Böse Blubberblasen

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Der Tod schlägt im Sonnenlicht bunte Blasen. Da steht er, auf der Spüle. Und ich stehe am Fenster und esse von einem fettglänzenden Teller. Das war nicht immer so. Oh nein, es gab eine Zeit, da war mein Geschirr fettfrei. Spülmittel versetzt mich erst seit Kurzem in Todesangst.

Es hat alles damit begonnen, dass ich eine Doktorandin der Biochemie zu Besuch hatte. Menschen, die sich mit Chemie auskennen, mögen unter Umständen bezaubernde Zeitgenossen sein. Aber man sollte sie nicht in die Wohnung lassen!

Wir spülen gerade ab, als die Biochemie-Doktorandin mich traumatisiert. Wenn man das Spülmittel nicht richtig vom Geschirr wäscht, sagt sie, gelangt es beim Essen in den Körper und zersetzt das Fett in den Zellen. Klingt wie ein super Diätmittel, löst aber leider Krebs aus. Ich weiß, ich weiß: heutzutage löst alles Krebs aus, aber noch nie konnte ich mir das so anschaulich vorstellen wie jetzt, wo ich meine Zellen platzen sehe wie bunt schillernde Spüli-Blasen.
Menschen, die sich mit Chemie auskennen, können sehr verständlich darstellen, warum eine Substanz gemeingefährlich ist. Und sie machen davon mindestens fünfzehn im Haushalt ihrer Gastgeber ausfindig, bevor man ihnen auch nur etwas zu Trinken gebracht hat. Das Problem ist leider, dass man bis zum nächsten Morgen die Namen von mindestens vierzehn der Substanzen wieder vergessen hat und bei der fünfzehnten nicht weiß, wie ihr Gefahrenpotential einzudämmen ist. Wann ist das Spülmittel denn nun richtig vom Geschirr abgewaschen?

Besuche von Chemiestudenten hinterlassen das ungute Gefühl, das eigene Zuhause habe sich in ein Minenfeld auf Molekularebene verwandelt: Jedes Glas Wasser aus einem falsch gespülten Glas könnte das eigene Leben um wertvolle Zeit mit den Enkelkindern verkürzen, jede Essiggurke, die Di-Dingsbums-hydro-was-auch-immer-Phosphat enthält, könnte einen langsamen, qualvollen Tod bedeuten. Und das Schlimmste an all dem: Wer weiß schon, ob es nicht sogar gesünder wäre, niemals von den Gefahren im eigenen Haushalt erfahren zu haben? Vielleicht ist es für den Organismus ja bekömmlicher, Spülmittel en masse zu vertilgen, als in ständiger Angst vor bösen Blubberblasen zu leben. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.