Rebellion durch Gameboy-Musik: Über altbekannte Tetris-Töne geht der Musiker GrGr weit hinaus.
Der Game-Boy ist, rein sprachlich gesehen, von Madonna als laszivem Boy-Toy oder Amanda Palmers automatischem Coin-Operated-Boy gar nicht so weit entfernt. Doch beim Münchner Musiker GrGr (Foto: steamography) wird der Game-Boy zu einer Art Spielmannszug und zum aktivem Teil der musikalischen Darbietung: Gregor Sandler, wie GrGr bürgerlich heißt, erzeugt seine Musik mit Hilfe zweier Game-Boys. Chiptune oder 8-Bit-Punk nennt man diese Musik, die eigentlich eine Art Beschränkung darstellt. Denn diese alten Soundkarten erzeugten ihre Töne durch sehr einfache Synthesizer, und der Arbeitsspeicher war zu gering um wirkliche Akkorde (bei denen mehrere Töne
gleichzeitig übereinander liegen) zu spielen. Dementsprechend eindimensional
sind die harmonischen Möglichkeiten.
Gregor
kommt aber eigentlich aus dem Punkrock. Er spielt Gitarre seit er zehn Jahre
alt war und gründete zu Teenie-Zeiten seine erste Band. Und diese Weigerung im
gewöhnlichen Pop-Musik-Zirkus mitzumachen, zeigt sich nun auch in seiner
Game-Boy-Musik. Denn: verzerrte Gitarren sind längst nicht mehr so rebellierend
wie das nervige Gefiepe, das Gregor seinen Game-Boys entlockt. Dass man in den
Neunzigerjahren oft angehalten wurde, die Musik, die dieser Spielcomputer von
sich gibt, wenn man seine Steine schichtete, doch bitte abzudrehen, spricht für
das Rebellionspotenzial – die Musik von Gregor ist dennoch weit entfernt von
dem, auf Dauer unfassbar nervigem Tetris-Gepiepse, das ein russisches Volkslied
imitierte. Die Melodiestimme seiner Tracks hat zwar das gleiche Timbre wie das
bekannte Tetris-Lied, doch darunter pumpen Bässe, knarzen verzerrte Drum-Computer
und schieben das dünne Gameboy-Stimmchen ordentlich an. „Am Anfang habe ich nur
instrumentale Tracks mit Game-Boy-Sounds gemacht“, sagt Gregor, mittlerweile
habe er seine Gitarre wieder ausgepackt und singt und spielt dazu. Ein wenig
klingt das so wie die etwas süßere Variante von frühem Elektropunk à la Egotronic.
Die
Wellen-Bewegungen der Popkultur sind bekannt – was einst als grausam galt, ist
später nerd-cool und irgendwann dann richtig cool. Und mit dem Game-Boy in
typischer Game-Boy-Sound-Ästhetik zu komponieren, befindet sich wohl gerade am
Übergang zur Breitwand-Coolness. Dementsprechend bekommt Gregor, der auch noch
in der klassischen Münchner Punk-Band Zoo
Escape spielt, derzeit auch ein etwas größeres Publikum. Neben den
obligatorischen Gigs im Antifa-Milieu, etwa im Münchner Kafe Marat, trat er
Anfang Januar beim größeren Queerbeats-Festival im Feierwerk auf. Die
Vernetzung nach Rest-Deutschland ist aber bei solch spezieller Musik auch nicht
schwierig: So verbindet ihn eine künstlerische Freundschaft mit dem Freiburger
Musiker Björn Peng, dementsprechende Konzerte dort folgten. Und auch sein
Album, an dem er gerade arbeitet, soll auf dem neuen Freiburger Underground-Label
„Nakam“ erscheinen.
Rita Argauer
Stil: 8-Bit-Punk /
Elektro-Punk
Besetzung: Gregor Sandler
(Game-Boys, Drumcomputer, Programming, Gesang, Gitarre)
Aus: München
Seit: 2011
Internet: soundcloud.com/gr-gr