Zeichen der Freundschaft: Sammelstücke

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Barbara und ihre Freundin Simone sammeln. Sie sammeln Geld in Bars, wenn andere sich hemmungslos betrinken. Nicht, weil sie reich werden wollen, sondern es ihnen Spaß macht. Und kein anderer das nachvollziehen kann. Eine neue Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Ich saß gerade auf meinem Bett, als das Telefon gestern klingelte. Simone war dran. Sie habe letztens beim Feiern einen fünf Euroschein gefunden, das wollte sie mir nur mitteilen. Ich war gerührt und freute mich für sie. Außenstehende hätten uns für verrückt erklärt, aber das hängt alles mit unserem gemeinsamen Hobby zusammen: Wir sammeln Geld. Euros, Cents, Scheinchen, alles was wir so kriegen können. Aber wir sammeln nicht im Sinne von sparen, sondern wir sammeln das Geld auf dem Boden. Geld liegt tatsächlich auf der Straße, man muss es nur finden.

Angefangen hat alles vor vier Jahren auf dem Rosenmontagsball in unserer Heimatstadt. Die Sekunden und Minuten gingen nur langsam vorüber. Der Abend war noch jung, doch wir fühlten uns alt. Wir waren von 18-jährigen Erdbeeren, Krankenschwestern und Mexikanern umringt. Die Musik war schlecht und ich hatte Hunger. Simone schaute mich mit ihrem schläfrigen Blick an. Meistens tut sie das, um mir mitzuteilen, dass ihre Kontaktlinsen schmerzen.

Es war einfach an der Zeit, nach Hause zu gehen. Wir wollten gerade unsere leeren Bierflaschen abgeben, als wir merkten, dass der Barkeeper uns gar keine Pfandmarke gegeben hatte. Marken seien überflüssig, klärte er uns auf und gab uns unsere Euros zurück. Ich blickte mich um und sah überall leere Flaschen und Becher am Boden stehen. Ich zählte eins und eins zusammen und sah mich schon in dem blauen Pulli, den ich mir aus Mangel an Geld beim letzten Einkaufsbummel nicht gekauft habe. Ich wollte Simone anstupsen, aber ich merkte, dass sie in einen Tunnelblick verfallen war: Sie starrte auf einen runden Tisch nähe des Ausgangs, der vor Flaschen nur so überquellte. Sie hatte auch so verstanden, ich musste sie nicht aufklären. Plötzlich waren der Hunger und die Müdigkeit verflogen. Die nächsten Stunden verbrachten wir voller Eifer mit Flaschen einsammeln. Wir waren so in unserem Element, wir merkten nicht einmal, dass die anderen uns schon anstarrten. Im Nachhinein war das vielleicht auch gut so, schockierte Blicke hätten uns nur gehemmt, wir wären nicht mehr so zielstrebig gewesen. Am Ende des Abends hatten wir insgesamt 100 Euro verdient.

Von da an entwickelte sich eine Art Eigendynamik. Bei Flaschen alleine blieb es nicht, wir schauten auch direkt nach Bargeld. Wenn wir gemeinsam Bars oder Diskos aufsuchten, schnellten unsere Blicke auf den Boden – unter Barhockern und Tischen. Wir gingen niemals leer aus und freuten uns darüber wie Kleinkinder. Natürlich versuchten unsere Freunde mit uns zu reden, erklärten uns, wir seien verrückt, würden das Wesentliche an den Partys verpassen. Wir schränkten uns etwas ein, wir sahen ein, dass wir es etwas übertrieben hatten. Aber wir hatten wirklich viel Spaß zusammen. Das konnten die anderen nicht verstehen, sie waren eben nicht wie wir. Als Freundinnen kamen wir uns durch diese skurile Beschäftigung noch näher. Manchmal sogar so nah, dass wir mit unseren Köpfen am Boden zusammenstießen. Mittlerweile sehen wir uns aber nicht mehr so oft, der Alltag kommt uns immer wieder dazwischen. Aber immer wenn ich irgendwo einen Cent oder einen Euro aufhebe, denke ich liebevoll an meine Simone. Und sie an mich. 

Von: Barbara Forster

Foto: Yunus Hutterer