Natürlich ist es das Schönste, seinen Freunden im hier und jetzt hautnah gegenüberzustehen. Doch was, wenn diese Momente alltagsbedingt zur Seltenheit werden? Was man sich früher in seitenlangen Briefen zu sagen hatte, lässt sich heutzutage ganz einfach in Sprachmemos verpacken.
Ende der Konferenz. Noch in Gedanken versunken tippe ich auf
meinem Smartphone herum und warte bis Anna ran geht: „Schon fertig? Wo sollen
wir uns treffen?“
Als ich an der Fraunhoferstraße aussteige, sehe ich schon von
Weitem ein Mädchen mit braunen Locken auf mich zu laufen. Ein breites Grinsen
im Gesicht. Es fühlt sich gut an eine meiner besten Freundinnen wieder in den
Arm zu nehmen. Früher sind wir jeden Morgen zusammen zum Bus gelaufen, nun
treffen wir uns nur noch ein paar Mal im Monat und füttern uns während der
Woche mit viel zu langen Memos via WhatsApp, in denen wir uns gegenseitig von
unserem Alltag erzählen.
Wir sitzen auf einer kleinen Terrasse, bestellen beide einen
Cocktail und genießen einige letzte Sonnenstunden. Wir setzen unser Gespräch
fort, welches wir heute Morgen als Sprachnachricht begonnen hatten. Nun in
„Reallife“ versteht sich. So nennen Anna und ich es immer, wenn wir es doch Mal
schaffen uns von Face-to-face zu sehen, wie es unter Freunden eigentlich normal
ist. Immer dann, wenn wir nicht nur auf unsere moderne Art der
Brieffreundschaft zurück greifen. Denn auch wenn ich mich an diese
Kommunikationsform gewöhnt habe, so ist es doch etwas ganz Anderes das schöne Lachen
meiner Freundin nun zu sehen und nicht nur hören zu können.
Doch egal ob als Audio oder nun im „Reallife“, unsere Gespräche
sind dieselben, wie schon damals auf dem morgendlichen Weg zum Bus: verdammt
ehrlich, viel zu nachdenklich, überaus amüsant und geprägt von immer noch derselben
jungendlichen Leichtsinnigkeit und Lebensfreude. Vielleicht nur ein Stück weit
erwachsener.
Die Gesprächsthemen wollen uns einfach nicht aus gehen. In
wenigen Minuten muss ich zur S-Bahn. Anna drückt mich noch einmal fest und wir
verabreden uns für’s nächste Mal. Eine Woche später. Vielleicht auch zwei. Im
„Reallife".
Montagmorgen wache ich auf und greife nach meinem Handy. Lächelnd
entdecke ich eine vierzehn minütige Audio in meinen WhatsApp Kontakten. Ich
höre mir an, was Anna zu erzählen hat. Nebenbei notiere ich mir Stichpunkte, um
in meiner Antwort-Memo auch ja nichts zu vergessen. Nach 14 Minuten steht auf
meiner Liste: Detox-Plan, Klausurenphase, Wiesnzeit und noch einige Namen von
Personen, die sie in ihrer Sprachnotiz erwähnt hatte. Nach der Schule spicke
ich kurz und beginne zu antworten. Viel zu lange 18 Minuten.
Immer zu werden unsere Memos belächelt und doch sitze ich
mehrmals die Woche alleine in meinem Zimmer und quatsche in mein Handy, erzähle
von banalen Kleinigkeiten, wie dem neuen YouTube-Video, das ich neulich erst
entdeckt habe und der stressigen Prüfungszeit.
Diese moderne Art der Brieffreundschaft ist ganz schön praktisch,
aber nichts im Vergleich zu unseren Treffen im realen Leben. So freut es mich
jedes Mal aufs Neue, das Lachen meiner Freundin auch zu sehen und nicht nur
hören zu können.
Von: Anastasia Trenkler
Foto: Yunus Hutterer