Wie Zuckerwatte


Alina Maria Birkner, 26, studiert an der Akademie der Bildenden Künste und gehört zu den talentiertesten Nachwuchskünstlern Münchens. Ihre Werke sind empfänglich für Assoziationen, Erinnerungen und Gefühle. Hipster-Kunst, könnte man meinen. Aber es steckt mehr dahinter. Längst verfolgen Kunstsammler ihren Werdegang im Internet

Von Valerie Präkelt

Abstrakte Malerei und Quantenphysik passen auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammen. Beim Malen aber inspiriert die Wissenschaft Alina Maria Birkner, 26. „Ich höre fast immer Vorträge, während ich male,“ erzählt die Künstlerin im Münchner Offspace super+Centercourt. Hier, im kleinen Ausstellungsraum in der Türkenstraße, lehnen noch bis zum 21. Februar vier großformatige Malereien der Akademiestudentin an den weißen Wänden. „I am a rainbow, too“ heißt die am 8. Januar eröffnete Ausstellung, weil die aufgemalten Neonrahmen von links nach rechts betrachtet einen Regenbogen ergeben. Gefüllt werden die zwei mal 1,5 Meter großen Leinwände mit flimmernden Pastellfarben. Sie erinnern an einen farbenprächtigen Wolkenhimmel in warmem Licht, wärmer zumindest als das, was München dieser Tage zu bieten hat.

Alina Maria Birkners Malereien entführen in andere Welten. Das klingt kitschig – aber die abstrakten Malereien begeistern nicht nur am Vernissage-Abend zahlreiche Besucher, sondern auch am Tag darauf. Während des Interviews bleiben draußen immer wieder Menschen stehen, machen Fotos mit dem Smartphone oder stecken einen Ausstellungszettel ein. Der Raum, den das Künstlerkollektiv „super+“ seit Mai 2014 betreibt, war früher eine offene Passage, in den Sechzigerjahren verkleidete die Stadt sie mit Wänden, damit dort Obdachlose nicht mehr übernachten konnten.

Alinas Bilder sind durch die großen Schaufenster auch von außen gut zu sehen. Überhaupt hat es den Anschein, als könne Schwabing sich ihrer Kunst derzeit nicht entziehen: Nicht nur im super+Centercourt, sondern auch im Easy!Upstream (ebenfalls Türkenstraße) hängen Bilder der Künstlerin. In der Akademie wird sie vom 2. Februar an ausstellen; ein Fresko, das sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic malte, ist noch bis September 2016 in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

Alina scheint ihr Talent von den Eltern geerbt zu haben. Ihr Vater René Birkner malt die großformatigen Kino-Plakate für die City Kinos und das Kino am Sendlinger Tor, Mutter Alicja Podgórska Birkner ist Bildhauerin und Designerin, der kleine Bruder Balletttänzer. Beste Voraussetzungen also für eine Künstlerkarriere: Mit 19 bewirbt Alina sich an der Akademie der Bildenden Künste in München und lernt fortan in der Klasse des französischen Malers Jean-Marc Bustamante. Damals überzeugte sie mit großformatigen Porträts, ihren eigenen Stil hat sie schließlich in der abstrakten Malerei gefunden. „Ich muss zugeben, dass ich das meiste nicht an der Akademie, sondern von meinen Eltern gelernt habe“, sagt Alina, die ihr Studium im Februar abschließt. Was kommt danach? Eine Residency, also ein Künstlerstipendium in einer anderen Stadt oder einem anderen Land, wäre toll. „Am liebsten in Amerika.“ Aber für eine Residency muss man gut sein. Richtig gut. Und: Künstler gibt es wie Sand am Meer.

Allerdings übertreibt man nicht, wenn man behauptet, dass Alina Maria Birkner derzeit wohl zu den talentiertesten Nachwuchskünstlern Münchens gehört. Das hat mehrere Gründe: Alina verleiht der immer wieder totgesagten Malerei ein frisches, hippes Gesicht. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit spielt sie mit Farben und Licht. Rosali Wiesheu, Kuratorin im super+Centercourt, erinnern Alinas Arbeiten, wie sie sagt, „an Zuckerwatte, die sich im Mund auflöst“. Das zeigt, wie empfänglich Alinas Kunst für Assoziationen, Erinnerungen, und Gefühle ist. Hipster-Kunst, könnte man meinen. Aber es steckt mehr dahinter.
In Alinas Arbeiten kann man sich verlieren. Am besten lässt sich das mit einem Phänomen erklären, dass man von Mark Rothko, dem Wegbereiter der Farbfeldmalerei, kennt. Von Rothkos besten Bildern sagt man, dass die Farben schimmern, wenn man sie länger betrachtet, der Betrachter tauche dann ganz in das Bild ein.

Darin steckt auch Alinas Magie, von der sich die Gäste der Vernissage gerne mitreißen lassen. Die enge Atmosphäre des Raums führt dazu, dass Fremde plötzlich miteinander über Kunst diskutieren, ganz, als wären sie auf der Ausstellung eines Starkünstlers. Es zeigt, wie ernst die Künstlerin mit den langen, braunen Haaren bereits genommen wird – auch von Menschen, die keine großen Kunstkäufer sind und vielleicht auch nie zu solchen werden. Dabei geht es Alina in der aktuellen Ausstellung nicht darum, Bilder zu verkaufen. „Aber wenn es so wäre, würde ich natürlich nicht nein sagen“, sagt sie und lacht. Es ist einer der Punkte, den die junge Malerin – wie übrigens viele andere Akademiestudenten – an der elitären Ausbildung kritisiert: Zwar feilt man an Technik und Intellekt, aber über den Markt wird nicht gesprochen. Dabei müssen junge Künstler ihr Leben, vor allem in einer teuren Stadt wie München, finanzieren können. Und zwar am besten von ihren Kunstwerken und nicht von einem 450-Euro-Aushilfsjob.

“Auf Instagram folgen ihr
fast 7000 Menschen, beobachten
ihre Arbeiten, ihre Entwicklung”

Die großformatigen Bilder, die Alina im super+Centercourt zeigt, kosten 5900 Euro. Das erzählt die Künstlerin ganz offen, wendet aber auch hastig ein, dass der Preis auf Grund der Größe deutlich höher ist als etwa signierte und limitierte Prints, die sie bereits ab 160 Euro verkauft. Über das Internet hat sie davon schon zahlreiche in die ganze Welt verschickt, unter anderem nach Amerika und Neuseeland. Der Ort, an dem sich internationale Künstler und Kuratoren, Galeristen und Sammler vernetzen können, ist Alinas Marktplatz. Vorerst zumindest, solange sie noch nicht von einer Galerie vertreten wird.

Alina gehört zu der Generation der Künstler, die Plattformen wie Instagram gezielt für die Vermarktung ihrer Arbeit nutzen. Auf Instagram folgen ihr fast 7000 Menschen; beobachten ihre neuesten Arbeiten, ihre Inspirationen, ihre Entwicklung. 7000 Follower mag in Zeiten, in denen Beauty- und Modeblogger mit ihren Accounts ein Millionenpublikum erreichen, nicht nach allzu viel klingen. Aber Alina folgen Szeneberühmtheiten, bei denen zahlreiche Galeristen und Künstler vor Neid erblassen würden.

 Da wäre zum Beispiel Simon de Pury. Kunstsammler und Auktionshausgründer – schwerreich, versteht sich. In der Kunstwelt gibt so jemand den Ton an. Oder Stefan Simchowitz, Supersammler aus Südafrika, der in der Kritik steht, bei jungen Künstlern die Preise gezielt nach oben zu treiben. Dass diese internationalen Player wissen, wer Alina Birkner ist, gilt als ein ziemlich großes Kompliment. Abheben lässt das die Münchnerin, die man meist nur gut gelaunt erlebt, nicht. Sie bleibt entspannt, lässt „die Zukunft auf mich zukommen.“ Ganz wie der berühmte Quantenphysiker Albert Einstein einst sagte: „Ich sorge mich nie um die Zukunft. Sie kommt früh genug.“

Copyright: Courtesy of the artist

Foto: Korbinian Vogt