München lacht. Aber junge Comedians haben es trotzdem schwer. Eine Suche nach den Ursachen und ein Gespräch darüber, wie man sich in der Münchner Künstlerszene durchschlägt.
München lacht. Das schon. Aber bitte nur über altbewährte Witze. Keine Experimente. Donnerstagabend im Container Collective. Michael Mauder, 24, junger Comedian und Moderator, steht auf der Open Stage der Veranstaltung „München, was ich dir schon immer sagen wollte“. Mit kurzen Anekdoten aus seinem Leben – wie dem Umzug nach Ebersberg – bringt er die Leute im großen Veranstaltungscontainer zum Lachen. Zum Ende seines Beitrags hin wird der junge Münchner jedoch ungewohnt ernst: „Wenn ich als Stand-up-Comedian neues Material ausprobieren möchte, muss ich meistens nach Fürth oder Erlangen fahren.“ Woran das genau liege, wisse er nicht, „aber in München gibt es eher nur Bühnen für Hochglanz-Nummern“.
Die junge Comedy- und Kabarettszene in München. Eine Quelle von würdigen Nachfolgern für Münchner Größen wie Willy Astor, Günter Grünwald oder Michael Mittermeier? Darf man als Newcomer in diesem Gebiet überhaupt so groß träumen? Ein Treffen mit den drei ganz unterschiedlichen, aufstrebenden jungen Münchner Comedians Alex Döring, Michael Mauder und Julian Wittmann. Wie aufgeschlossen ist das bayrische Publikum? Und sehen sie das, was sie tun, mehr als Hobby oder doch als Berufsziel?
Alex Döring, 27, ist sich da noch nicht so ganz sicher. „Es gab Zeiten, da sollte das Liedermachen nur das zweite Standbein bleiben. Aber momentan könnte ich mir schon vorstellen, zumindest zeitweise für ein paar Jahre mal voll auf Musik zu setzen.“ Der junge Münchner wirkt, als wäre er mit seinen Gedanken woanders. Seine Masterarbeit wartet. Er kommt gerade aus der Bibliothek und muss auch später noch einmal dort hin. Nach einem abgeschlossenen Bachelorstudium in Germanistik und Geschichte studiert der 27-Jährige nun Politik im Master, bis er im August fertig ist. Seine Studienwahl ist auch in vielen seiner Songs deutlich erkennbar. Alex’ Lieder sind nicht nur mit viel Witz und Wortspiel geschrieben, sondern oftmals auch reich an gesellschaftskritischen Themen. In „Spiel mit offenen Daten“ heißt es beispielsweise: „Gläserne Bürger, die wir, wie ich glaube, sind, find’ ich klasse, weil das so schön sauber klingt!“ Alex setzt sich mit aktuellen Themen, aber auch mit Alltagssituationen oder menschlichen Charakterzügen auseinander. „Meine Lieder widme ich aber meist nur denen, die es verdient haben“, sagt er und lacht. Selbst würde er sich nicht unbedingt als Comedian bezeichnen, sondern eher als Liedermacher oder auch Musik-Kabarettist. „Ich glaube, ich habe nicht unbedingt den Fokus auf dem Gag, wie meine zwei Kollegen hier. Humor ist bei mir eher das Mittel zum Zweck.“
Einer der zwei Kollegen ist der junge Kabarettist Julian Wittmann, 23. Ein Bayer mit wilden Locken und lässigem Auftreten. Er kommt 15 Minuten zu spät, weil er sich am Abend noch einen alten VW-Bus kaufen möchte und dafür noch Dinge vorbereitet werden mussten. Gestresst wirkt er trotzdem kein bisschen. Eher wie ein bayerischer Hippie mit Gute-Laune-Haltung.
Diese Gelassenheit bewahrt er sich meist auch auf der Bühne. Außer es geht um die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn. Dann kann er sich, wie in seinem „Herbstliad“, schon mal in typisch bayerischer Manier darüber aufregen. Da Julian vor seinem Umzug in die Münchner Innenstadt täglich vom Landkreis Erding in die LMU pendeln musste, hat er in dieser Thematik vermutlich einen hohen Erfahrungswert. Julian bezeichnet seinen Humor übrigens als bayerisch, bierig und geschmeidig. Bei ihm ist es ebendieses bayerische Kabarett-Gesamtpaket, das ziemlich gut funktioniert: eingängige Melodien, eine raue, warme Stimme und die typisch bairische Mundart.
Sein Kabarett-Talent entdeckte Julian, als er für den Abschlussball seiner Realschule Lieder über die Lehrer schrieb und aufführte und danach viel positive Resonanz erhielt. „Ich habe dann gesehen, es macht mir Spaß und es macht den Leuten Spaß, das könnte man ja mal weiterverfolgen“, sagt er. Zunächst hat er dann sein Theaterwissenschaftsstudium an der LMU abgeschlossen und bewirbt sich jetzt dort für den Master. Parallel zum Studium hat Julian viele Auftritte. Und zwar nicht nur auf bekannten Münchner Bühnen, sondern auch im ländlichen Umland. Den Unterschied beim Publikum merke man sofort, sagt Julian: „In München ist das Publikum auf jeden Fall sehr, sehr anspruchsvoll. Die Leute werden hier ja nahezu zugeschissen vor lauter Veranstaltungen. Und wenn du jetzt in irgendeinem Dorf einen Abend spielst, dann kann es schon mal sein, dass du da die einzige Veranstaltung im ganzen Jahr bist. Das merkst du dann auch, da gehen die Leute hin und freuen sich einfach nur.“
Michael Mauder, 24, hat es da als junger Stand-up-Comedian in München nicht unbedingt leicht. Sagt er zumindest selbst: „Für klassischen Stand-up ist München echt schwierig. Da haben es die beiden Kollegen hier schon einfacher, weil es hier vor allem Liederabende und bayerisches Kabarett gibt. Aber wenn du mit Anfang 20 Stand-up über One-Night-Stands und Tinder machst, bist du hier eher falsch.“ Michael, der sich selbst schon mal als „65-jährigen Spießer, gefangen im Körper eines Anfang Zwanzigjährigen“ beschreibt, hat gar keinen so spießigen Lebenslauf. Nach der Schule hat er zunächst zwei Jahre bei der Fernsehserie „Sturm der Liebe“ in der Kameraabteilung gearbeitet. Danach hat er sein Geologiestudium kurz vor dem Bachelorabschluss abgebrochen „Eigentlich hätte ich es schon viel früher abbrechen sollen“, sagt er, „aber als mich ein Prof seine mündliche Prüfung nur dann bestehen lassen wollte, wenn ich ihm verspreche, dass ich später einmal keinen Beruf in diesem Feld einschlagen werde, habe ich beschlossen, es jetzt lieber bleiben zu lassen.“
Nach Abbruch des Studiums beschließt der junge Münchner dann das auszuprobieren, was er schon länger im Hinterkopf hat: Stand-up-Comedy. Auf einer Bühne in Stuttgart hat er seinen ersten Auftritt. Danach will er mehr, doch ein zweites Standbein musste her, als Absicherung. Um so besser, wenn dieses auch noch gut als Inspirationsquelle dient. Als Rezeptionist in einem Münchner Hotel trifft man laut Michael die verschiedensten (oder auch nervigsten) Leute, die er auch gut in sein Comedy-Programm einbauen kann.
Am liebsten erzählt der Comedian auf der Bühne aus dem Alltagsleben eines hoffnungslosen Singles: „Wenn ich mit 1,94 Meter auf eine Frau zutanze, ist das für sie so, als würde sie auf der Autobahn im Rückspiegel einen LKW auf sich zukommen sehen. Da ist es nur vernünftig, mir aus dem Weg zu tanzen“, erzählt er auf der Bühne. Und während man noch über seine authentischen Witze lacht, hat man gleichzeitig auch ein wenig Mitleid mit dem sympathischen jungen Comedian.
So richtig viele Auftritte in München hat Michael aber noch nicht gespielt. Eher ist er in Stuttgart oder auch mal in Ingolstadt unterwegs. „Man bräuchte in München einfach viel mehr Orte, an denen man sich ausprobieren kann. Eine Bühne mit Mikrofon und einem Publikum, das genau weiß, dass du kein Profi bist. In Berlin kannst du das teilweise fünf Mal in zwei Tagen machen“, sagt er.
Alex Döring tut sich da in seinem Bereich leichter: „Ich kann mich in meinem Metier eigentlich gar nicht so sehr beklagen. Ich finde, es gibt in München so viele offene Bühnen, wenn du willst, kannst du jeden Tag auf einer anderen spielen.“ Was bei ihm schwierig sei, wäre nun der nächste logische Schritt: die bezahlten Solo-Auftritte. Julian Wittmann hat diesen Schritt bereits geschafft, beispielsweise mit seinem Auftritt im Schlachthof. Trotz positiver Kritik hat Julian insbesondere vor solchen Auftritten jedoch noch großen Respekt. „Ich zweifle eigentlich vor jedem größeren, abendfüllenden Auftritt“, sagt er. Auch Alex hat manchmal so seine Selbstzweifel: „Wenn ich von der Bühne gehe, und es hat an diesem Abend gefühlt keiner gelacht, was schon auch vorkommt, denke ich mir, dass ich da schon irgendwie selbst dafür verantwortlich bin. Ich glaube, man kann schon jedes Publikum überall erreichen, man muss nur eben seinen Auftritt an die Zuschauer anpassen.“
Michael ist da nicht ganz der selben Meinung: „Na ja, das ist ja jetzt immer die Frage, ob du da Fehler in der Performance gemacht hast, weil das Publikum doof war, oder war das Publikum doof, weil du Fehler gemacht hast?“ Nach einer kurzen Denkpause nicken Alex und Julian zustimmend. Verschiedene Pläne für die Zukunft haben die drei auch schon geschmiedet. Michael wird von Januar 2018 an eine eigene Late-Night-Talkshow in München leiten. Und Alex möchte die Zeit nach dem Master-Stress nutzen, um neue Lieder zu schreiben und ein neues Album aufzunehmen. Und Julian? „Na ja, ich würde morgen gerne aufstehen in der Früh. Und am Abend dann ein Bier trinken“, sagt er und lacht.
Text: Amelie Völker
Foto: Sofie Jokerst