Band der Woche: Tofel Santana

Womit kann man heutzutage überhaupt noch provozieren, in einer Zeit, in der selbst Unterwäsche-Models kaum noch zu schockieren vermögen? Vielleicht mit gewaltigem Körperkult, wie in dem Musikvideo zu Tofel Santana’s Single “Vamp (Oh Shit)”. Mit ihm gesellt sich ein neuer Stern an den ohnehin schon hell leuchtenden Münchner Rap-Himmel

Es gibt einen Tabubruch im ästhetischen Feld, der derzeit noch viel gravierender ist als etwa der American-Apparel-Porno-Chic, dessen Provokationspotenzial gehörig nachgelassen hat. Ja so weit, dass man heute sogar schon wieder von einem gerade angebrochenen Post-Porn-Zeitalter spricht. Das bedeutet wohl mehr, dass man an die ganzen Unterwäsche-Models an Bushaltestellen so gewöhnt ist, dass diese keinen großen Affekt mehr auf die Post-Porn-Hipster ausüben, da könnten genauso gut Maisdosen oder Gurken beworben werden. Nein, heute provoziert eine andere ästhetische Form: Der aalglatte Körper- und Gebäudeästhetizismus einer Leni Riefenstahl. Körperkult und herrschaftliche Architektur, dieses großkotzige Feiern einer Oberfläche, die einen Inhalt völlig vernachlässigt und noch dazu so zum NS-Terror assoziiert wird, das provoziert. Und damit provoziert auch der Münchner Musiker Tofel Santana (Foto: Carlos Montilla). 

„Vamp (Oh Shit)“ heißt die Single, zu der er gemeinsam mit dem spanischen Filmemacher Leo Adef ein Video, ja eigentlich mehr einen Kurzfilm gedreht hat, der diesen Riefenstahlschen Oberflächen-Fetischismus mit der Camp-Ästhetik einer frühen Madonna und den Gangster-Gesten des Westküsten-Raps verbindet. Und daraus entsteht ein derart überforderndes Code-Potpourri, das für die heutige Zeit angemessen ist. „Mein Video enthält tatsächlich sehr viele Elemente aus meinem Leben“, entgegnet jedoch Tofel, wenn man ihn auf die Überstilisierung seines Films anspricht, denn „Sex, Drugs und rohe Aggressionen“ seien für ihn der „Free Spirit meiner Generation“, den er in seinem Video ins Extrem treibe, damit es „edgy“, ja grenzwertig wirke. Tofel Santana ist damit quasi ein wenig wie die rappende Hipster-Variante der von Slavoj Žižek philosophisch untermauerten slowenischen Anti-Ironiker-Ironikerband Laibach. Und die Kunstfertigkeit, die hinter so einem Produkt steckt, ist nicht zu unterschätzen.

Das merkt man auch in Tofels Musik. Die steckt voller Glitches und Störgeräuschen, die enthebt sich auch dem Unterdruck der permanenten Langeweile, die coole aktuelle Popmusik derzeit per se ausstrahlen muss und weiß um den Effekt der Reduzierung. Der wird dann besonders deutlich, wenn Tofel ihn durchbricht. An zwei Stellen in „Vamp“ kommt eine Frauenstimme hinzu, die das klischeehafte Refrain-Trällern des Neunzigerjahre-Hip-Hops weit hinter sich gelassen hat und nur noch wie Ahnung davon im Hintergrund eine Melodie mitkoloriert. An diesen Stellen taucht aber in dieser sonst so geräuschhaften Produktion der Klang einer verzerrten Gitarre auf, die in simplen Rockakkorden die Musik ausmalt und ihr eine Ahnung von Euphorie verleiht.

Allein das ist schon ziemlich kunstvoll gemacht in dieser Musik, deren Urvorbild wahrscheinlich irgendwo der Ethno-Electro-Clash der Asian Dub Foundation oder M.I.A. ist, die aber eben die zwingende Kraft der Reduktion eines Kendrick Lamar genauso kennt. Doch wenn im Video dann plötzlich queere Sequenzen auftauchen, wenn ein junger Typ die Wangen ganz sanft mit Rouge geschminkt hat, ohne die durch die Übertreibung erzwungene Ironie der Drag-Queens, dann bekommt all das kühle Kantenausloten dieser Ästhetik eine betörende Verletzlichkeit.

Im echten Leben wirkt Tofel allerdings ganz gesetzt, hat sich – nachdem er bis 2012 in der Popband Absolute Raw gespielt hatte – zwischen München und Barcelona als PR-Mensch und Barkeeper eingerichtet. Die Veröffentlichung seiner ersten EP „The Box“ ist nun für Januar geplant, im Anschluss daran plant er auch Konzerte in Deutschland.

Text: Rita Argauer

Foto: Carlos Montilla

Stil: Electribe
Besetzung: Tofel Santana, Rafael Belor (Produktion)
Aus: München, Barcelona
Seit: 2013
Internet: www.tofelsantana.com