neben Gerald Huber (Cat Sun Flower, Triska) nun auch Sportfreunde-Manager Marc Liebscher um die Zukunft von Singer-Songwriter Paul Kowol kümmert, wird das nicht mehr lange dauern. Liebscher ist ein Freund prägnanter Bandnamen, so wurde aus Spunk später die erfolgreiche Formation Fertig, Los!, und aus der List-Nachfolgeband die Combo 50/50. Das ist alleine schon deswegen erwähnenswert, weil sich Paul Kowol als Künstler schon einprägen soll, wenn seine Songs im Radio gespielt werden – und das wird wohl in nicht allzu später Zukunft passieren. Paul Kowol umgarnt mit klassischen Popsongs und überbordenden Liebesliedern sein Publikum. Der Grat ist schmal, auf dem er sich bewegt, er macht Mainstream-Musik, die auch nichts anderes als das sein will. Doch sein musikalisches Niveau ist hoch. Er lässt seinen Gesang vom Singen ins Erzählen kippen, so etwas kann man nicht trainieren, so etwas kann man nicht lernen. Das ist ein Grundgespür, das hoch begehrt ist. Zuletzt kamen immer wieder Produzenten für ein paar Tage in einen Münchner Vorort, um mit Paul an Songs zu arbeiten, um Songs aufzunehmen. Bald soll es an die Öffentlichkeit gehen. Der zuletzt favorisierte Bandname: Paul. Einfach und prägnant. Foto: Walter Hämmerle

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Swango
Hip-Hop

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Es lässt sich jetzt nicht überprüfen, aber vielleicht ist Swango in China die erfolgreichste Münchner Band – zumindest, was die Anzahl der verbreiteten Videos betrifft. Und das kam so: Die drei Musiker von Swango spielten diesen Jahr beim Festival „Sound Of Munich Now“. Die Besucher lauschten dem mitreißenden Hip-Hop der Band und wunderten sich, woher der Beat kommt. Links auf der Bühne stand Skill-Gott Heron, ein Stepptänzer und in diesem Fall ein menschlicher Beat-Generator. Das hat man in München zuvor nicht gesehen, ebenso wenig die Gäste aus Hongkong – erstmals spielten internationale Bands bei diesem Festival. Die holten bereits beim Soundcheck ihre Kameras hervor und drehten Videos von den Rap-Stücken mit der Stepp-Einlage, die vielleicht seitdem in China viral gehen. Aber Swango ist mehr als eine musikalische Zirkusnummer. Mänekin Peace, englischer Muttersprachler, ist einer der besten Rapper Münchens, flankiert durch Akustikgitarre und Stepp-Beats kommt sein Ausnahmetalent umso mehr zur Geltung. Foto: David Weichelt

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Chaem
Art-Pop

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Zwischen diesen beiden Momenten liegt fast ein Jahr: Im Januar stand die Musikerin Chaem auf der Bühne im Muffatwerk, sprang als Sängerin von Flor and the Sea barfuß über die Bühne, eine Pop-Elfe. Nun, im Dezember ihr erster Auftritt mit ihrem Soloprojekt. Nein, sie steht in ihrem roten Kleid nicht starr auf der Bühne – sehr präsent ist sie, aber bei weiten nicht mehr so ausgelassen wie früher. Das liegt auch an ihrer Musik, die man derart vertrackt und gleichzeitig modern selten in München erlebt. Ihr Elektro-Pop ist versponnen, unter vereinzelte Klavier-Klänge legt sie Beats. Keine schnellen Beats. Vielmehr zähmt Chaem die Drum ’n’ Bass-Beats und fügt sie ganz zärtlich zu den harmonisch suchenden Akkord-Welten hinzu. Und auch ihren Up-Tempo-Song „Carrousel“ bremst sie. Die Ausgelassenheit wird nur angedeutet, aber am Ende bleibt die Melancholie. Foto: Christin Büttner

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Text: Rita Argauer und Michael Bremmer

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Max

Von wegen Sommerloch! Unser Autor macht sich auf die Suche nach spannenden Freizeitangeboten in München. Und siehe da: Er wird fündig! Auf ihn wartet eine Ausstellung im Farbenladen, das Isarinselfest und eine Menge Musik von Hip-Hop bis Metal.

Mit dem kalendarischen Sommer einher neigt sich auch der Festivalsommer
langsam dem Ende zu. Ein letztes Aufbäumen gibt es dieses Wochenende – und das
muss ich natürlich voll ausnutzen.

Los geht es am Freitag mit dem Sonnendeck
Festival
in Augsburg. Ja, richtig gehört, in Augsburg. Denn für
so ein Line-Up aus hervorragenden Münchner Künstlern, unter Anderem Henny Herz,
Xavier Darcy und DJ Fancy Footwork, verlasse ich gerne mal die geliebte
Heimatstadt.

Das war‘s aber auch schon wieder mit der Reiselust. Denn am Samstag
kann die Landeshauptstadt und ihr Umland mit einer Flut an Festivals
auftrumpfen. Durch meine Recherche für
einen Artikel
auf den Geschmack gekommen ist meine erste Station am
Nachmittag das Traditional Heavy Metal-Festival “Trveheim”, das sogar
schon gestern begonnen hat. Nachmittags spielen dort aufstrebende junge Bands
der Szene, während am Abend echte Oldschool-Legenden zu hören sind. Letztere
werde ich aber leider auslassen müssen, denn abends wartet die Innenstadt mit
einer Vielzahl an Konkurrenzangeboten auf. Da wären das Isarrauschen auf der
Praterinsel, und die Sommerfeste von Minna Thiel, Lucky Who und Kiosk 1917. Wo ich
letztendlich hingehe? Das entscheide ich wohl spontan.

Egal wo, gefeiert hab‘ ich gestern auf jeden Fall. Deswegen verbringe ich
den Sonntag vorwiegend im Bett – und das trotz traumhaftem Spätsommerwetter.
Shame on me! Naja, ich sollte mich ja auskurieren. Am Abend muss ich wieder
singen können, denn in der Milla steigt das Mitmach-Chor-Event GO SING CHOIR. Gesungen wird
genau ein Song, mitmachen darf jeder, der Lust hat.

Das war doch ein wirkliches Festivalwochenende! Am Montag ist
deswegen wieder etwas runter kommen angesagt. Was eignet sich da besser als die
Ausstellung “Samin” des
Fotografen Filippo Steven Ferrara? Im Farbenladen des Feierwerks dokumentiert
er das harte Leben der aus Teheran nach Italien emigrierten Bildhauerin Samin.
In Aussicht der herannahenden Bundestagswahl besuche ich am Abend noch das
Theater Heppel & Ettlich. Dort liest der
ehemalige Oberbürgermeister Christian Ude
aus seinem Buch
“Die Alternative oder: Macht endlich Politik!”. Das Buch, dessen
Titel unlängst von einem
AfD-Politiker für eine dubiose Wahlwerbung vereinnahmt wurde
.

Am Dienstag geht es kulturell weiter, denn ich begebe mich zunächst
auf einen Streifzug durch die Sommergalerie am Praterstrand.
Die zeigt momentan Werke von Simon James. Danach aber gleich weiter ins
Fußballstadion des FC Teutonia München. Denn dort tritt die SpVgg Unterhaching
in einem Benefizspiel gegen eine
All-Star-Auswahl der Münchner Amateur-Vereine an. Die Einnahmen aus dem Event
werden zur Restaurierung des Vereinsheims des FC Teutonia verwendet, das
letztes Jahr einem Großbrand zum Opfer fiel.

Der Mittwoch wird wieder musikalisch: Die Minna Thiel veranstaltet
im Kampf gegen das Sommerloch weiterhin regelmäßig ihre Schienenbuskonzerte. Dieses Mal mit
Stephan Worbs und Ziggy McNeill. Nach zwei entspannten Singer-Songwriter-Konzerten
habe ich aber noch Lust, ein bisschen zu tanzen. Da bietet sich heute das
Hip Hop Hooray” in der
BEARD BAR an.

Am Donnerstag beginnen drei wunderschöne Wochen für Keyboarder wie
mich. Bis 17. September nämlich werden in der ganzen Innenstadt verteilt wieder
die “Play me, I’m
Yours
”-Pianos stehen. Endlich wieder Straßenmusik mit
Klavier! Abends geht der etwas alternative Musik-Tag weiter, denn im Lucky Who
sprechen die Deutschrap-Podcaster Schacht &
Wasabi
über die neuesten Gerüchte rund um Farid Bang, Fler,
Sido und Konsorten. Und weil ich danach immer noch nicht genug habe, gibt’s bis
spät in die Nacht wieder Musik zum Mitmachen auf der Westendjam.

Das war eine anstrengende Woche! Deshalb lasse ich sie am Freitag
ganz entspannt auf dem Isarinselfest ausklingen. Auch
wenn das Fest noch bis Sonntag gehen wird, nach dieser Woche brauche ich wohl
erstmal eine Pause. Und da sag noch einer, München habe
im Sommerloch nichts zu bieten

Text: Maximilian Mumme


Foto: Serafina Ferizaj

Band der Woche: Mundhaarmonika

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Die Münchner Hip-Hop Band Mundhaarmonika macht theatralische Popmusik mit
jazzig-leichtem Sound. Ihre Texte handeln von Lebensrealitäten der Digital Natives und deren romantische Fluchten.

In der Klassik ist eine Sache ganz einfach: Man muss überhaupt nicht fragen, wer seine Texte ernst meint oder wer über sich oder über ein lyrisches Ich singt. Denn: Im Normalfall singen und spielen die Musiker nicht ihre eigenen Kompositionen, sondern sie interpretieren die kreativen Ergüsse anderer – also muss auch niemand Angst haben, dass sich jemand, der gerade Schuberts „Winterreise“ singt, gleich von der Brücke stürzt oder Isolde den Liebestod als finale Vereinigung mit Tristan wählt. Die ist ja sowieso noch mal eine speziellere Variante, denn als Oper ist sie schon dem Genre nach Musiktheater und demnach eine fiktionale Geschichte.

In der Popmusik ist das anders, da wird Authentizität hoch gehalten und der Hörer möchte bitte gerne glauben, dass das, was der Sänger da von sich gibt, auch dessen innerstem Seelenleben entspricht. Dieser Anspruch wiederum führt manchmal zu absurd-süßen Blüten: Etwa als Nina Hagen ein Drama um einen nur in schwarz-weiß dokumentierten Urlaub machte und zum stampfenden Kurt-Weill-Klavier nölte: „Du hast den Farbfilm vergessen, bei meiner Seel’.“ Ob die Seele dieser damals mädchenhaft-jungen Sängerin tatsächlich am Farbfilm hing, bleibt fraglich, das operettenhafte Talent zur Übertreibung schob den Song hingegen ins Theatrale.

Mit dem Farbfilm hat es auch die Münchner Hip-Hop-Band Mundhaarmonika. Und irgendwie hat es die auch mit dem Theater, denn keine andere Spielart moderner Popmusik nimmt wohl soviel Anleihe an theatralen Codes wie der Hip-Hop. Doch doppelt codiert oder absurd übertrieben wie bei Nina Hagen ist die Sache mit dem Farbfilm im gleichnamigen Song von Mandhaarmonika nicht. Dieser Song nimmt das Bild eher ernst und malt eine prächtig glitzernde Landschaft aus. Das ist hochgradig romantisierend, wenn sich nebst den „leise leuchtenden Farben“ zu Bläsersätzen „durch die Nacht“ geträumt wird, und auf eine gewisse Art auch genauso künstlich wie bei Nina Hagen. Doch Rapper Simon Hofelich und seine hoch versierte Musiker-Crew stellen fest: Diese Musik soll bitte als authentisch gelebte Sommermusik ernst genommen werden.

Das gelingt auf dem am kommenden Freitag, 28. Juli, erscheinenden Album „Raptestdummy“ ganz prächtig. Die Band produziert jazzig-leichten und luftigen Sound, Simon Hofelich setzt Texte darauf, es wirkt so wie der sonnengebräunte Schalk eines Surfer-Boys, bei dem man auch eher nicht wissen will, welche Abgründe darunter liegen. Doch die Oberfläche funktioniert blendend. In guten Momenten gelingt Musik, die auf einer einfachen Ebene zu verstehen ist und keine ästhetischen Verklausulierungen vornimmt. Denn trotzdem wird hier auf hohem Niveau produziert und geschrieben. In schlechteren Momenten kippt es jedoch in die klamaukige Heile-Welt-Attitüde der Wise Guys.

Die Texte kreisen dabei ebenfalls leicht zu entziffernd um die Lebensrealitäten der Digital Natives und deren romantische Fluchten. Etwa im Song „Tschüssinger Tschausn“, in dem es in der Hook heißt „Brauch’ kein Google Maps im Gepäck / nein, die Freiheit, die schmeckt“. Doch ganz so naiv ist Mundhaarmonika dann doch nicht. „Am Ende des Tages zählt, ob das Publikum unterhalten wird“, erklären sie ganz abgebrüht. Denn generell sei allen Genres gemeinsam, dass man auf der Bühne eine Rolle einnehme und versuche, die Aussage hinter dieser Rolle möglichst authentisch wiederzugeben. Damit verwirbeln sie zwar die Zuordnung um Echtheit in der Popmusik um ein Weiteres. Aber vielleicht ist das auch genau die Rätselhaftigkeit, die Popmusik auch immer braucht, um spannend zu sein. 

Stil: Hip-Hop/ Jazz-Pop
Besetzung: Simon Hofelich, Felix Renner (Bass), Andreas Begert (Keyboard), Vincent Crusius (Drums), Temren Demirbolat (DJ), Marcel Chylla (Video), Matthias Kieslich (Ton) 
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.mundhaarmonika.de

Text:
Rita Argauer

Foto: GoldPr

Der Pop-Poet

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In wenigen Tagen ist Stadt Land Rock 2017. Hier geben wir Einblicke
in die Tiefen des diesjährigen Kosmos aus Britpoppern, Traumwandlern und
Chartstürmern. Heute im Kurzportrait: WENDEKIND.

WENDEKIND ist ein Soloprojekt von Gitarrist, Sänger und
Pop-Poet Benjamin Süß. Sein erstes Album „Ein Baum, ein Wald“ hat er 2014 in Bandbesetzung
aufgenommen, aus zeitlichen Gründen wurde die Gruppe jedoch aufgelöst.
Mittlerweile ist WENDEKIND wieder
solo unterwegs und vereint dabei nach eigenen Angaben „die Einflüsse
Rock, Pop und Hip Hop, die mich schon mein ganzes Leben begleiten, mit einem
Hauch des Elektronischen“. Um solch eine Klangfülle alleine produzieren zu
können, arbeitet er live viel mit Playback und unterlegt diese mal mit
poppiger, mal mit rockigerer Gitarre. Dazu kommen seine prosaischen Lyrics, die
zu denen gehören, die man auch in Schriftform freiwillig lesen würde – und
fertig ist der WENDEKIND-Sound.
Benjamin Süß ist übrigens nicht, wie man ja meinen könnte, in der Nacht des
Mauerfalls geboren: „Egal, wie
tief die Löcher aus meinem Leben sind, ich wende das Blatt mit dem kleinen
Jungen zum Guten, ich bin das Wendekind!“, freestylte er vor vielen Jahren in
seinem heimischen Studio – geboren war sein Künstlername.

Das Stadt Land Rock Festival findet dieses Jahr vom 29. Juni bis
zum 1. Juli statt, täglich von 19 bis 22:30 Uhr in der Half Moon Bar auf
dem Sommertollwood. Wendekind spielt am 30. Juni zusammen mit Liann, Matija und Mola.

Text: Tilman Waldhier

Foto: Bjoern Matthes

Energie und Aura

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In wenigen Tagen ist Stadt Land Rock 2017. Hier geben wir Einblicke
in die Tiefen des diesjährigen Kosmos aus Britpoppern, Traumwandlern und
Chartstürmern. Heute im Kurzportrait: Mola.

Früher mal
machte Mola in großer Combo
ausschließlich Soul und Funk. Sängerin und kreativer Kopf Isabella Streifeneder
brauchte jedoch einen musikalischen Neustart: Sie reduzierte die Band auf fünf
feste Bandmitglieder und bewegt sich seitdem mit ihrer Gruppe musikalisch in
vielen verschiedenen Stilrichtungen. Die Songs von Mola sind weit gefasst grundsätzlich in den Pop-Bereich
einzuordnen, enthalten aber viele Elemente von Elektronika, Hip Hop oder eben
Soul und Funk. Ganz hat Mola ihre
musikalischen Wurzeln also nicht verlassen. Die Einzigartigkeit der Band ist
vor allem der charismatischen Sängerin zuzuschreiben, die mit einer geradezu
auf den Hörer übergehenden Energie ihre deutschen Texte ins Mikro singt. Gleichzeitig
besitzt die Sängerin mit ihrer tiefen Soulstimme eine unheimlich coole Aura.
Ihre Texte handeln auf angenehm ehrliche Art und Weise von gesellschaftlichen
Zwängen, vom Sich-selbst-sein und, natürlich, von Liebeskummer. In Kombination
mit dem ausgefeilten Songwriting der gesamten Band und den vielen ausgefallenen
Musikvideos ist Mola somit eine
ziemlich große Adresse in München.

Das Stadt Land Rock Festival findet dieses Jahr vom 29. Juni bis
zum 1. Juli statt, täglich von 19 bis 22:30 Uhr in der Half Moon Bar auf
dem Sommertollwood. Mola spielt am 30. Juni zusammen mit Wendekind, Matija und Liann.

Text: Tilman Waldhier

Foto: Jake Paul

Band der Woche: Grasime

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Minimalistische Beats und ein hoher Wert an Selbstreferenzialität: „Perspektive“ heißt das neue Album, das der Münchner Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat.  

Die Beatles hatten es leicht. Denn vor ihnen gab es das Genre Popmusik nicht so recht. Einen Musikstil zu erfinden, das muss man zwar erst mal schaffen. Doch diese Leichtigkeit, die ihre Musik auch in ihren vertrackteren späten Alben hat, ist wohl unmittelbar daran geknüpft, dass sich die Beatles eben in einem noch sehr jungen Stil auf unausgetretenen Wegen befanden. Je älter die Kunstform wird, desto schwieriger ist es, eine erfrischende Unbedarftheit beizubehalten. Dafür eröffnet sich später aber ein neues Spielfeld in der Musikerschaffung: das Selbstreferenzielle. Kunst, die sich auf sich selbst beziehen kann und in der spielerisch und ironisch das Thema der Kunst aus der Kunst selbst gezogen werden kann. Dabei wird quasi Kunst über Kunst geschaffen, was in manchen Fällen langweilig ist; was, wenn es gut gemacht ist, aber auch witzig werden kann. 

Hip-Hop und Rap sind schon rein instrumental gesehen Musikformen, die sich erst einmal auf ihr eigenes Genre – Popmusik – beziehen. Denn die Ursprünge des Hip-Hop liegen in den ersten Samples und Beatversuchen. Musik, die bereits existierte, wurde in einer Collagentechnik weiterverarbeitet. Doch gerade Hip-Hop hat auch sprachlich, also auf der Textebene, einen hohen Wert an Selbstreferenzialität. „Perspektive“ heißt daher das neue Album, das der Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat. Minimalistisch sind die Beats, während Grasime die Perspektive auf sich selbst richtet. Grasime, auch bekannt aus der Münchner Underground-Crew Weltuntergäng, rappt über seine eigenen Initiationen zum Hip-Hop. Der Musiker gehört dabei zu einer Generation von Rappern, denen der ständige Bezug auf ihren eigenen Musikstil von Anfang an als Inhalt völlig zu eigen war. Das mag vielleicht an der Form des Battle-Raps als Einfluss liegen, in der die beiden Kontrahenten sich rappend über die Rap-Künste des jeweils anderen mokieren. Wie in einem Spiegelkabinett verdoppeln sich die künstlerischen Mittel permanent selbst. Weniger analytisch ausgedrückt entstehen lustige Dinge, die Grasime auch treffend ausstellen kann. „Erzähl mir nichts von Hip-Hop, sonst erzähl ich Dir von Jean-Paul Sartre“, beginnt er den Track „B.B.M.R.“, und vermischt dabei schmunzelnd eine linksintellektuelle Bildungsbürgerlichkeit mit den Drohgebärden des Battle-Raps.

Doch für Grasime hat Hip-Hop noch einen anderen Zweck als die lustigen Schaukämpfe der Rap-Battles. Als Teenager hat er diesen Musikstil über seinen Bruder kennengelernt. Er identifizierte sich mit der Subkultur, zu der Scratches und Graffiti genauso gehören wie das Rappen und Beats-Bauen. So erklärt er fast idealistisch den Satz „Hip-Hop lebt nicht davon zu konsumieren, sondern von Partizipation“ zum Leitmotto, quasi als Sozialpädagogik in cool. Mit 18 war diese Initiation bei Grasime so weit, er kaufte sich den ersten Computer und fing an, seine Musik zu produzieren. Unter den Münchner Hip-Hop-Strömungen gehören Grasime, sein Label Bumm Clack, das als Veranstaltungsreihe begann und nun auch Musik veröffentlicht, sowie die Weltuntergäng zu denen, die die im Hip-Hop oft gesuchte Realness wohl am meisten erfüllen. Neben den intellektuellen Spielereien der gerade aufgelösten Blumentopf und den ironischen Zeilen von Fatoni erscheint die Szene um Grasime zunächst fast konservativ. Doch letztlich treffen die funkig-jazzigen Beats und die Unmittelbarkeit einen Old-School-Nerv. Das ist auch wieder selbstreferenziell. Aber macht einfach Spaß.  

Stil: Hip-Hop
Besetzung: Grasime (Raps), O von Kram aus der Ecke

(Produktion)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: bummclack.bandcamp.com

Text: Rita Argauer

Foto: Niklas Niessner

Band der Woche: Felix Krull

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Hip-Hop und Rap – zwei Dinge, die wohl eher mit Berlin statt mit München verbunden werden. Doch Felix Krull – ja, das ist dieser Hochstapler aus dem Deutschunterricht – dreht den Spieß um und produziert Kitsch-Rap über das Münchner Image.

München hat ein schlechtes Image, was Pop-Musik betrifft. Denn während Berlin immer noch als Metropole des Untergrunds, des Slacker-Lifestyles und der durchtanzten Nächte wahrgenommen wird, gilt München als reich, arbeitsam, teuer, wohlig – eben alles, was nicht cool ist. Klar, das sind Klischees. Und die kann man benutzen. Das ist im Münchner Hip-Hop nun schon zwei Mal exemplarisch geschehen. Eigentlich braucht Hip-Hop das Leid der Gosse, um seine Authentizität zu beweisen. In Berlin versuchten Sido und Konsorten die Ghetto-Romantik mit Aggro-Berlin zu reproduzieren. In München reagierten ein paar Spaßvögel-Rapper darauf mit Aggro-Grünwald, der Schampus-saufenden Rich-Kid-Variante der Rüpelrapper.

Felix Krull hat diesen Stil nun perfektioniert. Während Aggro-Grünwald so schnell wieder verschwand wie das Lachen über den Namenswitz anhielt, schärfte Krull sein Image als schleimiger Bonzenrapper über Jahre hinweg. Felix Krull, Thomas Manns Hochstapler, den benutzt er als Pseudonym, und zeigt schon hier den Inszenierungscharakter des Ganzen an. Seinen echten Namen möchte er natürlich nicht nennen, denn: „Um für Verwirrung zu sorgen, behaupte ich auch manchmal, es sei mein echter Name“, erklärt er. Krull möchte der Popmusik nun den Kitsch (zurück-)geben. Als Heilsbringer der einfachen Wahrheit, unter der die Abgründe beginnen, wie das schon bei Falco der Fall war, und den Krull zum großen Vorbild erklärt hat.

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Dahingehend hat er, der vor sechs Jahren noch mit präpotentem Männlichkeitsgehabe auf den Plan trat und von sich selbst nur als dem „Stemmer“ sprach, sich gewandelt. Der Strategie einer Sekte gleich, folgen seine knapp 4000 Facebook-Fans seinen „5 Regeln des Kitsch“, in denen der Erleuchtete eine Anleitung zum Leben im rosa Polo-Hemd beim Hugo trinken auf Münchens Sonnenplätzen gibt. Und natürlich – auch das ist schon wieder ein Klischee – beginnt sein Album „Kitsch“, das am 28. Oktober erscheinen soll, mit Mario Adorfs „Geld“-Monolog aus „Kir Royal“. Die Musik, die er dabei macht, ist erstaunlich sanft. Die Edginess, die er sich in der Inszenierung erlaubt, fehlt seinen Beats, die ein wenig nach dem üblichen Loop-Allgemeingut klingen. Seine prahlerischen Texte könnten aber durchaus eine Rampe gebrauchen, die sie ins wirklich Extraordinäre treiben würde. Etwas, dass sein theatrales Talent so grenzüberschreitend und wunderbar vorgibt. 

Stil: Kitsch-Rap
Besetzung: Felix Krull
Aus: München
Seit: 2010
Internet: www.facebook.com/felixkrullofficial

Von: Rita Argauer


Fotos: Philip Klett, Spring Pictures

Neuland: Eigene Beats

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Der Beat-Produzent Clap Cotton aka Hans Schoetz will zusammen mit Florian Malzer aka Flow One am Bass im Winter ein Album herausbringen. Das Besondere: Bei der Produktion kamen keine Samples zum Einsatz. 

Clap Cotton hatte bereits den bayerischen Mundart-Rapper Bbou für seinen Internet-Hit „Aromatherapie“ mit dem Beat versorgt. Die Botschaft der Macher und des Albums: Beats können auch ohne Fremdmaterial warm und oldschool klingen.

Das ist deshalb so neu, weil es bei Hip-Hop-Instrumentalen auf Youtube oder Soundcloud immer um die Frage der „Sample-ID“ geht: Welches ursprüngliche Musikstück hat der Beat-Produzent „gesampled“, also aus welchem Song hat er Klangschnipsel gezogen, um diese dann für seinen Track neu zu arrangieren? Die Praktik ist im Hip-Hop gang und gäbe. Viele Produzenten riskieren so für den warmen Sound alter Jazz- oder Soulplatten eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie nicht für die verwendeten Elemente bezahlen.

Einen Teaser zu dem Albun gibt es bereits auf Youtube: „Clap Cotton x Flow One – Beat tape teaser #1“ – ganz ohne Samples, versteht sich. 

Von:  Hubert Spangler

Foto: Tomek Czochanski

Münchens kleinste Bühne

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Hans Kohler und seine Freunde veranstalten DJ-Gigs in seinem WG-Zimmer und veröffentlichen sie anschließend im Internet. Das Konzept ist nicht neu. Allerdings hat „Hansi’s Room“ seinen ganz eigenen Charme.

Chris, Künstlername C-Ras, drückt auf Play. Der Plattenspieler beginnt zu rotieren. Ein tiefer Bassschlag wabert durch den Raum. Darauf folgt eine knackige Snare-Drum. Das Ganze wiederholt sich mit kleinen Variationen. Dann setzt ein Sample ein. So baut sich innerhalb weniger Sekunden ein Hip-Hop-Beat auf. Die Anwesenden beginnen mit dem Kopf zur Musik zu nicken. Sie hören zu, unterhalten sich, reißen Witze. Man merkt, dass sie untereinander befreundet sind – die Stimmung ist ausgelassen.

C-Ras legt nicht in einem Club auf, sondern in einem WG-Zimmer in Haidhausen. Im Zimmer von Hans Kohler, 28. „Beats kommen daheim besser rüber“, sagt Hans und lächelt. „Im Club hat man das Gefühl, man muss tanzen.“ Hier, in „Hansi’s Room“, tanzt niemand. Sie hängen ab, entspannen und sitzen auf der durchgesessenen Couch, während sich im Hintergrund die Plattenteller drehen.
 

Neben den Tischen, auf denen Plattenspieler und Mixer stehen, thront das Plattenregal. Die Sammlung besteht aus mehreren hundert Platten. Im gesamten Zimmer kleben Sticker, Poster und – wie soll man sagen – Sonstiges an der Wand. Zum Beispiel eine alte Soundkarte oder ein großer Karton-Scheck, den man typischerweise aus Gameshows im Fernsehen kennt: Er steht für das Preisgeld für eine gewonnene Breakdance-Battle. Was aber viel wichtiger ist, sind die Einrichtungsfreunde, sind die Freunde im Zimmer. Sie trinken Bier, haben Spaß und nicken mit dem Kopf zur Musik.
 

So weit, so normal. Allerdings haben es die Konzerte in diesem WG-Zimmer zu einer kleinen Berühmtheit gebracht. Denn Hans und seine Freunde filmen die Auftritte und laden sie anschließend ins Internet. So ist das Zimmer über die Zeit zu einer Plattform für lokale Produzenten und DJs geworden. C-Ras aus München etwa spielt an diesem Abend hauptsächlich Tracks seiner neuen Platte. Auch internationale Künstler haben in Hans’ Zimmer schon ihre Musik zum Besten gegeben.
 

Hans tanzt seit Langem Breakdance und ist somit eng mit Münchens Hip-Hop-Szene verbunden. Mit der Zeit beschäftigt er sich immer mehr mit der Musik und beginnt aufzulegen – vor allem Hip-Hop, Funk und Boogie. Hans und sein Mitbewohner Alexander Starck, 29, hängen oft in seinem Zimmer ab, hören Musik und laden immer wieder Freunde ein. Dabei wächst die Plattensammlung stetig. Sie legen auch immer öfter gemeinsam auf, vor dem Weggehen oder einfach so. So kommt es, dass Hans und Alex beginnen, die Gigs zu filmen. Hans erinnert sich: „Wir sind verkatert aufgestanden – es waren ja eh immer irgendwelche Leute da – und haben dann einfach angefangen aufzunehmen.“ Das war im März 2014.
 

Mittlerweile waren schon zahllose Musiker zu Gast. An diesem Abend ist es C-Ras. Neben Hans und Alex sitzt auch Stephen Nayat, 23, Spitzname Monte, auf der Couch und hört zu. Seit die Jungs angefangen haben, ist er für die Technik zuständig. „Der ursprüngliche ,Boiler Room‘ kommt am nächsten an das hin, was wir machen“, sagt Monte über ihr Projekt.
 

Der Boiler Room. Das ist eine der größten Erfolgsgeschichten innerhalb der elektronischen Musikszene in den vergangenen Jahren. Ein großer Vergleich also. Denn die Musikplattform, die damit angefangen hatte, DJ-Gigs im Internet zu streamen, ist inzwischen ein millionenschwerer Konzern. Es gibt Boiler-Room-Videos aus allen Ecken der Welt – von New York über Barcelona bis Peking. Fast jeder halbwegs angesagte DJ hatte dort schon einen Auftritt. Allerdings hat auch dieses Projekt klein angefangen, in einem winzigen Heizungsraum (zu englisch: boiler room) im Osten Londons. Ein paar Freunde mit guten Verbindungen zur Kreativszene hatten spaßeshalber begonnen, befreundete DJs einzuladen und die Auftritte im Internet zu veröffentlichen. Aus diesem Blickwinkel versteht man, was Monte meint, wenn er vom „ursprünglichen“ Boiler Room spricht. „Auf keinen Fall sind wir bloß eine Boiler-Room-Nachmache“, sagt Hans. „Die Anfangsidee ist dieselbe.“ Also Musik mit Freunden zu machen und die Atmosphäre dann noch per Internet zu verbreiten. „Wir wollen aber beibehalten, dass man Spaß hat“, ergänzt Alex. Denn für Hans und seine Freunde geht es nicht darum, erfolgreich zu sein. Für sie steht die Musik weiterhin im Vordergrund.
 

Das merkt man auch am Namen des Projekts: Hansi’s Room – analog zum Boiler Room, benannt nach dem Ort, an dem alles stattfindet. Dabei schwingt natürlich Ironie mit, denn zum Zeitpunkt des Namensgebung war der Boiler Room bereits allseits bekannt. Hans’ WG-Zimmer hingegen kannten bis dato nur Freunde. Doch das hat sich inzwischen geändert.
 

Mittlerweile gibt es eine Liste mit Musikern, die bei Hans im Zimmer spielen wollen. Zu ihnen kommen sie meistens über Empfehlungen von Freunden. „Es geht auch darum, Leute kennenzulernen“, sagt Hans. Natürlich hat Hans noch Verbindungen in die Hip-Hop-Szene. Obwohl die Jungs alle selbst eher aus dieser Richtung kommen, sind sie auch für anderes offen – „Hauptsache: gute Musik“. So ist ein kleines Netzwerk entstanden, mit durchaus ungewöhnlichen Abzweigungen. So waren digitalluc, der Beats für Edgar Wasser produziert, und erst kürzlich die Münchnerin Lisaholic bei Hans zu Gast – die selbst ernannte „Königin von Bayern“ spielte eine knapp 45-minütige Session ein. Auch internationale Künstler wie Sono aus Brasilien oder DJ Flake aus den USA haben schon Hans’ Zimmer beschallt.

Die Zugriffszahlen sind ordentlich – oft sind sie im fünfstelligen Bereich. Auch die Resonanz auf ihr Projekt ist international. „Manchmal schreiben mir irgendwelche Leute auf Englisch so Sachen wie: Danke, dass ihr mich durchs Studium gebracht habt“, sagt Hans. Vor kurzem gab es auch eine Anfrage aus Portugal, ob man nicht ein paar Hansi’s-Room-Aufkleber haben könnten. Das freut sie natürlich, trotzdem denken die Jungs nicht daran, ihr Projekt kommerzieller zu gestalten. Obwohl auch schon die erste Zahlung für Klicks auf einer Videoplattform bei ihnen eingegangen ist – elf Cent.

Von: Lukas Haas

Foto: Lukas Haas