Mal zerbrechlich, mal elfenartig

Michael Färber, 27, fotografiert junge Frauen mit traurig-schönem Blick. „Jeder Mensch hat eine Art, verletzlich zu sein. Diese Mischung von Gefühlen will ich mit meinen Fotos ausdrücken“, sagt er.

Verträumt schaut sie nach draußen. Auf der Scheibe läuft das Wasser in dicken Tropfen herunter. An manchen Stellen ist das Fenster leicht beschlagen. Graue Wolken, graue Tage – seit Wochen. Gerade waren sie mit dem Auto stehen geblieben. Der Regen hörte nicht auf, genau wie der Gedankenfluss in ihrem Kopf. Keiner der Passanten konnte ahnen, dass diese blonde Frau mit dem melancholischem Blick … Nein, das ist nicht der Anfang einer Kurzgeschichte. Es ist nur eine von tausend möglichen Geschichten, die die Fotos von Michael Färber erzählen könnten. Oder die man sich beim Betrachten seiner Bilder ausdenken könnte.

Der junge Fotograf, der seine Haare meist auf eine Seite gegelt trägt, hat schon oft gehört, dass seine Fotos einen filmischen Charakter hätten. Deshalb auch der Zusatz nach seinem Namen auf seiner Facebook-Seite, der an einen Filmtitel erinnern soll: Watching The World Photography. Häufig wirken die Aufnahmen des 27-Jährigen Münchners wie ein eingefrorener Augenblick aus einem Märchen(-film).

„Die Locations für meine Shootings finde ich meistens, während ich mit meinem Hund rausgehe“, sagt er. Wer seine Fotos kennt, weiß: Die Natur ist ein wichtiges Element. Fast alle Fotos nimmt er im Freien auf: Blumen, Wiesen, Sträucher, Wälder, Wasser oder auch mal eine U-Bahn-Haltestelle. Alles Orte, die immer wieder auf Michaels Fotos zu sehen sind.

Am Anfang seiner Karriere hat er viele Landschaftsfotos gemacht. Tiere
habe er fotografiert, aber auch Makroaufnahmen seien hin und wieder
dabei gewesen. Doch es gibt noch eine Besonderheit im jetzigen Stil des
Fotografen: Meistens porträtiert er junge Frauen mit traurig-schönem
Blick. Die jungen Frauen wirken auf den Fotos mal zerbrechlich, mal
schon fast elfenartig. Die Stimmung der Fotos ist sehr emotional, das
Licht eher dunkel und bläulich gehalten. „Tageslicht verbinde ich mit
Glücklichsein und Sonnenschein. Abend- und Nachtstimmung hingegen eher
mit Trauer und Melancholie. Jeder Mensch hat eine Art, traurig und
verletzlich zu sein. Diese Mischung von Gefühlen will ich mit meinen
Fotos ausdrücken“, sagt Michael. Er selbst sei auch ein nachdenklicher
Mensch, was nicht bedeute, dass er ständig in seinem Zimmer hocke und
grüble. Solche Emotionen zeigt man eher, wenn man alleine ist. Und genau
diese Art von Gefühlen hat er eben als Reiz für seine Fotos gefunden.
Das ist schon fast so etwas wie sein Wiedererkennungsmerkmal geworden.

Dass seine Bilder beim Publikum ankommen, beweist nicht nur seine Facebook-Seite mit mehr als 31 000 Likes. Er bekommt auch Magazinanfragen aus aller Welt. Auf der Plattform „Photovogue“ der italienischen Vogue beispielsweise wurden seine Fotos aufgenommen. Die Plattform der Vogue soll es talentierten Fotografen ermöglichen, einem internationaleren Publikum bekannt zu werden. Die Fotos kann jeder einschicken. Bildredakteure der Vogue treffen dann die strenge Auswahl an Fotos, von denen sie meinen, sie sollten auf ihrer Seite gezeigt werden.

Aber das ist noch nicht alles: Im vergangenen Jahr hat Michael an einem Handbuch über Fotografie mitgeschrieben. „Das authentische Porträt“ ist der Titel, das Buch erschien im Rheinwerk-Verlag. Neun Fotografen erklären darin, wie gefühlsstarke Porträts entstehen können. Geordnet ist das Buch nach den diversen Stimmungen, die man auf Fotos vermitteln kann. Die jeweiligen Fotografen geben in ihren Texten Einblicke in die verwendete Technik, erzählen von Shootings und ihren persönlichen Erfahrungen. Der Leser kann sich so für seine eigene Arbeit inspirieren lassen.

Wie kommt man aber als junger Mensch zu einem so schnellen Erfolg, zu
so einer Reichweite? Vor allem dann, wenn man wie Michael erst vor
ungefähr sieben Jahren, als Quereinsteiger zur Fotografie gekommen ist.
Soziale Medien spielen hier keine nebensächliche Rolle. „Ich bin bei
500px angemeldet“, das sei ähnlich wie Facebook, nur ohne Status und
Schnickschnack, vielmehr ist die Seite nur für die Interaktion zwischen
Fotografen und Kreativen gedacht. „Irgendwann ist ein Mitarbeiter von
500px auf meine Fotos aufmerksam geworden und hat mich dann als „User to
follow“ für alle Neuregistrierungen aufgelistet, weil den Leuten von
500px meine Bilder so gut gefallen haben“, fährt er fort. All
diejenigen, die sich neu angemeldet haben, wurde also Michael Färbers
Profil vorgeschlagen. Und so kam eines zum anderen. Es folgten
Magazinanfragen und auch jenes Angebot für die Mitarbeit an dem Buch
erreichte ihn über diesen Weg.

Nicht jeder hat das Glück,
mehr oder weniger zufällig im Internet entdeckt zu werden. Seitdem man
bei Facebook Likes kaufen kann, geht die Reichweite einzelner Seiten
zurück. Um dem entgegenzuwirken, hat Färber vor drei Jahren zusammen mit
seinen Freunden Sebastian Hübner und Marco Bekk den virtuellen
Non-Profit- Showroom „Photographica“ gegründet. „Dadurch, dass wir die
Arbeiten vieler verschiedener Fotografen featuren, spricht man
automatisch ein größeres Publikum an“, sagt Michael. „Photographica“
gibt auch denjenigen eine Möglichkeit, die eine kleine Reichweite auf
sozialen Netzwerken haben. „Ich finde, jemand der wahnsinnig tolle Fotos
macht, aber wenige Likes hat, hat es trotzdem verdient, ein größeres
Publikum zu bekommen.“ Es sei quasi eine Sammlung aus verschiedenen
Foto-Stilen und gleichzeitig auch kostenlose Werbung für Fotografen aus
aller Welt. Das Feedback sei bisher sehr positiv gewesen. „Man hat
dadurch auch die Chance neue Leute kennenzulernen und Kontakte zu
knüpfen“, sagt der junge Fotograf.

Die Leidenschaft für die Arbeit mit der Kamera hat er über einen Freund entdeckt, der an der Deutschen Pop studiert hat. Michael hat diesem in seiner Freizeit bei Shootings geholfen – bis er es dann einfach selbst ausprobieren wollte und seinem Kumpel die alte Kamera abkaufte. „Da hat es dann angefangen“, sagt Michael.

Nach der Schule wollte er studieren, aber nicht Fotografie. Die erste
Studiumswahl – Lehramt mit der Kombination Deutsch und Englisch –
erwies sich jedoch als unpassend. Er brach ab. Zwischendurch arbeitete
er in einem Start-up im Sales und Marketing. Heute absolviert er ein
duales BWL-Studium. „Ich möchte einen Abschluss in der Hand haben.
Später will ich nicht vom Fotografieren abhängig sein. Als Fotograf hat
man schließlich auch mal Aufträge, die einem vielleicht nicht so gut
gefallen. Man ist dann eben Dienstleister.“ Aufträge sollte man
zumindest regelmäßig haben, denn ohne Aufträge, kein Geld. Dies sei ihm
dann doch etwas zu riskant. „Ich bin jemand, der auch Sicherheit
braucht. Neben der Festanstellung habe ich als freiberuflicher Fotograf
viel mehr Freiheiten. Wenn ich dann Geld für einen Auftrag bekomme, ist
das natürlich ein großes Plus. Aber so kann ich machen, was mir Spaß
macht“, betont er.

Für die Ausstellung „10 im Quadrat“ der
Junge-Leute-Seite hat er auch Männer porträtiert und es geschafft,
trotzdem seinen Stil zu bewahren. Jeder Fotograf habe schließlich so
etwas wie eine eigene Handschrift, sagt Michael. Er ist trotzdem offen
für neue Projekte und die Ausstellung im Farbenladen wird er nicht
vergessen. „Es ist die erste Ausstellung, in der ich Arbeiten von mir
zeigen kann. Das ist schon etwas Besonderes.“

Text: Ornella Cosenza

Fotos: Michael Färber