Fremdgänger: “Shpatsel Brats” in Kalifornien

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. Unter all den neuen Eindrücken aus der großen, weiten Welt ruht aber die Sehnsucht nach der Heimat. Katharina studiert an der University of California, Berkeley, und wundert sich über die eigenartige Essenskultur der Amerikaner. 

Manchmal träume ich von einem Stück Käse. Es ist groß. Ich kann dicke Scheiben davon abschneiden und sie in aller Ruhe essen. Dann wache ich auf und bin in Kalifornien, wo ein mittelgroßes Stück Brie ein deutlich sichtbares Emmentaler-Loch ins Budget einer studiengebührengeplagten Studentin reißt. Alles, was keine hauchdünne, in Plastik eingewickelte Sandwich-Scheibe ist, würde preislich gesehen sogar die Händler auf dem Viktualienmarkt vor Neid käsebleich werden lassen.

Zum Glück bringen spendable Gäste gerne eine Käseplatte zu Festen aller Art mit, in deren Nähe ich mich dann möglichst unauffällig und ausdauernd aufhalte. Das wichtigste kulinarische Fest im Jahr ist Thanksgiving: Die Thanksgiving-Parade – im Grunde eine stundenlange Abfolge von Werbespots, aber die sind zugegebenermaßen sehr unterhaltsam – läuft im Fernsehen, während man sich die ersten Knabbereien gönnt. Gleichzeitig brät der Truthahn im Ofen und damit ausnahmsweise nicht in der Mikrowelle. Die Füllung, die oft komplett außerhalb des Geflügels zubereitet wird, duftet schon nach warmem Brot und Preiselbeeren. Sobald alles fertig und das Football-Spiel vorbei ist, essen alle Anwesenden mehr, als sie je für möglich gehalten hätten. Ich hatte vor meinem ersten Thanksgiving in Kalifornien so viele Klischees im Kopf – interessanterweise sind sie alle wahr.

Lachen muss ich dagegen über die gängigen „Amerikaner essen nur Fastfood“-Klischees, die sich ja hartnäckig halten, drüben in Deutschland. Die Auswahl an wunderbar authentischen mexikanischen, chinesischen, japanischen, einfach internationalen Restaurants ist gigantisch – da kann München von träumen. Klar, im Mittleren Westen sieht das wieder anders aus, aber Kalifornien kommt mir ziemlich oft wie das Schlaraffenland vor.

Auch deutsches Essen ist mittlerweile sehr beliebt in der Bay Area. Von „Shpatsel Brats“ und anderen deutschen Spezialitäten schwärmen meine amerikanischen Freunde. Ein deutsches Restaurant braucht hier auch unbedingt einen extravaganten Namen. Der ist aber schnell gefunden: Man nehme einfach irgendein – wirklich: irgendein – deutsches Wort, das entfernt mit Essen zu tun hat. Da hätte ich fast ein bisschen Lust, auch so einen Hipster-Laden aufzumachen: „Forelle im Vollrausch“ würde er heißen. Und während man in München Birkenstämme oder unbequeme Metallhocker ins moderne Restaurant schmeißt, könnte ich hier vielleicht mit karierten Tischdecken und unpraktisch-überdimensionierten Geranienkästen auf den Tischen punkten.

 Aber eigentlich ist exotische internationale Cuisine für den örtlichen Hipster auch schon ziemlich ausgelutscht. Da muss langsam etwas Neues her. Die simpelste Art der Innovation? Einfach alles, was davor sowieso schon da war, wird kreuz und quer wild kombiniert. Philippinischer Adobo-Burrito? Immer her damit. Mexikanisches Sushi? Der Laden ist voll. Oder in drei Wochen pleite, aber die Leute haben wenigstens darüber geredet.

Text: Katharina Hartinger

Foto: Privat

Fremdgänger: Richtig wichtig nichtig

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der ein oder andere Kulturschock. Unter all den neuen Eindrücken aus der großen, weiten Welt ruht aber die Sehnsucht nach der Heimat. Unsere Autorin Katharina erzählt heute, warum sich der grantige Münchner auch einmal ein wenig Smalltalk aneignen sollte.

Der Smalltalk ist der Feind des Münchners. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls vor meiner Abreise nach Kalifornien bekommen: Mehrheitlich ließen sich meine Freunde darüber aus, wie sehr es sie nerven würde, ständig mit Fremden über Nichtigkeiten zu plaudern, wie es der Amerikaner an sich eben tut. Oder wie der Münchner denkt, dass es der Amerikaner tut.

Neulich war ich dann im Supermarkt hier in Berkeley. Ich hatte mich endlich zwischen länglichen oder runden, grünen oder gelben Zucchini sowie Auberginen in den Varianten dunkellila oder helllila mit weißen Tupfen entschieden und stand an der Kasse. Der Kassierer bemerkte meine „SF Giants“-Baseball-Kappe und fragte mich, ob ich das Spiel der Baseballer aus San Francisco am Abend zuvor gesehen hätte. Hatte ich nicht. Ich hatte auch insgesamt nicht mehr als zwanzig Minuten irgendeines Giants Spiels in dieser Saison gesehen. Aber das macht ja nichts. Er erzählte mir von der peinlichen Pleite, wir machten Witze über den Pitcher und uns gegenseitig Mut, dass das mit den Playoffs doch noch klappen könnte. Es ist so simpel wie wundervoll. Jemand sagt etwas Nettes zu dir. Du sagst etwas Nettes zurück. Der andere Mensch lächelt, du lächelst, der Tag ist ein kleines bisschen besser. Man kann das oberflächlich finden, schließlich geht es in den seltensten Fällen um mehr Substanzielles als die beachtliche Größe der Wassermelone im Einkaufswagen des anderen. Oder man freut sich einfach darüber.

Eine Sache der Einstellung und der Gewöhnung. Wahrscheinlich würden viele Münchner Studenten auch glatt über ihre eigenen Ugg Boots stolpern, wenn ihnen jemand in der Mensa im Vorbeigehen ein Kompliment zuruft. Der ist bestimmt komisch. Oder gar gefährlich? Einfach nur freundlich – das ist hier die gängige Interpretation.

Aber diese Umstellung ist nicht nur für grantige Münchner hart. Auch einer meiner philippinischen Freunde war am Anfang eher eingeschüchtert von so viel Gesprächsbereitschaft. Heute ist das kaum zu glauben – denn niemand schafft es so gut wie er, dank charmanter Gesprächsführung besonders viele Gratisproben auf dem Farmers’ Market zu bekommen. Das ist dann quasi das nächste Level.

Und was ist die Königsdisziplin im Smalltalk? Für mich zweifellos der Small-Schrei. Der ist immer dann nötig, wenn du dem Busfahrer beim Aussteigen durch den vollbesetzten Bus hindurch ein „Dankeschön! Schönen Tag noch!“ zubrüllen willst. Das gehört hier zur Busfahrt genauso dazu wie der Drogenabhängige auf der Rückbank. Noch habe ich ein paar Monate, um die Tonlage zu perfektionieren.

Text: Katharina Hartinger

Photo: Privat