Gestaltenwandlerin


Antonia Neumayer, 20, hat ihren ersten Fantasy-Roman geschrieben und bei einem großen Verlag veröffentlicht. Das Thema: Gestaltenwandler in der schottischen Mythologie.

Antonia Neumayer, 20, blickt ernst in die Kamera. Ihre langen Haare sind unter einer kurzen, blonden Perücke verschwunden. Sie sitzt, in einem schwarzen Umhang gehüllt, auf einem Berghang. Sie stellt Draco Malfoy dar. Mit ihrer porzellanfarbenen Haut und ihren markanten Gesichtszügen sieht sie dem Antihelden aus J. K. Rowlings „Harry Potter“ verblüffend ähnlich. Antonia Neumayer liebt die Welt der Bücher. So sehr, dass sie sich hin und wieder auf Cosplay-Veranstaltungen herumtreibt. Dort trifft man sich mit Leuten, die sich als Buchfiguren verkleiden und gegenseitig fotografieren.

Das ist nur eines von Antonias Hobbys, die etwas mit Büchern und Fantasy zu tun haben. Neben dem Verkleiden versucht sich die 20-Jährige auch als ernstzunehmende Autorin: Im April hat sie beim Heyne Verlag ihren ersten Fantasy-Roman veröffentlicht. „Selkie“ heißt ihr Debüt, das sich mit der schottischen Mythologie beschäftigt. Es geht um die junge Protagonistin Kate, die sich in ein Seeabenteuer stürzt und dabei einem großen Familiengeheimnis auf die Spur kommt.

Einen konkreten Handlungsort oder fixe Figuren hatte die damals 17-Jährige noch nicht im Kopf. Sie wusste lediglich, dass sie über Gestaltenwandler schreiben wollte. Bei ihrer Recherche im Internet stieß sie auf die Selkies, die vorwiegend in den schottischen Sagen verbreitet sind: Robben, die ihr Fell ablegen können und dadurch menschliche Gestalt annehmen. So kam eines zum anderen. Nach drei Kapiteln lernte Antonia über eine Bekannte ihrer Oma ihre Lektorin kennen. Diese war von dem Manuskript begeistert und versprach, sie bei der Fertigstellung des Buches zu unterstützen. Dass sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Germanistik studiert, ist bei einem solchen Vorhaben natürlich auch hilfreich. Es gab aber auch Zeiten, in denen es mit dem Schreiben nicht so klappen wollte: „Ich denke, jeder, der schreibt, kennt Phasen, in denen man keinen ordentlichen Satz aufs Papier bringt. Manchmal half es mir, zu zeichnen oder eine kleine Pause zu machen“, sagt Antonia. Zweifel, ob sie gut genug schreiben kann, plagen Antonia eigentlich ständig. Aber sie versucht, das Positive darin zu sehen, auch überarbeitete sie ihre Texte mehrmals.

Doch was genau fasziniert die 20-Jährige so an Büchern und Geschichten? „Ich liebe es, für kurze Zeit in andere Welten und Leben einzutauchen“, sagt Antonia. Bereits als Elfjährige hat sie ihre ersten Kurzgeschichten verfasst, die sie zunächst nur ihre Mutter lesen ließ. Erst später schrieb sie Fanfictions, die sie ihren Freunden gezeigt oder im Internet veröffentlicht hat. Durch das Schreiben habe sie einen Weg gefunden, ihre Ideen und Geschichten mit anderen Menschen zu teilen. Auch einige von Antonias Kommilitonen haben ihr Buch bereits gelesen. Die Reaktionen seien alle „sehr positiv und interessiert“. Ihre Familie, mit der sie in Starnberg lebt, war ihr beim Schreiben eine große Stütze. Besonders zu ihrer Schwester Francesca hat Antonia eine innige Beziehung. Dass spiegle sich auch in ihrem Buch wider: Im Vordergrund steht die Beziehung zwischen den Geschwistern Kate und Gabriel, die alles füreinander tun würden. Die Protagonistin Kate ist ihrer kleinen Schwester nachempfunden: „Wenn Kate beschließt, sie macht etwas, dann tut sie es auch. So ist meine Schwester auch und dafür bewundere ich sie sehr“, gibt Antonia zu.

Wenn sie einmal nicht am Schreiben oder Studieren ist, nimmt sie an Springturnieren teil oder zeichnet. Manchmal steht sie auch als Komparsin vor der Kamera: Für den Film „Mein Blind Date mit dem Leben“ durfte sie bei einer Hochzeitsgesellschaft dabei sein. Doch wenn es um Schauspielerei geht, bleibt Antonia gerne hinter den Kulissen und versucht sich von Juli an als Co-Autorin bei der freien Bühne München. „Die machen inklusives Theater und arbeiten viel mit Menschen mit Down-Syndrom“, sagt Antonia.

„Mein Traum wäre es, vom Schreiben leben zu können. Alternativ könnte ich mich auch als Lektorin in einem Verlag sehen“, sagt sie. Die junge Studentin muss sich aber noch nicht sofort entscheiden. Sie befindet sich aktuell im vierten Semester und hat noch Zeit, über ihre Zukunftspläne nachzudenken.

Text: Barbara Forster

Foto: Francesca Neumayer