Bei uns im Viertel

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In wenigen Tagen ist Stadt Land Rock 2017. Hier geben wir Einblicke
in die Tiefen des diesjährigen Kosmos aus Britpoppern, Traumwandlern und
Chartstürmern. Heute im Kurzportrait: Liann.

Man kann ihn
einfach nur sympathisch finden. Sein Auftreten, seine Texte, seine Musik. Alles
an Kilian Unger alias Liann macht ihn zu einer Figur, die nicht unnahbar
erscheint wie so viele andere Musiker, die etwas auf sich halten. Nein, der
Singer/Songwriter ist einer von denen, die man sich nach einem Konzert trauen
würde, einfach mal anzusprechen. Denn er wirkt so erfrischend normal und
gänzlich ohne Starallüren, man merkt, er macht die Musik der Musik wegen. Nicht
um sich im Ruhm zu baden. Dazu seine einfachen, aber poetischen Texte über sein
Viertel, seine Freunde, seine Kindheit, seine Kneipen: „Letztes Jahr um diese
Zeit waren wir noch zu zweit, bei uns im Viertel, es scheint alles nicht so
weit, aber in Wirklichkeit ist ein Jahr manchmal schon viel zu lang“, singt er
in Erinnerung an eine alte Bekanntschaft. Dass man auch mit solch eher
bodenständigeren Themen Erfolg haben kann, zeigt ein Blick auf seine
musikalische Vita: Er stand schon als Supportact von Sportfreunde Stiller auf
der Bühne, im Mai spielte er im vollen Ampere für die Release seiner EP
„Goldjunge“, letztens war er gar als Modell der SZ-Junge-Leute-Ausstellung „10
im Quadrat“ auf diversen Fotos Münchner Fotografen zu sehen – der Mann ist
definitiv ein Goldjunge.

Das Stadt Land Rock Festival findet dieses Jahr vom 29. Juni bis
zum 1. Juli statt, täglich von 19 bis 22:30 Uhr in der Half Moon Bar auf
dem Sommertollwood. Liann spielt am 30. Juni zusammen mit Wendekind, Matija und Mola.

Text: Tilman Waldhier

Foto: Victoria Schmidt

EP-Kritik: Liann – Goldjunge

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Lianns neue EP “Goldjunge” hat das Zeug dazu, Vorbild für eine neue Generation deutscher Singer/Songwriter sein – mithilfe von klugen, nachdenklichen und vor allem sehr ehrlichen Texten.

Die Zeiten für junge Singer/Songwriter sind bei Leibe nicht
einfach momentan – zumindest nicht aus einer künstlerischen Perspektive. Hat
doch Jan Böhmermann in einer genialen Persiflage all das
menschenlebentanzenwelthafte der deutschen Popmusikszene seziert, durchgespielt
und beendet. Wie kann man da jetzt künstlerische Akzente setzen, ja ernst
genommen werden? Schön singen allein reicht nicht, denn das können sie ja alle,
die sie nur mal kurz die Welt retten wollen oder nur einer von achtzig
Millionen sind.

Vielleicht führt der Weg zurück ins Kleine, ins Private, ins Autobiografische? Zumindest zeigt die kürzlich erschienene zweite EP „Goldjunge“
des Münchner Singer/Songwriters Kilian Unger alias Liann, wie man es richtig
machen könnte. Nur mit einer Gitarre,
reduzierter Begleitung und einer fantastisch-sanften Stimme gelingt Liann das,
was viel von der aktuellen Chartmusik nicht gelingt: echt und glaubhaft Gefühle
auszudrücken und zu erzeugen. Die Platte
beginnt unaufgeregt mit dem Titel Memoiren,
einer kleinen Abhandlung über das Erwachsenwerden, Erwartungsdruck und das
Scheitern, „auf einmal volljährig, aber meistens nur voll“. Auch Chicago – szenisch, der Rauch von
Feuerwerkskörpern, die ein vergangenes Spektakel nur erahnen lassen und der
Kater setzt schon ein – bremst das Tempo der heutigen Zeit, lässt Wehmut und
Fernweh verschmelzen, ein bisschen „Ich war noch niemals in New York“, ein
bisschen „Don’t look back in Anger“. Und in Felix
stirbt die Hoffnung nicht zuletzt, nein, die „Hoffnung tut noch weh“. Natürlich geht es um Liebe, natürlich ist der Protagonist noch betrunken oder
schon verkatert – so sicher kann man sich da bei Liann nie sein. Im titelgebenden Goldjunge erzählt er eine Geschichte, die auch die Rapcombo K.I.Z.
regelmäßig erzählt, naturgemäß mit deutlich drastischeren Worten. Liann schafft
es dabei ganz subtil, vorsichtig Emotionen zu wecken, doch mehr zwischen den Zeilen
oder durch die Musik. Die Fäden der EP laufen schließlich in Peter Pan zusammen, erwachsen obwohl man
das nie wollte – „halb noch ein Kind, halb Veteran“.

Und so hinterlässt einen die viel zu kurze Platte
melancholisch, nachdenklich, irgendwie berührt. Vielleicht ist das tatsächlich
die Lösung für die deutsche Popmusik, nicht die großen, allumfassenden Topoi
aufgreifen, sondern die eigenen Geschichten erzählen und dabei echt bleiben –
auch wenn es sich dann als Fehlalarm herausstellt.

Text: Philipp Kreiter

Foto: Victoria Schmidt