Abdrücken

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Bombenalarme, Anschläge, Schüsse: Für ein Praktikum verbrachte Fotostudent Fabian Sommer, 23, fünf Monate in Israel. Mit seinem Handy machte er Momentaufnahmen: „Das ist meine Art, das Ganze zu verarbeiten.“ 

in bisschen sieht es aus, als würden sie das Feuer anbeten. Ein brennender Reifen, viel schwarzer Qualm und zwei Menschen kauern davor auf der mit Schutt übersäten Straße. Soldaten mit Helmen kommen auf den Betrachter zu. Ein dritter Mann richtet sich gerade auf, eine Kamera in der Hand. Und blickt direkt in die Kamera. Oder besser: ins Handy von Fabian Sommer, 23, der diesen Augenblick mit seinem alten, zerkratzten Samsung 100 festgehalten hat.
 Der Reifen brannte vor etwa sieben Monaten in den Straßen Tel Avivs, wo Fabian zu dieser Zeit ein fünfmonatiges Praktikum als Kamera-Assistent in der Auslandskorrespondenz der ARD absolvierte. Eine halbe Stunde habe eine ganze Schar Fernsehteams sich um diesen brennenden Reifen versammelt, um ihre Aufnahmen zu machen. „Eigentlich war da nichts, außer dem Reifen. Aber Feuer kommt immer gut in den Nachrichten“, sagt er heute, im Schatten Münchner Bäume, gleich neben dem Friedensengel.

Fabian studiert Fotodesign an der Hochschule München. An sich sind Handyfotos für ihn, wie für jeden ausgebildeten Fotografen, ein Graus. „Ist ja klar, wenn ich als Fotograf mit einer höllisch teuren Kamera plus Equipment rumbastle und dann kommt jemand mit seinem iPhone 6 und macht ein Foto, das eigentlich genauso aussieht“, sagt er und lacht ein bisschen. Aber während seiner Arbeit als Kameraassistent konnte und wollte er sich nicht mit einem richtigen Fotoapparat ablenken. Also begann er, einfach sein Handy zu zücken, wenn er ein passendes Motiv entdeckte. Auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Nachhauseweg, beim Warten, auf der Fahrt zu einem Aufnahmeort oder auch während des Drehs. Am Anfang machte er diese Fotos nur für sich. Mit der Zeit wurde ihm aber klar, dass er gerne ein Projekt daraus entwickeln würde, da jede der Aufnahmen etwas ganz Besonderes für ihn ist. „Das ist meine Art, mit den Dingen umzugehen und das Ganze zu verarbeiten.“

Irgendwann gewöhnt
man sich daran.
Irgendwann macht man dicht 

Das ist das erste Mal, dass er zugibt, dass es da etwas zu verarbeiten gibt. Zuvor hatte er den Kopf geschüttelt auf die Frage, ob er denn nicht Angst gehabt habe. Angst, wenn er nachts immer wieder erst realisieren musste, dass der Lärm, der ihn aufgeweckt hatte, nicht von Feuerwerkskörpern stammte, sondern von Schüssen. Angst nicht, sagt er, da sei einfach zu viel Adrenalin mit im Spiel. Und dann, irgendwann, gewöhne man sich daran. Irgendwann mache man dicht. Er fährt mit der flachen Hand an seinem Gesicht vorbei. 

 Überraschend und bewundernswert habe er es gefunden, wie offen, wie lebensfroh und freundlich die Menschen in Tel Aviv sind, trotz allem. Trotz der Unruhen, trotz der Bombenalarme, trotz der Gewalt. Es ist quasi unmöglich, mit Fabian über seinen Aufenthalt in Israel zu sprechen, ohne bei der Politik zu landen. Klar, verändert hat sich seine Einschätzung der Lage schon, „viel zu kompliziert“ sei diese, als dass man sie als Außenstehender, als Deutscher noch verstehen könnte.

Genossen hat er die fünf Monate trotzdem. Am liebsten wäre er noch länger geblieben, aber sein Visum lief aus. „Israel ist eigentlich das perfekte Touristen-Land“, sagt Fabian. „Da gibt es einfach alles.“ Innerhalb von drei Stunden könne man von den verschneiten Bergen in die sengende Hitze der Wüste gelangen, oder eben ans Meer. Vor allem, wenn er über Tel Aviv spricht, spürt man seine Begeisterung für das kleine Land. „Es heißt immer, Tel Aviv ist in einer Blase“, sagt er. Obwohl die Stadt in einem Land des Mittleren Ostens liegt, sei sie sehr europäisch. „Eigentlich wie Berlin, nur kleiner.“ Unglaublich viele Kulturen treffen dort aufeinander, weil Juden aus der ganzen Welt Israels Aufruf gefolgt sind, in ihr gelobtes Land zu ziehen.
 „Die Leute feiern das Leben da so richtig“, sagt er. Und das trotz der Tatsache, dass viele Menschen, vor allen Dingen junge Leute, daran gewöhnt sind, nie Geld zu haben. Die Lebenshaltungskosten seien noch viel höher als in München. Verdienen würden die Menschen trotzdem nicht mehr, erzählt Fabian. Vielleicht liege die Lebensfreude eben an dieser Weltoffenheit oder auch an der Geschichte eines Volkes, das immer „die Koffer gepackt im Flur stehen haben musste“. Das habe seine israelische Mitbewohnerin einmal gesagt.

Fabian kann nicht sagen, wie viele Fotos er mit seinem zerkratzten Handy gemacht hat, von Hochhäusern am Meer, von Graffiti auf alten VW-Bussen, von Absperrband, von Simon Perez in seinem Arbeitszimmer und Friedhöfen mit tausenden von Marmorplatten. Lila Wolken über ockerfarbenen Steinwüsten. Ein Lieblingsfoto hat er nicht. All diese Momente sind wertvoll. Aber er hat sich für eine Auswahl von 48 Bildern entschieden und sie in einem Buch zusammengefasst. Eine Projektarbeit im Seminar „Bildjournalismus“ ist es am Ende geworden. Drei Exemplare gibt es. Dickes, graues Papier, ein bisschen Text als Erläuterung zu den Bildern, handgebunden. Klar, es wäre schon schön, das irgendwie herauszugeben, aber da ist Fabian realistisch. Der Markt für solche Fotobücher, noch dazu, wenn sie keine echte „Geschichte erzählen“, sei nicht besonders groß.

Weitere Informationen unter http://fabiansommerfotografie.tumblr.com/

Theresa Parstorfer

Foto: Fabian Sommer, Detlev Sommer

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