Neuland: “Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina”

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In der 
wunderschönen Stadt Wien gilt es aktuell die bisher größte Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina zu besuchen. Dass die Werke zur Hälfte der fruchtbaren Kollaboration mit der Band Bilderbuch entstammen, scheint da fast nur ein Schmankerl am Rande.

„Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina“ lautet der Titel der bisher größten Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina. Insgesamt 55 Fotografien werden noch bis zum 16. Dezember in der Wiener Galerie OstLicht zu sehen sein. Eine Hälfte der Ausstellung ist ganz explizit Elizavetas Zusammenarbeit mit der österreichischen Band Bilderbuch gewidmet – seit zwei Jahren eine „kreative Kollaboration auf Augenhöhe“. Schließlich fotografiert sie regelmäßig für bekannte Modemagazine und -firmen, erreichte 2012 gar den zweiten Platz bei den „World Photography Awards“. Die Fotografin und die Band – beide teilen sie die Philosophie, ihre Kunst ganz dem Prinzip Pop entsprechend als „Allround-Experience“ zu verwirklichen; über den einen visuellen beziehungsweise audiovisuellen Eindruck hinaus muss sie als eine Geschichte insgesamt funktionieren. Den vielen Bildern und zwei gemeinsamen Videoproduktionen zu „Bungalow“ und „Baba“ merkt man den Anspruch an.

Bei Bilderbuch steht die Ohrwurm-Melodie, die ein kurioses Wortspiel durch den Song komplimentiert, nicht im Gegensatz zu guter instrumentaler Livemusik. Und es ist diese Ambivalenz aus surrealem Spiel und handwerklicher Qualität, die man in Elizavetas Arbeit ebenso verwirklicht findet. Einerseits bestechend durch zugängliche Ästhetik, fordert sie jedoch in Bildarchitektur und Farbenspiel heraus – der Betrachter verbleibt mit dem Eindruck eines unwirklichen Traums. Dass der Ausstellungsraum dabei das „Live-Erlebnis“ schafft, bestätigt die Künstlerin. Es sei überwältigend, gerade die Fotos, die mit der Band auf Fuerteventura entstanden, in der Ausstellung zu sehen. Zwar sei Druck ja nun kein einfaches Medium, doch gerade durch das große Format und den räumlichen Kontext der Galerie könne man mitten in die Landschaften eintauchen. Sorgen, der Hype um die Band könne das eigene Schaffen überstrahlen, teilt sie nicht; in der Kunst ginge es eben auch darum, Egos zu überwinden und Kräfte zu vereinen.

Text: Yvonne Gross

Foto: Elizaveta Porodina

Band der Woche: Liz and the fire

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Mit Kanten und Brüchen – Liz and the fire machen Wüstenrock, rau und uneben. Gerade für die Sängerin Elizaveta Porodina ein markanter Kontrast zu ihrem eigentlichen Beruf als (Mode-)Fotografin. Im September hat die Band ihre erste gemeinsame EP veröffentlich. Es dreht sich um alltägliche Abgründe und Wiederauferstehung.

Eine Turnerin mit einem Gesicht wie auf einem Gemälde Rembrandts. Oder altmodische Frisuren und seltsame Klamotten vor dem Hintergrund beeindruckender Natur. Das sind Bilder von schwerem Pathos und starkem Aussagewillen. Elizaveta Porodina ist Fotografin, macht Kunstserien und inszeniert Modestrecken für bekannte Magazine wie Elle oder Vogue. Auf diesen Bildern trifft die Mitte-Zwanzigjährige einen Ausdruck, den viele Modefirmen gerade suchen: ein seltsames Gemisch aus Ernsthaftigkeit, Bedeutungsschwere und leichter Sexyness. Aber eigentlich schießt Elizaveta ein wenig über diese Grenzen hinaus. Als musikalisches Pendant dazu fällt vielleicht als erstes Rammstein ein, die in einer ganz ähnlichen Art einen hyperkünstlichen Realismus zur Gänze ausformulieren. Doch nun hat Elizaveta selbst eine Band gegründet und mit ihrer Musik hat ihr eigensinniges Kunstgespür einen völlig anderen Ausdruck gefunden. Denn im rauen Rock-Gewand zeigt Elizaveta nun all die Brüchigkeit und Unebenheit des menschlichen Daseins, die sie auf ihren Fotos so gut zu kaschieren und in hyperrealistische Märchenwelten umzumünzen weiß.

Mit vier Jungs zusammen macht sie als Liz and the fire Wüstenrock. Aber nicht dessen durchinszenierte Spielart, die, spätestens seit Tarantino-Filmposter in jeder WG-Küche hängen, wieder angesagt ist. Die Musik von Elizaveta und ihrer Band ist karg, altmodisch und etwas spröde. Elizavetas Stimme ist dunkel, breit und emotional höchst in das Wah-Wah-Gitarrenspiel ihres Gitarristen Qi Li involviert. Allein ein Wah-Wah, dieses Effektgerät, das den stehenden Gitarrenton seltsam quäken lässt, hat man seit Ende der Achtzigerjahre nicht mehr derart exzessiv benutzt gehört. Doch seit 2014 pustet die Band, die in unterschiedlichen Konstellationen schon seit etwa zehn Jahren zusammen spielt, das wieder in die Clubs. Die vier Musiker in klassischer Rockbesetzung seien zuvor auf der Suche nach neuen Einflüssen gewesen, lassen sie wissen, und dabei der Fotografin Elizaveta begegnet. Und hätten entdeckt, dass diese – abseits der tiefen Singstimme – auch ein gewisses Faible für Abgründe habe und „leidenschaftlich gerne Songs über in uns loderndes Feuer, die ganz alltäglichen Abgründe und Wiederauferstehung“ schreibt. Nach einer ersten Session seien sie sich einig gewesen und hätten begonnen, an der ersten EP zu arbeiten, die sie im September 2015 veröffentlicht haben. Darauf schwere Titel wie „Phoenix“, „Harvest“, „Green Eyed Devil“ oder „Masters“ – man merkt: Hier meinen es fünf Musiker richtig ernst, wenn Elizaveta etwa in „Desert Shadows“ über vier Minuten hinweg zu dem finalen Satz gelangt: „In the desert time stands still.“

Das ist bisweilen etwas langatmig, schafft es gleichzeitig aber auch, den wunderbaren Gegensatz zu vermitteln, von dem jeder gut gemachte Wüstenrock lebt: Rebellion und gleichzeitiges Phlegma, Aufstand im Inneren, während der Körper in der trockenen Hitze seltsam gelähmt bleibt. Elizaveta schöpft dafür aus eigenen Erfahrungen. Immerhin jettet sie als Fotografin tatsächlich bisweilen in die Wüste – gerade hat sie dort ihre Serie „California Love Trip“ geschossen: „Die Fotoserien und die Lieder sind oft unzertrennlich miteinander verknüpft und voneinander geprägt“, erklärt sie. Doch während auf den Fotos eben in grellen Farben der menschliche Körper zelebriert ist, fungiert die Musik eher als dunkler Schatten dazu, der so ein wenig grotesk darauf hinweist, dass eben nicht immer alles so glatt ist wie auf der Oberfläche ihrer Fotos. Dazu passt auch die seltsame Ästhetik, die sich Liz and the Fire zur Präsentation ihrer Band ausgesucht haben: Im Wolpertinger-Prinzip wurden für das Cover-Artwork der EP die Gesichter der fünf Bandmitglieder collagiert. Aber nicht im futuristischen Morphing-Prinzip, damit die Unterschiede verschmelzen würden, sondern die Kanten und Brüche bleiben sichtbar. 

Stil: Rock

Besetzung: Liz aka Elizaveta Porodina (Gesang), Qi Li (Gitarre),

Wolfgang Siegmund (Gitarre), Josef Beyer (Bass), Fabian Schüssel (Schlagzeug)

Aus: München

Seit: 2014

Internet: lizandthefire.bandcamp.com

Von Rita Argauer
Foto: Milena Wojhan

Ohne Glitzer

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Abschied von den melancholischen Traumwelten: Fotografin Elizaveta Porodina, die von Magazinen wie „Vogue“ oder „Elle“ gebucht wird, will fortan mehr Kunst als Mode machen – jetzt reist sie erst einmal um die Welt.

Für jemanden, der nichts dem Zufall überlassen will, ist Spontaneität eine Herausforderung. Elizaveta Porodina, 27, liebt Herausforderungen, auch weil sie dann Ängste bekämpfen kann. Die gefragte Fotografin, die von Magazinen wie Vogue, Madame, Gala und Elle gebucht wird und in ihren Bildern nach Perfektion strebt, will aus dem Augenblick heraus handeln. Mehr Kunst als Mode machen. Und für ihre erste große Ausstellung 2015 noch einmal ein paar Wochen um die Welt reisen, obwohl Reisen ein Unbehagen in ihr auslösen.

Ein gutes Foto, das ist das Ziel eines jeden Fotografen. Doch was es ausmacht, was es benötigt – das wissen nur jene, die sich Tag und Nacht mit der Materie beschäftigen. Elizaveta gehört zu diesen Menschen. Seit sie vor vier Jahren das erste Mal eine Kamera in die Hand nahm, ist sie diesem Ziel immer näher gekommen. 2012 belegt sie den zweiten Platz des „Sony World Photography Award“. Doch der zweite Platz reicht ihr nicht, sie arbeitet weiter hartnäckig. „Ich bin sehr anspruchsvoll und gebe mich nicht so schnell zufrieden.“ Innerhalb kurzer Zeit häufen sich die Anfragen. Sie schließt noch ihr Studium der Psychologie ab und arbeitet mehr als ein Jahr in der Psychiatrie. Jede freie Minute verbringt sie allerdings mit ihrer Kamera. Sie realisiert neue Ideen und nimmt immer mehr Jobs an.

„Irgendwann kam es mir wie ein Doppelleben vor, dem ich nicht mehr gerecht werden konnte“, Elizaveta entscheidet sich im Mai 2013 für die Fotografie und bricht ihre praktische Ausbildung ab. Mittlerweile lebt sie ihren Job und arbeitet ihren Traum. Die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem sind so weit verschwommen, dass die junge Frau Ferien, Feierabend oder Urlaub nicht mehr kennt. „Wenn es anders wäre, würde mir das aber auch Sorge machen“ – die Fotografie ist ihre Leidenschaft, und das sieht man ihren Bildern an. Bis zum letzten Schattenwurf sind die Kunstwerke inszeniert. Alles steht und fällt an seinem Platz. Es ist unmöglich, auch nur das kleinste Detail in Frage zu stellen.

Selbstporträt

Elizaveta reist für große Magazine in andere Länder, fotografiert schon mal angesagte Künstler wie die Musikerin St. Vincent, arbeitet mit fremden Menschen zusammen und baut ihr eigenes Team auf. Zeitdruck, Planung und Durchsetzungsvermögen: Schnell entwickelt die junge Künstlerin Expertise auf dem Gebiet. Mit jedem Projekt, jedem Auftrag und jedem einzelnen Bild wird sie reifer. Und mit ihr die Fotografien. Verspieltes weicht Kantigem. Bunte Farben werden reduziert. Schwarz und weiß überwiegt heute. Die Fotografin, die in den vergangenen Monaten von der Ukraine bis Los Angeles gebucht wurde, gibt ihren Bildern einen neuen Charakter. „Ein gutes Bild, das muss auch ohne Glitzerstaub auskommen“, findet sie und zeigt den Unterschied zwischen jenen melancholischen Traumwelten, mit denen sie noch beim Award teilnahm, und ihren heutigen Lieblingsbildern, die bei einem spontanen Shooting entstanden sind und sich auf das Wesentliche, das Model konzentrieren.

Ihre Entwicklung versucht sie ganz sachlich zu begreifen: „Ich glaube, mit der Zeit strebt jeder Künstler nach Abstraktion.“ Ein Kreis, eine Lichtquelle, nur wenige Motive und Farben – das müsse reichen, um Emotionen festzuhalten. Elizavetas Bilder leben mehr und mehr von starken Kontrasten, Lichteffekten und den besonderen Frauen, die sie in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellt. Eigenartig sollen sie sein, „denn für mich ist alles Eigenartige schön“. Die Augen am liebsten verschieden groß, das Gesicht schief, der Ausdruck merkwürdig – der Betrachter soll an den Gesichtern hängen bleiben und aus der Seltsamkeit des Bildes die Persönlichkeit des Models erahnen können.

Egal, ob unterwegs mit einem Model oder bei einem festen Auftrag: Elizaveta versucht sofort eine Beziehung aufzubauen. „Ich sende Ich-Botschaften, sage dem Model ganz genau, was sie tun soll und versuche mich in sie hineinzuversetzen.“ Ihre Erfahrungen aus der Psychologie helfen der Fotografin dabei, Empathie zu entwickeln. Trotzdem kann sie nicht jede Barriere überwinden, manches Eis ist zu dick, um durchbrochen zu werden.

Seit dem Sommer 2013 stellt sich die 27-Jährige deshalb immer häufiger selbst vor die Kamera. Sie nennt es ihr wichtigstes Nebenprojekt. „Ich will spüren, wie man sich vor der Kamera fühlt“, erklärt Elizaveta und dreht ihr Gesicht ganz unbewusst ein wenig nach rechts. „Welches die Schokoladenseite ist, wie man den Ausdruck der Augen verändern und die Gesichtsmuskeln anspannen kann, das habe ich alles erfahren und lernen müssen.“ Dieses Nebenprojekt scheint wie selbstverständlich in das Konzept Elizaveta zu passen. Ihre Bilder erreichen einen noch höheren Grad der Perfektion. Die Planung zahlt sich aus. Fast immer schafft sie es so, die Grenze zu überwinden, die die Kamera zwischen Model und Fotografin zu ziehen scheint.

Obwohl sie von der Modegrafie leben könnte, widmet sich die Münchnerin persönlich mit Vorliebe der Kunst. „Ich möchte freier und spontaner werden“, nennt sie die Ziele für 2015. Um neue Ideen und Eindrücke zu gewinnen, wird sie mit ihrem Freund und Partner Josef Beyer einige Wochen herumreisen. Musen, wie Elizaveta ihre Models nennt, werden unterwegs abwechselnd dabei sein. Ägypten steht auf dem Plan, der Rest ist ungewiss. „Ich muss mich einfach immer wieder aufs Neue herausfordern“, sagt sie, grinst und nippt an ihrem Cappuccino – innerlich froh, ihr Unbehagen beim Bestellen in Cafés überwunden zu haben. Um ihre künstlerischen Ideen, die sie in Notizbüchern sammelt, in Bildern greifbar zu machen, will sie nun Neues entdecken, andere Kulissen besuchen und fremde Menschen kennenlernen. Zurück in München sollen viele der auf der Reise entstandenen Bilder dann in ihrer ersten großen Ausstellung präsentiert werden. Noch ist sie etwas nervös, ob alles perfekt läuft. Aber die Herausforderung ist ihr Ziel. Friederike Krüger