Band der Woche: Occupanther

Erobern kann etwas großartiges sein, zumindest aus rein musikalischer Perspektive. Das beweisen Martin Brugger und Carlos Cipa, die als Occupanther die Grenzen zwischen Klassik und Clubmusik verschwimmen lassen.

Erobern? Erst einmal wirkt das fast ein wenig aggressiv. Doch in der Musik hat das Wort eine andere Bedeutung. Denn es passiert meistens etwas Neues, wenn Künstler beginnen, sich etwas zu eigen zu machen, was eigentlich nicht in ihren künstlerischen Rahmen passt. Wenn Musiker sich auf ein musikalisches Terrain begeben, das eigentlich nicht das ihre ist. Da fehlt es dann zwar vielleicht an Expertise. Gleichzeitig entstehen aber aus diesem genauen Hinhören und dem Erforschen wie dieser fremd scheinenden Musik ganz herrliche Sachen. 

Jemand, der diesen Eroberungsstil derzeit mit am edelsten vollzieht, ist der Münchner Martin Brugger. Als Musiker nennt er sich Occupanther. Und da steckt es natürlich schon im Namen, dieses Okkupieren, das in seiner elektronischen Musik eben raubkatzenelegant geschieht. Aber während er sich zu Beginn seiner Solo-Arbeiten noch auf das Einverleiben von Popmusik konzentrierte und etwa eine Zusammenarbeit mit Josie-Claire Bürkle, der Sängerin der Münchner Band Claire, veröffentlichte, hat er sich nun noch einen Schritt weiter gewagt. Zusammen mit dem Münchner Neo-Klassik-Komponisten Carlos Cipa hat er am vergangenen Mittwoch eine EP veröffentlicht, die in ihren Grenzerforschungen und Genre-Vermischungen noch einen Schritt weiter geht und weit über beider bisherigen Arbeiten hinausragt.

Unter dem Titel „Trow“ haben die beides es geschafft, ihre Lust an Klangforschung und Abstraktion in ein ausgesprochen zugängliches Gewand zu stecken. Martins Beats, seine Synthie-Melodien, seine Loops und Samples treffen dabei auf Carlos’ verlorene Klavierakkorde, auf im wahrsten Sinne unheimliche, weil unbekannte Tonfolgen und auf dessen Instrumenten-Sammlung: „Während ich vor allem mit Samples und am Rechner arbeite, hat Carlos in seinem Studio einen bunten Mix aus schönen und teilweise sehr seltenen Instrumenten stehen“, erzählt Martin, zusammen könnten sie also praktisch jeden Sound erzeugen, den sie sich vorstellen können. Das ist vollmundig ausgedrückt, trifft aber auf diese an Klängen so reiche EP tatsächlich zu. Die wirkt, als hätte es von der Idee der Musik zu ihrer Umsetzung und dem Erklingen relativ wenige Hürden gegeben. So, als treffe die Neo-Indie-Klassik eines Ólafur Arnalds auf ein wenig mehr Elektronik und Beats, als das bei solcher Musik bisher der Fall ist. Denn auch wenn die Tracks meist sphärisch und ruhig beginnen, fährt oft doch Tanz- und Club-Lust durch Martins vertrackt interessante Beats dazwischen. Songs, die aus Zufallsgeräuschen, aus Improvisationen, aus Klavieren, Tasten oder Samples aus Martins Plattensammlung erzeugt wurden und live im Studio eingespielt worden sind.

Martin, der zuvor Bass bei der Münchner Indie-Band This Is The Arrival spielte, nebenher Jazz-Bass an der Musikhochschule in München studierte und vor drei Jahren als Occupanther mit seinem Solo-Projekt begann, lernte Carlos vor gut einem Jahr kennen, weil er einen Remix für den Münchner Komponisten machte. Und die Bezeichnung Komponist ist bei Carlos durchaus angebracht, immerhin kommt der aus der Klassik und studierte unter anderem Komposition. Neben ihrer eigenen Musik haben die beiden noch Musik für eine Fernsehserie geschrieben, die Ende kommenden Jahres ausgestrahlt wird. Doch erst der Grenzgang und das Einnehmen des jeweils anderen Genres in ihrer freien Zusammenarbeit machen die Musik der beiden so spannend. Selten wurde ein Grenzbereich außerhalb der Komfortzone des eigenen Stils lebendiger und zugänglicher vertont. Unter www.yesoccupanther.bandcamp.com/album/trow-ep steht die Musik zum kostenlosen Stream bereit.  

Occupanther

Stil: Neo-Indie-Club-Musik

Besetzung: Martin Brugger alias Occupanther, Carlos Cipa

Aus: München

Seit: 2015

Internet: carloscipa.com   facebook.com/yesoccupanther


Text: Rita Argauer

Foto: Conny Mirbach