Band der Woche: KLIMT

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Am 23. März stellt KLIMT ihre neue Platte im Lost Weekend vor. Goldtupfer, grafischer Schmuck und fließende Kleider verwandeln die Musikerin Verena Lederer in eine Kunstfigur. Auf ihrem Debüt-Album 

„Dear Sirens“ taucht der Hörer in eine Welt ein, 

die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist.

In der Zusammenarbeit von Andy Warhol mit Velvet Underground hat sich wohl zum ersten Mal das gezeigt, was sich später Art-Pop nannte; also Pop-Musik, die um diesen gewissen Grad künstlicher ist und inszenierter ist, als das etwa bei Rockmusik der Fall ist. Klar, man darf das nicht unterschätzen: Die Rockgesten, die Haarspray-Frisuren, die zerrissenen Punk-Hosen und all der Weltschmerz sind ebenfalls eine große Inszenierung, ein Markenzeichen und eine Bühnenschau. Doch der Unterschied liegt in der Haltung der Künstler dazu: Denn selbst die von Vivienne Westwood durchgestylten Sex Pistols kamen mit der Einstellung auf die Bühne, hier authentisch den Umsturz zu fordern. Oder die eigene Großartigkeit zu besingen (etwa im Fall von Guns ’n’ Roses) oder sich im eigenen Schmerz zu weiden (im Fall von Nirvana). Authentizität wird hier – trotz aller Inszenierung – hochgehalten. Bei Velvet Underground war das anders. Aber aktuell bei Björk etwa auch: Natürlich verhandeln diese Musiker auch Themen, die sie persönlich betreffen. Aber sie borgen sich die Haltung der Bildenden Künstler dafür: Auf der einen Seite das Kunstwerk, auf der anderen der Künstler – und dazwischen ist ein Unterschied, was aber nicht heißt, dass Kunstwerk und Künstlerpersönlichkeit nicht verbunden wären.

Die Münchner Musikerin Verena Lederer alias Klimt  hat sich einen wesentlich älteren Bildenden Künstler als ästhetischen Überbau gesucht: Gustav Klimt. Dessen weiblichen Jugendstil-Wesen, die mystisch und gleichsam real sind, die keusch und gleichsam sexy wirken, dienen Verena allein äußerlich als Vorbild. Ihre Corporate Identity ist durchgeplant, fließende Kleider, Goldtupfer und grafischer Schmuck, all das verwandelt sie als Musikerin in eine Kunstfigur. Und die lädt die Hörer auf ihrem Debüt-Album „Dear Sirens“ in eine Welt ein, die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist. Doch wer da Salonwalzer-Klänge oder dergleichen erwartet, wird enttäuscht. Denn Verena ist klug genug, diese äußere Haltung auf ganz und gar zeitgenössische Musik zu transferieren.

Zusammen mit Markus Sebastian Harbauer, der auch Bass bei Exclusive spielt, hat Verena ein Album produziert, dem ihre Wurzeln als Songwriterin kaum noch anzuhören sind. Denn hier wird eigenständige Musik auf einem Niveau produziert, das eher an Feist als an Silbermond denken lässt. Klanglandschaften, Soundscapes, elektronisches Geblubber und alte Synthesizer dominieren die musikalische Ästhetik. Darauf arbeitet Verena mit ihrer Stimme ebenso experimentell: Mal klingt sie nur wie ein vorbeiziehender Hauch. Mal überträgt sie den Inhalt ihrer Texte auf die Komposition, wie etwa in „My only enemy“. Hier erklärt sie sich selbst zu ihrem einzigen Feind, dementsprechend doppelt sie ihre Stimme im Song, hier singen zwei Verenas gegeneinander an, nur um sich im zweiten Teil des Liedes zu neuer Kraft zu vereinigen. 

Solche Tricks sind schon ziemlich klug und graben tief. Die Musik, die auf den ersten Blick eben oberflächlich sehr durchgestylt wirkt, zwirbelt sich mit innerer Logik auf tieferen Ebenen fort. Was dabei herauskommt, ist dann alles eher dunkel, eher ein bisschen morbid und handelt von Ängsten und Zwängen. Und trotzdem trägt das eine entrückte Eleganz in sich. Wie eben auch Gustav Klimts Bilder, etwa dessen schillernde Judith mit dem Kopf von Holofernes, der aber völlig unwichtig am Bildrand klebt. Ein halbes Jahr haben Verena und Markus im Studio an den acht Songs gearbeitet. Das ist keine dahingeworfene Produktion. Die Künstler wollen mehr mit dieser Platte, die am Freitag, 23. März, mit einer Party im Münchner Lost Weekend vorgestellt wird.

Foto: Sophie Wanninger
Text: Rita Argauer