Hängen bleiben

Dino Maat, 25, macht Tape-Art. Was er daran schätzt, ist die Ausdrucksstärke. Es wird wenig geschmückt, es wird einfach gezeigt, was man denkt. In diesem Punkt sind sich der Künstler und seine Kunst sehr ähnlich.

Er hat keine Lust sich anzubiedern. Freiheit, die ist ihm wichtig. Das Wort Freiheit nennt er immer wieder. Dino Maat, so nennt sich der 25-jährige Münchner, macht Tape-Art. Tape – auf Deutsch: Klebeband – ist ein sehr schlichtes Material, ein Alltagsgegenstand. Wenn Dino darüber spricht, wird es lebendig: Eine Schicht Farbe, eine Schicht Gewebe und eine Schicht Klebstoff. Dino dehnt sich mit dem Band, geht mit ihm mit durch einen Raum, schafft andere Dimensionen. Er malt mit dem Band, sagt er immer wieder, dann verbessert er sich, „also nicht malen, tapen meine ich“, sagt er und lächelt.

„Es passiert gerade so viel, aber so lange es die Leute nicht wirklich etwas angeht, ist es ihnen egal.“

Dino trägt eine alte schwarze Lederjacke, dick gefüttert. Es regnet, er trinkt einen Früchtetee. Seine Harre sind kurz geschoren, der Bart über der Oberlippe drei Tage alt.
Dino hat auch mal Graffiti gesprüht. „Wer einmal sprayt“, sagt er, „der bleibt in der Regel dabei.“ Die Graffiti-Szene ist eng verbunden, bleibt gerne unter sich und der Kampf um den besten Platz ist allgegenwärtig. Das hat Dino einfach nicht gefallen. Die Leidenschaft für das Tapen hat ihn hingegen nie los gelassen. Seit zwei Jahren ist er wieder aktiv, klebt an Münchner Wände, hat bereits einige Ausstellungen organisiert und auch Auftragsarbeiten angenommen. „Tape-Art ist im Kommen“, sagt er. Firmen wie BMW oder Siemens buchen Tape-Art-Künstler für Events. Sie sollen Räume, Autos, Firmenziele in Szene setzten. „Das macht schon Spaß und stellt mich vor Herausforderungen, durch die Vorstellung des Kunden und den Zeitdruck“, sagt Dino. Er macht eine kurze Pause. Er beginnt den nächsten Satz mit „aber …“, dann folgt die nächste Pause. Es kommt wieder diese Sache mit der Freiheit. „Sich an die Vorgaben eines Kunden zu halten, der immer wieder seine Meinung ändert, kann auch anstrengend sein“, sagt er schließlich. 

Seine erste Auftragsarbeit hat ihm Felix Rodewaldt organisiert. „Ein Künstler-Kumpel“, wie ihn Dino nennt. Auch er macht Tape-Art.
 Was Dino an der Tape-Art schätzt, ist die Ausdrucksstärke. Es wird wenig geschmückt, es wird einfach gezeigt, was man denkt. In diesem Punkt sind sich Dino und seine Kunst sehr ähnlich. Der Künstler will sagen, was er denkt. Oft hält er mitten im Satz inne und überlegt einige Sekunden. Er versucht, die richtigen Worte zu finden, damit das, was er ausdrücken will, auch wirklich so beim Gegenüber ankommt. Genauso soll es bei seinen Tape-Installationen sein. Immer öfter sucht er sich öffentliche Plätze in München, um politische Motive an die Wand zu bringen. „Nichts, was zu heftig ist“, sagt er. Er will niemandem auf die Füße treten. Viel eher möchte er eine größtmögliche Aufmerksamkeit schaffen. Die Leute sollen nachdenken, findet der Künstler. „Es passiert gerade so viel, aber so lange es die Leute nicht wirklich etwas angeht, ist es ihnen egal. Das macht mir Angst“, sagt Dino.

Sein Mittel gegen dieses Gefühl ist das Tapen. Unter dem Titel „Our System“ hat er in ein Sperr-Geschoss der U-Bahn eine Granate, eine Fliegerbombe und Dollarscheine geklebt. Daneben der Schriftzug „For What?“ in Pink.
 Subtile Kunst, über die man lange nachdenken kann, ist das nicht. Soll es ja auch nicht sein. Man soll vorbei gehen und gleich wissen, was gemeint ist. Minimalistisch und stark im Ausdruck, das soll es sein. Und anders als beim Graffiti signiert Dino seine Tape-Kunst – mit Tape versteht sich. „Es ist mir wichtig, dass die Kunst geschätzt wird“, sagt er, „auch wenn es nicht für die Ewigkeit ist.“

Für die Ewigkeit ist selten etwas an den Münchner Wänden, zumindest wenn es um Urban-Art geht. So richtig offiziell darf er es zwar nicht, aber er hat bisher noch nie Probleme mit der Stadt bekommen, was sicherlich auch daran liegt, dass Tape – im Gegensatz zu Graffiti – gut zu entfernen ist. Irgendwann kann ja mal was in Kooperation mit der Stadt entstehen, aber das dauere eben immer so lange in München, findet Dino.

Und außerdem ist da wieder die Sache mit der Freiheit. Zu sehr nach Vorgaben arbeiten oder für einen bestimmten Zweck, das ist nicht Dinos Ding. Trotzdem freut er sich, dass er seit Kurzem dem Tape-Art-Kollektiv „Tape Over“ angehört, das von Robert König geleitet wird. Das hat seinen Sitz in Berlin, aber das macht nichts. Unter der Leitung von König reisen die acht Mitglieder immer wieder in andere Städte, um gemeinsam zu tapen.

Geplant ist demnächst so etwas wie ein Comic-Strip, nur eben nicht gezeichnet

Ende dieses Sommers will Dino Maat das Kollektiv mal nach München holen, um sie hier vorzustellen und gemeinsam mit ihnen ein paar Werke auszustellen. Denn in München ist er bis auf Rodewaldt noch alleine mit seinem Tape.

Aber da kommt schon noch etwas, da ist sich Dino sicher. Und bis dahin macht er weiter, macht aufmerksam. Geplant ist demnächst so etwas wie ein Comic-Strip. Dino will etwas über mehrere Bilder hinweg erzählen. Die Menschen sollen hinschauen.

Von: Jennifer Lichnau

Foto: Nicole Rüffer