Alessandra Schellnegger
Paula Lucia Rail, 25, und Mohammed Hosseini, 28. Sie haben zusammen den Roman *Amanil* herausgebracht. Die Idee zum Buch hatte Mohammed, die er gemeinsam mit Paula weiter entwickelt hat. Thematisch geht es um die Freundschaft von zwei Kindern, die quasi heimatslos sind. Wo das Buch spielt, ist den Leser selbst überlassen. Mohammed kam 2012 nach Deutschland. Foto:Alessandra Schellnegger

Kinder denken nicht in Nationalitäten

Paula Lucia Rail, 25, und Mohammed Hosseini, 26, haben einen Roman über die Freundschaft zwischen zwei Jungen geschrieben. Kennengelernet haben sie sich bei einem Persisch-Kurs der LMU – heute sind sie ein Paar.

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Neues Leben


Adnan Albash, 24, lebt seit mittlerweile zweieinhalb Jahren in Deutschland. Weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es sein kann, sich in einem fremden Land zu integrieren, arbeitet er als Kulturdolmetscher.

Die Tierwelt macht es vor: Zugvögel fliegen jährlich gen Süden und finden sich in ihrer neuen Umgebung problemlos zurecht. Niemand fragt sie, woher sie kommen oder wie lange sie bleiben wollen. Integration leicht gemacht.

Vor seiner Flucht aus Syrien war Adnan Albash, 24, überzeugt davon, dass Integration unter Menschen viel leichter sein müsse, als unter Tieren – immerhin ist kein anderes Lebewesen so intelligent wie der Mensch. Heute weiß er, dass der menschliche Verstand die Sache häufig sogar erschwert. Somit sei Integration unter Menschen zwar möglich, nehme aber viel Zeit in Anspruch, sagt Adnan. „Integration ist wie Brot backen – es braucht Zeit“, sagt der junge Mann mit dem rundlichen Gesicht. An diesem warmen Sommertag trägt er ein weißes Leinenhemd und eine schwarze Jeans.

Adnan weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig der Weg nach Deutschland sein kann. Er selbst war fünf Monate mit seinem vier Jahre älteren Bruder auf der Flucht. Fast wären die beiden bei der Überfahrt im Meer ertrunken, in Mazedonien sperrte man sie vorübergehend ins Gefängnis. Wer mit jungen Jahren schon so viel erlebt hat, dem fällt es nicht immer leicht, sich in einer neuen Gesellschaft, einem fremden Land zurechtzufinden – zumindest nicht ganz ohne Starthilfe.

Weil vor allem die Sprachbarriere anfangs ein großes Problem darstellt, hat Adnan sich von der Caritas zum Kulturdolmetscher ausbilden lassen. Er kann mittlerweile sowohl Arabisch als auch Deutsch sprechen und so dabei helfen, sprachliche Barrieren zu überwinden. Adnan unterstützt hierbei auch die studentische Initiative „Ahlan wa Sahlan – Studenten helfen Flüchtlingen“ der Ludwig-Maximilians-Universität. Zu seinen Aufgaben gehört es, Flüchtlinge bei Behördengängen und Arztterminen zu begleiten, vor allem aber die interkulturelle Vermittlung. Aktuell betreut er die syrischen Brüder Faris und Nabil (Namen geändert), 18 und 20 Jahre alt, die ihre Eltern im Krieg verloren haben. Adnan hilft ihnen, sich einzuleben, und beantwortet all ihre Fragen: Wie komme ich mit dem Bus in die Stadt? Wo kann ich Fleisch kaufen, das halal ist? Zu welchem Arzt muss ich gehen, wenn ich Zahnschmerzen habe? Wie finde ich einen Ausbildungsplatz? Fragen über Fragen.

Für Adnan ist es ganz selbstverständlich zu helfen. „Wenn ich das nicht mache, wer soll das sonst machen“, sagt er. Trotzdem weiß Adnan, dass er nie für alle Syrer sprechen, sondern immer nur seine Sicht der Dinge erzählen kann. Das müsse aber auch umgekehrt gelten. „Wenn ich einen Fehler mache, dann hat Adnan den Fehler gemacht und nicht alle Syrer“, sagt er bestimmt und runzelt dabei kurz die Stirn. Wenn er auf Deutsch spricht, hört man seinen Akzent, aber Fehler macht er kaum noch.

Als er Ende Januar 2015 nach Deutschland kommt, kann er gerade einmal zwei Sätze auf Deutsch sagen: „Ich komme aus Syrien.“ Und: „ Ich bin neu hier.“ Fürs Erste bleibt es jedoch dabei, denn kaum in München angekommen, werden er und sein Bruder nach Deggendorf gebracht. Dort leben sie in einem Haus voller Flüchtlinge ohne Kontakt zur Außenwelt. Niemand, der sich Zeit nimmt, mit ihnen über das Erlebte zu sprechen oder ihnen etwas über Deutschland und die Deutschen zu erzählen. An Integration ist nicht zu denken.

Als er im Mai desselben Jahres zurück nach München kommt und kurz darauf seinen Asylbescheid erhält, beginnt für ihn endlich ein neues Leben. Sein Leben in Deutschland. Adnan macht einen Intensiv-Sprachkurs, findet ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft und sogar einen Arbeitsplatz als Laborassistent. Das Wichtigste aber ist für ihn der soziale Kontakt. „Es gibt Dinge, die kann man nicht im Sprachkurs lernen, sondern nur im Austausch mit anderen Menschen“, sagt Adnan. Denn Dinge, die in der Heimat üblich sind, sind es hier nicht unbedingt. Das bedeute nicht, dass das Eine richtig oder falsch sei, sagt er, aber trotzdem sei es wichtig, die andere Kultur verstehen zu lernen. „Korruption ist in Syrien normal, in Deutschland nicht“, sagt er und lacht bei diesem Beispiel. Er hat gelernt, die Dinge mit Humor zu nehmen.

In Damaskus hat Adnan bereits zwei Jahre Medizin studiert, als er fliehen muss. Er hat gute Noten, ist ein fleißiger Student. Trotzdem müssen einige der Flüchtlingshelfer erst lernen, Neuankömmlinge wie ihn nicht wie ein Kind zu behandeln. Nur so sei ein Kontakt auf Augenhöhe möglich. „Nur weil jemand kein Deutsch spricht, heißt das nicht, dass er dumm ist“, sagt Adnan. Das versucht er auch bei seinen Vorträgen immer wieder deutlich zu machen. Kürzlich wurde er von einer Münchner Stiftung eingeladen, um im Dialogforum über das Thema Flüchtlingshilfe zu sprechen. An der Münchner Volkshochschule hat er an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Der neue Anfang in Deutschland – Flüchtlinge erzählen“ teilgenommen. Und auch in der Dokumentation über Integration „Mit dem falschen Fuß aufgestanden“ kommt Adnan zu Wort. Durch die Vorträge, die er über seine Heimat und seine Kultur hält, möchte er den Menschen klar machen, dass die Unterscheidung zwischen „wir“ und „ihr“ nicht sein muss. „Wir können viel voneinander lernen“, sagt Adnan. Und er meint, was er sagt: Einmal haben er und seine syrischen Arbeitskollegen im Labor deshalb für die anderen Mitarbeiter ein Essen zubereitet, um ihnen die Küche ihrer Heimat näher zu bringen. Lernen mit allen Sinnen.

Adnan selbst fühlt sich nach mehr als zwei Jahren in Deutschland angekommen. Für ihn bedeutet das, sich sicher zu fühlen in dem Land, von dem ihm schon sein Großvater, der lange vor dem Krieg in Deutschland Medizin studiert hat, so viel erzählt hat. Aber er weiß auch, dass er Glück gehabt hat. Er ist gemeinsam mit einem seiner Brüder gekommen, auch sein 17-jähriger Bruder ist mittlerweile in Deutschland und hat nun die Möglichkeit, die Mutter, die alleine zurückgeblieben ist, nachzuholen. Adnan hat viele Freunde, seine Arbeit als Laborassistent und als Kulturdolmetscher, seit kurzem sogar eine feste Freundin, mit der er zusammenziehen möchte, und vom kommenden Wintersemester an – wenn alles nach Plan läuft – sogar einen Studienplatz für Medizin an der LMU.

Adnan ist das, was manche Menschen wohl einen Vorzeige-Flüchtling nennen würden. Es sind dieselben Menschen, die nicht verstehen, was denn so schwer daran sein soll, sich zu integrieren.

Adnan mag vergleichsweise Glück gehabt haben – aber was heißt schon Glück, wenn man vor dem Krieg flieht? Viele andere haben weitaus mehr Schwierigkeiten als Adnan. Ein befreundeter Syrer sei mit seinem vierjährigen Sohn nach Deutschland gekommen, der schwer krank ist, sagt Adnan. Statt seinen Deutschkurs zu besuchen, hetzt er von Krankenhaus zu Krankenhaus. Wie solle so jemand in Deutschland ankommen können? „Sie sind immer noch auf der Flucht“, sagt Adnan ernst. Erst, wenn sich jemand sicher fühle, könne er sich integrieren. Das braucht Zeit.

Text: Jacqueline Lang

Foto: Robet Haas

Lernen, mit weniger zufrieden zu sein

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Schneehose statt Bikini: Andrea Lerchl und Clara Kaufhold gehen auf eine Hundeschlittenfarm nach Lappland. Ein Gespräch vor einer spannenden Reise.

Es gibt den Schnee, die Hunde, die Natur. Und dann irgendwann kommen die Menschen. Einsam ist es dort, wo Andrea Lerchl, 22, und Clara Kaufhold, 26, das kommende halbe Jahr verbringen: Die jungen Frauen fahren nach Äkäskero in Nordfinnland, um auf einer Hundeschlittenfarm zu arbeiten, gegen Kost und Logis. „Mit Sonnenaufgang fangen die Hunde an zu heulen“, sagt Andrea, genannt Annie. Dann heißt es aufstehen, anziehen, arbeiten. Die 500 Huskys füttern. Sie in die Schlitten spannen. Schnee schippen. Flächen enteisen.

München im Frühling. An der Isar wird gegrillt, Kinder schlabbern zufrieden das erste Eis des Jahres. Letzte Vorbereitungen bei Annie und Clara, bevor es losgeht. Sachen packen, Zimmer untervermieten, sich irgendwie vorbereiten auf das, was kommt. In Äkäslompolo, der nächstgelegenen Ortschaft, wohnen gerade einmal vierhundert Menschen. Der nächste Supermarkt ist nur mit dem Auto zu erreichen. Und im April ist es dort noch empfindlich kalt. Nachts wird es bis zu minus 11 Grad. Bis alles komplett abgetaut ist, dauert es.

Warum machen Menschen so etwas? In die Kälte fahren, wenn daheim der Sommer anbricht, die Leute ihre Flipflops rausholen? Clara überlegt kurz, sagt dann: „Ich war mal in Dänemark und dachte: Was ein kaltes, trübes Land.“ Nicht die beste Einstellung, um sechs Monate nach Lappland zu gehen. Aber: Die Natur fehle ihr, die Tiere, das Grün. Clara hat Veterinärmedizin studiert, Schwerpunkt Pathologie, promoviert nun, „hockt den ganzen Tag auf dem Hintern“, wie sie es ausdrückt. „Ich hoffe, ich finde dort die Zeit und die Ruhe, in mich zu gehen und mich auch mal von der ganzen Technik zu distanzieren. Facebook, Twitter … Ich bin das Internet so leid.“ Annie nickt zustimmend. Es gehe ihnen auch um Verzicht. Verzicht auf Konsum, auf Medien. „Ich würde gern lernen, mit weniger glücklich zu sein“, sagt Clara.

Das klingt nach Weltflucht. Zu sich finden, in Schneehose und Bergschuhen. Hundeschlitten fahren und Eisfischen, im Sommer dann Beeren sammeln, die Mittsommernacht genießen. Erlebnisurlaube wie diese haben Konjunktur. Die Farm, auf der die beiden arbeiten werden, bietet genau das an. Wer als Gast kommt, zahlt mindestens 1700 Euro für eine Woche Abenteuer. Viel Geld für ein paar Tage in Abgeschiedenheit. Doch Annie und Clara machen keinen Urlaub. „Morgens Hunde kuscheln, abends in die Sauna und dazwischen noch ein selbstgebrannter Schnaps? So wird das nicht, das weiß ich. Man muss arbeiten. Bei jedem Wetter.“ Theaterwissenschaftsstudentin Annie war schon einmal auf einer solchen Farm. Da hatte sie gerade ihr Soziologie-Studium geschmissen, brauchte einen Ort zum Runterkommen, um herauszufinden: Was will ich eigentlich? Finnland, sagt sie, sei schon immer ein Kindheitstraum gewesen. Sie ist Metal-Fan, Länder wie Finnland, Schweden oder Norwegen gelten als Zentren der Szene. Also ist sie 2013 ein erstes Mal in das Land gefahren, das sie so sehr faszinierte.

Doch damals war Annie nur sechs Wochen da, wohnte auf einer Ranch ein Stück weiter südlich. Und: Sie war allein. Da war keine Freundin, mit der es sich zu arrangieren galt. Anfangs, gibt Annie zu, habe sie gezweifelt, ob es wirklich die beste Idee sei, zu zweit zu fahren. Ein Gap Year in Lappland ist etwas anderes als Backpacking in Australien. Die Natur fordert, man muss sich nach ihr richten.

So weit im Norden erwartet man die Dunkelheit. Und findet sie doch nicht. Der Schnee reflektiert permanent das Licht, auch nachts. Tagsüber kann es so grell sein, dass man eine Sonnenbrille braucht. Später, wenn der Mittsommer kommt, geht die Sonne kaum noch unter, der Schlafrhythmus wird irritiert. Hinzu kommt die Stille: keine Autos, keine Menschen. Es ist so ruhig, man hört jeden Schritt im torfigen Schnee, den eigenen Herzschlag. Annie erinnert sich an ihre erste Tour und sagt: „Das war emotional richtig belastend.“

Um diese Eindrücke zu verarbeiten, braucht man Raum. „Ich halte uns für erwachsen genug, dass wir auch mal einen Streit aushalten, ohne dass eine von uns gleich heulend nach Hause fährt“, sagt Clara. Vor der Reise haben sie oft darüber gesprochen: Wie gehen wir mit Streit um? Wie finden wir eine Basis fürs Zusammenleben? Nicht zu viel erwarten – von einander, wie von der Reise, das haben sie sich vorgenommen.

Aber geht das überhaupt? Gerade für Clara ist diese Auszeit mit einigen Entbehrungen verbunden. Sie lässt ihren Freund zurück, ihre Haustiere, hat ihren Job gekündigt, ihre Promotion ruht. Um sich für die Zeit selbst versichern zu können, hat sie zudem viel sparen müssen. „Natürlich bin ich nervös“, sagt Clara. Sie hat sich auf verschiedene Stipendien beworben, um die Promotion später fortsetzen zu können, wird auch – während sie in Finnland ist – Bewerbungen schreiben, für die Zeit danach. Ängstlich wirkt sie dennoch nicht. Am Ostermontag ist es losgegangen, Roadtrip mit Claras Auto, durch Osteuropa hoch nach Finnland. „Ich freue mich so, wieder Tiere in meinem Leben zu haben“, sagt Annie. Da lächeln beide. 

Auf ihrem Blog “two wild things” kann man sehen, wie es den beiden auf ihrer Reise so geht.


Text: Carolina Heberling

Foto: Robert Haas

Von Mensch zu Mensch

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Die drei  jungen Münchner

Filmemacher

Kai Sitter, 28, Veronika Schwarzmaier, 26, und Seren Sahin, 27,  wollen in diesem Jahr den Kurzspielfilm “Gestrandet” drehen und darin die persönliche Geschichten von Flüchtlingen erzählen. Eine der Hauptrollen spielt eine geflüchtete Syrerin. 

Ein kleiner Blickkontakt kann alles verändern. Zwei einander fremde, junge Frauen – nur ganz kurz sehen sie sich in die Augen, dann gehen sie wieder auseinander. Was alltäglich klingt, wird durch die Situation, in der sie sich begegnen, brisant. Die Szene: Tumult vor einer Flüchtlingsunterkunft in München. Lautes Geschrei, Beleidigungen, Gedränge, Sirenen ertönen – die Stimmung ist aufgeheizt, die Lage unübersichtlich. Mitten drin: zwei junge Frauen. Die eine blickt eingeschüchtert aus dem Wohnheim auf das, was dort passiert. Die andere ist Polizistin und steht vor dem Haus. Die Szene trennt und verbindet die beiden Frauen gleichzeitig. Nur einen kurzen Augenblick treffen sich ihre Blicke. Genau dieser Moment wird die beiden Frauen, die aus so unterschiedlichen Lebenswelten kommen, nicht mehr loslassen.

Dieser Blickkontakt ist die Schlüsselszene des Kurzspielfilms „Gestrandet“, den drei junge Münchner noch dieses Jahr drehen wollen. Dass die Flüchtlingssituation gerade in München als Thema für einen Film dient, ist an sich nicht außergewöhnlich. Was dieses Projekt speziell macht, sind seine Schauspieler. Während die Polizistin von Regina Speiseder gespielt wird, die nach ihrer Schauspielausbildung bereits in Formaten wie „Rosenheim-Cops“ mitgewirkt hat, wird die Rolle der Geflohenen mit Lelas Alsayed besetzt. Eine Frau, die vor knapp vier Jahren selbst aus ihrer Heimatstadt Homs in Syrien fliehen musste und keine professionelle Schauspielausbildung hinter sich hat. 

Doch wie kam es zu diesem Konzept? Die drei Verantwortlichen des Films sitzen in einem Münchner Café. Auf dem Tisch stehen ein Cappuccino für Regisseur Kai Sitter, 28, ein Glas Tee für Drehbuchautorin Veronika Schwarzmaier, 26, und ein Spezi für Schauspieler Seren Sahin, 27. „Viele stürzen sich auf das Thema. Wir haben lange gebraucht, um den richtigen Zugang zu finden“, erzählt Kai. Beeindruckt von den Entwicklungen im vergangenen Jahr begann er, sich zusammen mit seinem langjährigen Freund Seren Sahin ehrenamtlich in Flüchtlingsunterkünften zu engagieren. Aus den Erlebnissen entwickelte sich der Drang, auch von diesen zu erzählen. Durch ihre eigenen persönlichen Kontakte entstand am Ende die Idee, dass mit einem Mix aus professionellen Schauspielern und Geflohenen, also Laiendarstellern, ein Film entstehen soll. „Als Schauspieler könnte man es spielen, aber nicht so gut. Man muss das erlebt haben“, erklärt Seren, der für das Casting des Films verantwortlich ist und auch selbst eine Rolle übernehmen wird. Auch Veronika, die Drehbuchautorin, machte ihre persönlichen Erfahrungen mit Geflüchteten und fand es „logisch“, mit Laiendarstellern zu drehen.
 

In der aktuellen Flüchtlingssituation sieht das Filmteam das Problem, dass oft nur nach allgemeinen, perfekten Lösungen gesucht werde. Das gehe aber am Leben und an der Realität vorbei. Die Situation müsse im Alltag angenommen werden, woraus sich dann persönliche Begegnungen ergäben, ohne die man in der Praxis nicht weiterkomme. „Beide Seiten müssen aufeinander zugehen“, sagt Veronika. Deshalb stellt sie in ihrem Drehbuch die Begegnung der beiden Frauen in den Mittelpunkt – auch, wie dieser Kontakt die beiden weiter beschäftigt.
 

Seit knapp einem Jahr arbeiten sich die drei Münchner nun in das Thema ein, haben Kontakte geknüpft und Schauspieler gesucht. Über eine persönliche Empfehlung fanden sie schließlich Lelas Alsayed für die Hauptrolle der geflüchteten Frau. Die studierte Psychologin floh aus Syrien zunächst nach Ägypten. Dort gründete sie unter anderem ein Sozialzentrum für Flüchtlinge, bevor sie vor knapp zwei Jahren nach Deutschland kam. Das Filmteam war von Anfang an überzeugt von Lelas Alsayed: „Sie weiß genau, was wir wollen, welche Intention wir haben und war auch sehr offen“, sagt Kai.

In „Gestrandet“ soll es nicht darum gehen, persönliche Geschichten von der Flucht zu erzählen, sondern darum anzukommen, in der Gegenwart zu sein. „Es entstehen so viele Barrieren, nur weil man sich nicht kennt“, sagt Kai, „aber man muss auch die Bereitschaft haben, selbst Menschen kennenlernen zu wollen.“ Er spricht von „Politikerschlagworten“ wie „Welle“ oder „Strom“, die Anonymität erzeugten. Diesen Begriffen soll im Film der persönliche Kontakt entgegenstellt werden. „Auch die Polizistin ist in dem Sinne gestrandet“, sagt Veronika, „die Fremdheit ist da, man muss sich aber dazu entscheiden, sie zu überwinden.“ Vor ihr steht dabei ein volles, mittlerweile kaltgewordenes Glas Tee. Die drei Beteiligten haben sich so in Rage geredet, dass die Drehbuchautorin schlicht vergessen hat zu trinken.
  

Ende August will das junge Team den Film drehen. Die Zeit drängt, sagt Kai. Bei vielen Akteuren wisse man nicht, wie lange sie an ihrem jetzigen Aufenthaltsort bleiben könnten.  

Von: Richard Strobl

Foto: Privat