Bilder, die die Medien an uns herantragen, können abschrecken, können Unbehagen verbreiten, Angst machen. Aber sie können auch zum Nachdenken anregen. Die jungen Studenten, die hinter dem Verein Equalhats stehen, sind noch einen Schritt weitergegangen. Pauline Kargruber, Joschka Reik und Julian Reik haben ihre Betroffenheit in aktives Engagement umgewandelt.
„Mache einen fremden Namen zu deinem“, ist auf ihrer Webseite equalhats.com zu lesen. Unter diesem Motto vertreiben sie Mützen für einen guten Zweck. Das klingt zunächst simpel. Hinter der Idee stehen jedoch klare Vorstellungen.
An dem Abend des 2. Septembers 2015, an dem das Bild des kleinen leblosen Jungen, der an der türkischen Küste angespült wurde, durch die Medien ging, saßen Joschka und Pauline mit Freunden zusammen. „Eigentlich wollten wir gemeinsam ausgehen, doch nach der Meldung wollte einfach keine ausgelassene Stimmung mehr aufkommen“, sagt Joschka. Er ist 20 Jahre alt, studiert Jura und hat gemeinsam mit seinem Bruder Julian, 24, bereits einige Geschäftsideen erfolgreich umgesetzt. Er hat klare Vorstellungen. Wenn er redet, hat das Struktur. Noch an dem Abend in der Wohngemeinschaft ist die Idee zur Mütze entstanden. „Obwohl das Thema kein neues war, hat es da irgendwie Klick gemacht“, sagt Pauline. Sie ist mit 19 die Jüngste in der Gruppe. Die blonden Haare hat sie zu einem Knoten gebunden, sie trägt eine runde Brille. Die Fragen waren: Wie kann man effektiv helfen? Wo besteht tatsächlich Bedarf? Aber vor allem auch: Wie kann man anderen jungen Menschen, die sich ähnliche Fragen stellen, das Engagement erleichtern?
Das Geld, das der Verkauf der Mützen einbringt, wird gespendet
Auf jede Mütze ist ein Name eines geflüchteten Menschen gestickt, der bereits in Deutschland angekommen ist, auf der Rückseite der Schriftzug „refugees welcome“. Welcher Name auf der einzelnen Mütze steht, ist nicht wichtig, man erfährt es auch nicht vorher. Durch das Tragen eines „Equalhats“ kann man ein Zeichen setzten. Die Mütze wird zum Symbol. Joschka nickt. „Was uns aber auch wichtig war, ist, dass der Austausch über das Thema angeregt wird“, sagt er. Wer eine Mütze trägt, auf der ein fremder Name eingestickt ist, der wird darauf angesprochen, der erklärt seine Bewegründe. Was entsteht, ist ein Gespräch. Ein Gespräch, das sonst im Alltag vielleicht keinen Platz gefunden hätte.
Julian, der gerade seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hat, hört seinem Bruder aufmerksam zu. Joschka hat durch sein Jurastudium rechtliches Know-How, das beim Notar-Besuch und der Gründung des Vereins geholfen hat. Julian kann sich um die unternehmerischen Aspekte im Verein kümmern. „Wir haben uns alle gut ergänzt“, sagt er. So kann soziales Unternehmertum schon während des Studiums gelingen. Jeder hat sein Können, sein Wissen in die Umsetzung des Projektes gesteckt. Pauline studiert Englisch und Arabisch. Sie hat den Versand der Mützen übernommen. „Irgendwann war mein ganzes Zimmer nur noch voller Kartons“, sagt sie und lacht. Sie ist unbeschwert, wenn sie über das Projekt redet. Selbst wenn sie von dem Produzenten erzählt, mit dem sie zunächst zusammengearbeitet haben und bei dem alles schief gelaufen ist, lacht sie. Pauline steht weniger für die Struktur, dafür mehr für die Ideen und das intensive Engagement hinter dem Projekt.
„Dadurch, dass wir alle etwas Unterschiedliches studieren, und jeder von uns eine andere Herangehensweise hat, konnten wir das Projekt so schnell auf die Beine stellen“, sagt Joschka. Pauline und Julian nicken. Geholfen haben dabei die anderen Mitglieder, wie Paulines Schwester Sophie, 21, auch Ruben Schlembach und Lukas Mayer, beide 21, und Salma Sehk Zinth, 24, die Mitbegründer sind. Daneben haben weitere Freunde geholfen, etwa, um die Webseite zu gestalten. Das Geld, das der Verkauf der Mützen einbringt, spenden die Studenten vollständig an „Aktion Deutschland hilft“. „Geld fehlt ja immer“, sagt Pauline, „für diesen Verein haben wir uns entschieden, da er auf der Basis völliger Transparenz arbeitet.“ Das Projekt hat neben dem Studium mehr Zeit eingenommen, als am Anfang vermutet. Einige Mitglieder wissen noch nicht, ob sie im kommenden Jahr weiterhin mitwirken können. Trotzdem planen Pauline, Joschka und Julian mit der gleichen Begeisterung bereits an einem sommerlichen Nachfolger für die Mütze. „Da steht schon eine Idee im Raum, aber verraten wollen wir es noch nicht“, sagt Pauline und lächelt wieder verschmitzt.
Vom kuschelnden Schauspieler bis zum ehrgeizigen Rapper, von der gemeinnützigen Studentenorganisation bis zur sozialen Modedesignerin: Diese jungen Menschen sorgen 2016 dafür, dass München bunt, spannend und lebenswert bleibt.
Foto: Amelie Satzger
Jede Woche treffen wir auf junge Münchner, die München zu „unserem“ München machen: zu einer spannenden Stadt, die man erst kennt, wenn man ihre Macher kennen und schätzen lernt. Wer diese Stadt im kommenden Jahr bunter und lebenswerter macht? Wir wissen es nicht. Und wagen trotzdem einen Ausblick: Münchens junge Leute 2016.
Leonard Hohm Schauspieler
Es gibt Menschen, die kennt man nicht, und doch ist man vertraut mit ihnen. Genauer gesagt: mit ihren Stimmen. Leonard Hohm, 25, ist einer von ihnen. Der Schauspieler ist wirklich sehr häufig zu hören. Er spricht Werbung für Firmen wie Sony oder Bosch, synchronisiert Serienfiguren und hat zig Hörbücher eingelesen. „Sprechen kann zum Sport werden, da wir unter starkem Zeitdruck arbeiten“, sagt Leonard. Nebenher spielt er noch Theater. 2016 sind neben einem Theaterprojekt auch weitere Hörbücher geplant: „Ich liebe die Arbeit im Studio und spiele gerne mit meiner Stimme. Aber was schon nervt: Wenn deine Freundin dann abends sagt: Lass mal nicht kuscheln, lies mir lieber was vor!“
Foto: Yunus Hutterer
Amelie Satzger Fotografin
Irgendwie kommt sie aus einer anderen Welt. Wenn Amelie Satzger, 20, sich selbst fotografiert, dann sieht sie aus wie eine Fee, manchmal auch wie eine Gottheit aus dem antiken Griechenland. Es sind jene mythologisch angehauchten Selbstporträts, die die Fotografin erfolgreich machen. Angefangen hat das auf der Nordseeinsel Föhr: Familienurlaub mit den Eltern. Irgendwie langweilig. Also hat Amelie, damals 19, ihre Kamera genommen und die Fotos dann auf Instagram gepostet. Die Bilder kamen an: Innerhalb weniger Wochen hatte sie mehrere Tausend Follower, auf der Fotoplattform 500px sind es mittlerweile mehr als 19 000. Amelie studiert Fotodesign an der Hochschule München. 2016 werden Amelies Selbstporträts auf der Kunstmesse Stroke zu sehen sein.
Foto: Amelie Satzger
Bianca Kennedy Künstlerin
Bianca Kennedy taucht ab. Die 26-Jährige, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, widmet sich derzeit der Badewanne. „Das ist für mich ein ganz besonderer Ort“, sagt Bianca, denn dort würden Klassenunterschiede aufgehoben. Wer in die Badewanne geht, ist nicht arm oder reich, der ist für einen Moment lang befreit von seiner eigenen Geschichte. Abtauchen, die Füße übers Wasser gleiten lassen und sich dabei vorstellen, man habe gerade einen Wal in den Wellen entdeckt, so ist das zumindest in Biancas filmischer Arbeit „Sonar Sounds“. Die junge Künstlerin hat in den vergangenen Monaten mehr als 200 Badeszenen aus berühmten Filmen gesammelt, die sie in der Videoinstallation „We are all in this together“ miteinander verbindet. Parallel arbeitet sie mit ihrem Freund Felix Kraus an einer Filmtrilogie, die das Leben von Mensch-Tier-Pflanze-Pilz-Hybriden in einer fernen Zukunft imaginiert.
Foto: Adrienne Meister
Sophia Klink Literatin
Wenn Sophia Klink Texte schreibt, spielt die Natur darin eine große Rolle. Die 22-Jährige versucht in ihrer Prosa die Dinge zu verarbeiten, die sie aus ihrem Biologiestudium kennt: „Ich wollte einfach zeigen, wie toll diese Welt ist. Es weiß zum Beispiel kaum einer, dass Regenwürmer zehn Herzen haben.“ Die Natur wird bei ihr zum Reibungspunkt für die Sehnsucht ihrer Figuren nach Ruhe abseits der Stadt. 2015 hat Sophia das Literaturstipendium der Stadt München erhalten, das Autoren ein Arbeiten frei von finanziellem Druck ermöglichen soll. Gefördert wurde ihr Romanprojekt „Luftunterfläche“, dessen Erstfassung demnächst fertig werden soll. Sophia Klink liest am 15. Januar 2016 im Keller der kleinen Künste.
Foto: Thomas Freimuth
Florian Kamhuber und Fabian Halbig Filmemacher
Es darf gelacht werden: Florian Kamhuber, 25, und Fabian Halbig, 23, produzieren mit ihrer Filmfirma „Nordpolaris“ Stoffe, die den Zuschauer mit intelligentem Humor unterhalten sollen. Vergangenen Sommer haben die beiden ihren ersten Langspielfilm produziert, der 2016 Premiere feiert: Die Tragikomödie „Dinky Sinky“ (Regie: Mareille Klein) erzählt die Geschichte einer Sportlehrerin, die unbedingt schwanger werden will. Die Hauptrolle übernahm Residenztheater-Schauspielerin Katrin Röver, der Film-Fernseh-Fonds Bayern förderte das Projekt mit 50 000 Euro. Für das kommende Jahr sind bereits viele neue Projekte geplant: Die beiden produzieren eine Sitcom, die die Männerdomäne Baumarkt ironisch aufbricht, und Fabian, Schlagzeuger der Killerpilze, bringt mit seiner Band ein neues Album heraus.
Foto: Vera Brückner
Alexander Hoffmann Veranstalter von „Cook and Code“
Die ersten Schritte in der IT-Welt will Alexander Hoffmann Anfängern in seinem Projekt „Cook and Code“ vereinfachen. Der 27-Jährige organisiert Veranstaltungen, bei denen Experten und Neulinge zusammenkommen und in lockerer Atmosphäre ihr IT-Wissen auffrischen können – zum Beispiel wird auch zusammen gekocht. Für das Jahr 2016 hat sich Alexander eine Menge vorgenommen: „Beim Social Hackathon am 23. Januar werden sich drei bis vier soziale Projekte vorstellen, die ein bestimmtes Problem mit ihrer Website haben“, sagt Alexander. Über einen ganzen Tag hinweg versuchen sich die Teilnehmer an einer Lösung für diese Probleme.
Foto: privat
Hannah Klose Netzwerkerin
Netzwerkerin Hannah Klose, 24, bringt Menschen zusammen. Zum Beispiel als Vorstandsmitglied des Projekts „Rock Your Life“, das Hauptschülern Mentoren an die Seite stellt, um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern. Aber auch darüberhinaus hat sie 2016 viel vor: Hannah organisiert die Intrapreneurship Conference 2016 in München mit und stellt als Heartleaders-Botschafterin Veranstaltungen rund um wertschätzende Kommunikation in der Arbeitswelt auf die Beine. Außerdem holt sie bei 12min.me einmal im Monat Sprecher für Vorträge zu Business-Themen auf die Bühne – in lockerer Atmosphäre und strenger Zwölf-Minuten-Taktung. Wo Hannah Menschen verbindet, ist das Ziel meist dasselbe: Statt Ellbogenmentalität soll Arbeit Raum für Innovation, Erfüllung und Potenziale bieten.
Foto: mantro.net
Alina Birkner Malerin
Ist Malerei nun in oder out, hip oder verstaubt? Immer wieder wird ihr in der Kunst der Tod prophezeit. Davon lässt sich Alina Birkner, 26, nicht beeindrucken. Die Malerin studiert an der Akademie der Bildenden Künste und schließt ihr Diplom im Februar ab. Alina pinselt mit Acryl geometrische Formen in Pastellfarben auf eine nasse, meist großformatige Leinwand. Ihr Können stößt auf so viel Begeisterung, dass sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner, der eigentlich Filmplakate gestaltet, ein riesiges Fresko für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic in der Pinakothek der Moderne malen durfte. 2016 steht aber erst einmal die eigene, abstraktere Kunst auf dem Plan: zum Beispiel im Münchner Centercourt, wo Alina von Januar an vier großformatige Arbeiten zeigt.
Foto: Korbinian Vogt
Lux Rapper
Es gab schon schlechtere Zeiten für Hip-Hop aus München. Edgar Wasser wird bundesweit gefeiert, Fatoni ist dieses Jahr mit seinem Album „Yo Picasso“ durch die Decke gegangen. Und München hat noch mehr Talente parat. Zum Beispiel Lukas Eichhammer, 25, alias Lux. Der Musiker hat 2015 das erste Album veröffentlicht, tourte mit Kumpel Edgar Wasser durch Deutschland. „Ich habe Blut geleckt“, resümiert er. Schon als Kind zieht es Lukas auf die Bühne: Er spielt im Residenztheater und eine Hauptrolle im Kinofilm der Kinderreihe „TKKG“. Mit 16 beginnt er zu rappen, 2012 kommt die erste EP. Lukas wird nächstes Jahr 26. Zehn Jahre Lux – Zeit, erwachsen zu werden? Ja. Deshalb kommt im Frühjahr eine neue EP und mit ihr ein neuer Lux. Es geht um Zukunftsängste, ums Rumhängen und Älterwerden – ganz genau weiß Lukas das auch nicht. Er rappt: „Ich bin nicht Lux, nur sein Synchronsprecher.“
Foto: Nils Schwarz
Mercedes Diaz de Leon Mode-Designerin
Es ist keine einfache Angelegenheit, dem Massenkonsum den Rücken zu kehren – vor allem nicht, wenn es um Mode geht. Mercedes Diaz de Leon, 28, hat es trotzdem versucht: Im Sommer eröffnete sie den „Nui Conceptstore“ in Neuhausen, der ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Jungdesignern und ihr eigenes Label Nui verkauft. Die gebürtige Mexikanerin, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat ihr Handwerk an der Meisterschule für Mode in München gelernt. Nach dem Abschluss war sie ernüchtert: Alle tragen das Gleiche, kaufen bei großen Ketten Stücke, die nach kürzester Zeit im Schrank verstauben. Mercedes’ Laden ist keine Revolution. Aber ein Schritt in die richtige Richtung: eine Verkaufsplattform für talentierte Jungdesigner, die nachhaltig, lokal und fair produzieren und für den Modeliebhaber sonst allenfalls über Plattformen wie Dawanda erreichbar wären.
Foto: privat
Equalhats Gemeinnütziges Studentenprojekt
Sechs junge Münchner Studenten haben die Mütze zu einem Symbol der Solidarität erhoben. Ihr Motto: „Mache einen fremden Namen zu deinem.“ Auf den Mützen stehen Namen. Namen von Flüchtlingen, die bereits in Deutschland angekommen sind. Über den Namen wird das Gleichheitszeichen eingestickt. So setzt jeder mit der Mütze ein Statement. Bisher sind circa 400 Mützen verkauft und 2500 Euro eingenommen. Neben dem Studium ist oft zu wenig Zeit, aber für die nächsten Semesterferien plant das Team von Equalheads einen Sommerersatz für die Mütze zu finden. „Wir wollen auf jeden Fall weitermachen“, sagt Pauline Kargruber, Mitbegründerin des gemeinnützigen Studentenprojekts Equalhats. Die Mützen werden fair und im Inland produziert, alle Erträge gehen an die Aktion „Deutschland hilft“. Welcher Name auf der Mütze steht, ist nicht wichtig, man erfährt es auch nicht vorher. Das Zeichen, das man setzt, zählt.
Foto: privat
Nalan381 Hipster-Pop
Es ist zuletzt gut gelaufen für das experimentelle Duo Nalan381. „Sie sind gekommen, um München ein bisschen mehr Sex einzuhauchen“, schrieb etwa der Bayerische Rundfunk. Und auch die SZ hat sich nicht zurückgehalten mit Lob: „Ätherische Töne mit hauchenden, hallenden, klagenden Stimmen, die verlaufen wie Wimperntusche im Swimmingpool.“ Nicht zuletzt deswegen haben Nikolaus Graf aka Nik Le Clap und Nalan Karacagil große Pläne für 2016. Die Findungsphase ihrer Musik ist abgeschlossen, im kommenden Jahr wollen sie mit einer neuen Platte über die Münchner Bühnen hinauswachsen. Ein Konzert in Berlin ist fix, sogar noch vor der Release ihrer Platte am 13. April in der Münchner Bar „Unterdeck“. Ihrem Indie-R ’n’ B bleiben sie treu, „aber der Sound wird interessanter, weil wir ja jetzt wissen, wie der andere tickt“, sagt Nik.