Band der Woche: Carl Gari

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Hippie-Sound und elektronische Klangerzeugung. Ein Widerspruch? Für die Münchner Band Carl Gari nicht. Allerdings hauchen die drei jungen Männer einer alten Bewegung, völlig neues Leben ein. Heraus kommt eine spannende Mischung aus elektronischer Club-Musik und glatter Sound-Ästhetik in Verbindung mit dem überraschend zufälligen Klang einer Live-Band.

Dass die Hippie-Bewegung ihr zeitgenössisches Pendant ausgerechnet in diesem Musikstil finden würde, verwundert. Denn so ganz mag die elektronische Klangerzeugung nicht zu der klischeehaften Naturverbundenheit und Natürlichkeit passen, die gemeinhin mit den Hippies assoziiert werden. Künstlich sterile Klänge von Synthesizern – nun, die kommen eigentlich aus den überproduzierten Achtzigerjahren, und die obligaten Beats kennt man aus dem Disco-Sound der Siebzigerjahre.

Doch die Münchner Band Carl Gari (Foto: Jonas Mayer) ist ein weiteres Beispiel für eine Bewegung, die sich gerade durch die alternative Techno-Szene zieht: Immer mehr Insignien der revoltierenden Friedensbewegung der Sechzigerjahre halten dort Einzug. Schon mit der Love-Parade kamen – allerdings in Blödelmanier – Liebe und Frieden als Anspruch zurück auf die Pop-Bühne. Doch erst in den kühlen, dunklen Clubs konnten diese Begriffe ohne ironischen oder belächelnden Beiklang wieder ernsthaft benutzt werden. Denn die Grundstruktur – die psychedelisch verwaschene Kompositionsweise dieser Musik, deren Wirkung sich den Berauschten besonders gut zeigt – liegt sowohl im Techno als auch in den Jams der Rockbands der Sechzigerjahre. Nur dass das, was heute auf Festivals wie dem „Fusion Festival“ in Norddeutschland oder dem „Sinstruct“ in den Südtiroler Alpen läuft, völlig anders klingt als Woodstock-Euphorie.

Carl Gari, die in diesem Jahr bei beiden Festivals auftreten, sind die Live-Variante dieser Bewegung, die sich in München auch bei Veranstaltungen von Techno-Kollektiven wie „Freundestaumel“ oder „Doppelherz“ findet. Die drei Musiker, die sich beim Auflegen und über ein Musiker-Board im Internet kennengelernt haben, vermischen geschickt die Qualitäten der jeweiligen Herangehensweise an Musik: In der elektronischen Club-Musik geht es um Längen, langsame Aufbauten und die Konzentration auf Beats und deren Steigerungen. Doch im Mainstream sei diese Musik oft an eine sehr glatte Sound-Ästhetik gekoppelt, erklärt Jonas Mayer, der sich als Musiker Jonas Yamer nennt und mit Carl Gari derartige musikalische Wege in den rauen, geräuschhaften und viel zufälligeren Klang einer Live-Band packt. Dennoch ist er mit seinen beiden Kollegen weit entfernt von der typischen Rock- oder Popband. Ähnlich einem DJ, der bei der Musikerzeugung eher unscheinbar ist, will die Band auf der Bühne introvertiert wirken, es ginge ihnen um das Hören, nicht um die Show. „Wir klingen eher roh, noisy und dreckig“, sagt Jonas. Dennoch wollen sie eine gewisse Eingängigkeit und Emotionalität mit ihrer Musik schaffen.

Live-Bands, die mit den Kompositionsweisen elektronischer Musik flirten, gibt es öfter, in München etwa Pollyester oder Bartellow. Doch Carl Gari gehören mit ihren psychedelischen Strukturen und der Live-Ästhetik der Musik eben noch ein bisschen mehr zu den elektronischen Neo-Hippies. Diese Vermischung zeigt sich auch in der Produktion ihrer ersten EP: So nahmen sie in Kairo auf Einladung des Goethe-Instituts vier Tracks mit dem ägyptischen Sufi-Sänger Abdullah Miniawy auf. Für die Veröffentlichung konnten sie das Londoner Techno-Label „The Trilogy Tapes“ gewinnen.

Denn bei diesem Rückgriff auf eine mittlerweile so alte Pop-Bewegung wie die der Hippies, benutzen Carl Gari diese Ideen künstlerisch auf eine neue Weise. Und das hebt sie heraus aus der Retro-Lust: Sie sind keine nostalgiefreundliche Kopie der Hippies, sondern haben deren Gedanken in die Gegenwart transferiert und mit ihren zeitgenössischen Vorstellungen vermischt.

Stil: Neo-Live-Techno

Besetzung: Jonas Yamer, Jonas Friedlich, Till Funke (alle Produktion, Synthesizer, Drumcomputer)

Aus: München

Seit: 2012

Internet: www.facebook.com/carlgarimusic

Rita Argauer

Foto:

Jonas Mayer