Zocken statt arbeiten

In einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Berg am Laim sitzt die Zukunft der deutschen Games-Entwicklung. Aber das Ausland lockt Johannes Roth und Dominik Abé, die “Mimimi Production” leiten.

Von Anna Steinbauer

Es sieht aus wie in einer Studenten-WG: Im Eingangsbereich befinden sich zwei bunte Sofas. In der Küche stehen neben dreckigem Geschirr ein paar aufgerissene Packungen Nudeln und Pfanni-Kartoffelbrei; gekocht wird hier meist zusammen. Einzig: Ein selbstgeschriebenes Schild ermahnt, die Schuhe auszuziehen. Niemals würde man ahnen, dass in dieser Zwei-Zimmer-Wohnung in Berg am Laim die Zukunft der deutschen Games-Entwicklung sitzt: Mimimi Productions. Ein junges Produktionsteam, das als vielversprechendes Newcomer-Unternehmen gehandelt wird und in seiner kurzen Historie bereits so gut wie alles an Preisen bekommen hat, was es im Games-Bereich zu gewinnen gibt: vom Newcomer-Award bis hin zum Apple-Design-Award. Dabei sind die beiden Geschäftsführer Johannes Roth und Dominik Abé gerade mal 26 und 29 Jahre alt. Und sie planen bereits, wie sie ihren Einfluss international ausweiten können: “Der nächste Schritt muss sein, dass wir in den USA einen guten Investor finden. In Deutschland kennt uns mittlerweile jeder und findet uns gut, aber für größere Budgets müssen wir unseren Horizont erweitern”, sagt Dominik.

Er ist der ältere der beiden Geschäftsführer und kümmert sich um die Projektleitung. Der entspannte Typ im Kapuzenpulli, der seine Lockenpracht in einer spitzen Palme auf seinem Kopf bändigt, hat alles im Griff, kein Zweifel. Versonnen, mit einem leicht spitzbübischen Ausdruck, erzählt er, dass er ursprünglich mal Jazzgitarrist werden wollte. Nachdem es an der Musikhochschule aber auch beim zweiten Mal mit der Aufnahmeprüfung nicht klappte, besann sich Dominik auf seine beiden weiteren Leidenschaften: malen und zocken. “Ich wollte nicht noch ein Jahr übend im Keller verbringen”, sagt er.

Johannes und Dominik lernten sich im Studium an der Media-Design Hochschule München kennen. Johannes hatte eine Idee für ein Spiel und fragte, wer mitmachen wolle. So fanden sich 2008 sechs junge Leute, der heutige Kern von Mimimi, zu ihrem ersten gemeinsamen Projekt zusammen: “Grounded” hieß das Spiel, das dann gleich einen Newcomer-Award der deutschen Spielentwickler bekam. Die Szenerie: Aliens wollen in der Mitte der Welt einen Freizeitpark errichten, man muss “rumlaufen und graben”, sagt Dominik, der damals die Musik dazu noch selbst machte.

Der jüngere der beiden Geschäftsführer programmierte zu dieser Zeit auch noch selbst. Dafür hat Johannes nun aber keine Zeit mehr. “Jetzt mache ich das ganze langweilige Businesszeug: Projektmanagement, Verträge, Akquise”, sagt der 26- Jährige. Da sei er irgendwie so reingerutscht, sagt der groß gewachsene Games-Entwickler mit einer angenehm ruhigen Art zu sprechen. Trotz seines jungen Alters strahlt er eine solche Seriosität und Erfahrung aus, dass man keine Sekunde daran zweifelt, dass er auch umsetzt, was er sagt. Zum Beispiel: “Wir stellen nur die besten Leute an. Dann dauert es halt auch mal zwei Jahre, bis wir einen Programmierer gefunden haben.” Und: “Wir haben den Anspruch, dass wir irgendwann mal Gehälter zahlen können, die auch außerhalb der Games-Branche gut sind.”

Noch arbeiten die Spieleentwickler in nur zwei Zimmern. Doch die werden bald nicht mehr reichen. 16 Mitarbeiter sind momentan bei Mimimi Productions tätig. Alle sind nicht älter als Mitte zwanzig und sitzen in dem größeren Zimmer vor ihren Rechnern. Die Szenerie wirkt wie eine Informatikstunde in der Schule, mit dem Unterschied, dass der Lehrer fehlt. In Wirklichkeit sitzen hier aber Games-Spezialisten, die sehr genau wissen, was sie zu tun haben. Mit ihrem zweiten Spiel namens “daWindci”, in dem ein Heißluftballon durch unterschiedliche Landschaften navigiert werden und Hindernisse überwunden werden müssen, gewann Mimimi den Apple-Design-Award.“Der kam einfach so aus dem Nichts”, sagt Dominik. “Da ruft auf einmal Apple an und meint, wir sollten nach San Francisco fliegen, da ist so eine Preisverleihung.” Als sie dort waren, wurde es dem Mimimi-Team schlagartig klar: Sie waren nicht nur nominiert worden, sie hatten sogar gewonnen. Als erstes deutsches Spiel überhaupt. Nach diesen ersten Erfolgen gründeten Johannes und Dominik 2011 dann Mimimi Productions. Ihr Maskottchen ist ein braunhaariges Mädchen namens Mimi, dem riesige Tränen aus den Augen kullern. Grund zum Jammern haben die jungen Entwickler eigentlich keinen, vielleicht ist ihr Ehrgeiz, sich nicht zufriedenzugeben, der Grund für den Erfolg.Das jüngste Spiel “The Last Tinker: City of Colors” gewann beim Deutschen Entwicklerpreis gleich in drei Kategorien: “Beste Story”, “Bestes Adventure” und “Bestes Jugendspiel”. In dem Spiel geht es darum, dass Tinkerworld seine einstige Farbenpracht verloren hat und jedes Dorf in strikter Farbentrennung vor sich hin lebt. Als Koru, der Held des Adventures, hat man es in der Hand, diese zu überwinden und für ein Miteinander ohne Diskriminierung zu kämpfen. Zunächst war es schwierig, einen Publisher zu finden, dann stieg “Unity Games” ein. Mit der Größe des Spiels und wachsenden Kompetenzen steigen die Kosten für die Produktion. “Unsere erste Zahlung, die wir als Firma bekommen haben, war eine niedrige fünfstellige Summe, die uns ein halbes Jahr finanziert hat. Das reicht jetzt nicht mal mehr für einen halben Monat”, sagt Johannes. Doch man will mehr – und größere Projekte.In Deutschland gibt es nicht so viele risikofreudige Großinvestoren wie beispielsweise in den USA, der Games-Markt ist hier noch nicht so weit entwickelt. Deutsche Publisher machen außerdem lieber Geschäfte mit Firmen aus Osteuropa, da diese billiger produzieren. Für Mimimi liegt die Zukunft deshalb vermutlich in den Märkten der USA und Asien. Aber noch arbeiten sie in Deutschland. Das aktuelle Mimimi-Projekt realisiert das junge Team zusammen mit Daedalic Entertainment, einem Hamburger Studio und einem der wenigen inländischen Partner, der noch an große Neuentwicklungen glaubt. Was genau, darf aber noch nicht verraten werden – so eine Studenten-WG gibt nicht alle Geheimnisse preis.

Foto: Natalie Neomi Isser