Band der Woche: Cat & the Kings

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Das Album von Cat & the Kings ist wunderbar ausgewogen und bekommt Tiefe und Glanz durch bedachte Details in den Arrangements. In den Songs geht es um die Höhen und Tiefen des Lebens, mit denen sich jeder konfrontiert sieht.

Es ist erstaunlich, dass es so viele Musiker gibt, die sich als Singer-Songwriter sehen und sich mit der Akustik-Gitarre begleiten – und an diesem Punkt stehen bleiben. Nicht, weil man auf Akustik-Gitarren nicht wunderbare Songs schreiben könnte. Sondern, weil es bei vielen Songwritern so wirkt, als würde die Musik dabei in einem Zwischenstatus steckenbleiben. Die Harmonien sind an der Gitarre gefunden, der Text ist melodiös darauf gesetzt. Aber eigentlich fängt ja jetzt die Arbeit erst an, aus diesem Gerüst einen Song zu bauen, die Leerstellen mit Stil und Ideen anzufüllen und dann eine wie auch immer instrumentierte Musik zu präsentieren. Es gibt talentierte Glückskinder, denen reicht Gitarre und Gesang aus, um daraus mitnehmende Musik zu machen: den Surfer-Boy Jack Johnson oder den Hipster-Waldschrat Bon Iver. Doch es gibt auch viel Songwriter-Musik, deren Potenzial in der bloßen Besetzung aus Gitarre und Stimme nicht ausgeschöpft ist und die Musik eben beliebig und gleichsam provisorisch klingt.

In dieses Gefahrenfeld begibt sich Conny Merritt nicht. Die Münchner Musikerin, die an der Berufsfachschule für Jazz und Pop lernte, weiß genau, wann ein Song trägt. Das ist auf ihrem ersten Album „The Great Unexpected“, das sie 2017 mit ihrer Band Cat & the Kings  veröffentlicht hat, deutlich hörbar. Denn Conny und der Schlagzeuger Aron Hantke, Lorenz Huber am Bass und der E-Gitarrist Sebastian Heim haben da ein wunderbar ausgewogenes Album veröffentlicht, das zunächst nach klassischer Songwriter-Musik klingt, aber Tiefe und Glanz erst durch die bedacht gesetzte Detailarbeit in den Arrangements bekommt. Hier schreiben Menschen Musik, die sich nicht mit dem Offensichtlichen – man hat ein schönes Gitarren-Riff und eine gute Melodie darauf – zufrieden geben. Das Quartett beginnt an diesem Punkt zu arbeiten: „Es ist bei uns wirklich so, dass sich die Stile mischen und etwas Neues ergeben“, erklärt Conny, als sei ihr das fast unangenehm. Doch dass sich auf diesem Album Songs finden, wie etwa der Titeltrack „The Great Unexpected“, die trotz der weichen und Jazz-geschulten Stimme von Conny, trotz der folkig dahinplätschernden Drums und des beinahe funkigen Basses, die Dringlichkeit von Grunge-Songs in sich tragen, ist bemerkenswert.

„Vieles sind Themen, mit denen sich jeder konfrontiert sieht, wie das Leben eben so ist mit seinen Höhen und Tiefen, Erkenntnissen, Enttäuschungen, Freuden und Leiden“, sagt Conny; da sie aber mit einer chronischen Krankheit lebe, hinterfrage sie zwangsläufig mehr und nehme nicht alles für selbstverständlich an. Vielleicht sind es solche Erfahrungen, die ihre Musik aus dem typischen Songwriter-Sumpf hinausheben. Vielleicht ist es aber auch nur ein besonderes Gespür für die Musik, sich eben nicht mit dem erstbesten Einfall zufrieden zu geben. So haben sich Cat & the Kings für ihr nächstes Album auch eine neue Herausforderung gesetzt: Sie wollen noch mehr in die akustische und unverstärkte Richtung gehen, etwa mit einem Kontrabass anstelle des E-Basses. Das bedeutet jedoch auch, auf so einfache musikalische Stilformer wie Sounds und Effekte zu verzichten, was es schwieriger macht, einen Song interessant zu machen. „Aber gutes Songwriting in der Tradition à la Neil Young und den Beatles mit eben den ganzen Einflüssen, die man so hat, vor allem wenn man viel Musik hört und selbst auch viele Musikstile spielt, das ist unser Ziel“, erklären sie. Es ist hochgesteckt, dürfte aber bei der Präzision, mit der die Musiker die bisherigen Songs arrangiert haben, auch spannend werden.

Foto: Julia Göltl
Text: Rita Argauer

Band der Woche: Delamotte

Die Finalisten des Sprungbrett-Wettbewerbs
Delamotte
begeistern mit

ihrer absurden Herangehensweise an die eigene Inszenierung und dem erfrischend surrealen Umgang mit verschiedenen Genres.

Die Auseinandersetzung mit Popmusik hat eine Konstante: den Rückgriff auf die Beatles. Das ist natürlich erschreckend, denn immerhin ist deren Blütezeit nun auch schon um die 50 Jahre vorbei. Wenn man jedoch dieses wiederkehrende Auftauchen der Beatles mit den Konstanten der Klassik vergleicht, wirken die 50 Jahre fast nichtig. Da bezieht man sich gerne mit einer ähnlichen Vehemenz auf Johann Sebastian Bach – und der ist 1685 geboren, da verhandelt man also ganz andere Zeitspannen. Was man bei so viel Beweihräucherung oft vergisst, ist der absurde und bisweilen ins surreale kippende Witz, den die Liverpooler auch schon bei den Teenie-Love-Songs von „Love me do“ bis „Please please me“ hatten. Zumindest außen herum und in den Filmen, die Songs sind da noch in sich geschlossene Berührungswunderwerke.

Rein technisch reicht die Indie-Gitarren-Band Delamotte da heran. Richtige Mucker sind die fünf Musiker, die ihre Klassiker (in dem Fall die Beatles) gelernt haben und nun in wunderbaren Harmonien und herrlichen zweiten Stimmen im Song „Backshift“ beinahe an die sanfte Entrückung von „Please please me“ herankommen. Doch, was Delamotte, die sich im oberpfälzischen Neumarkt gründeten und mittlerweile zum Teil in München studieren, besonders macht, ist ihre absurde Herangehensweise an die eigene Inszenierung und ein erfrischend surrealer Umgang mit Genres. Denn neben dieser glitzernden Beatles-Kunst, die technisch in ihren Songs steckt, klingt das im Gesamten eher wie eine wild durchpflügte Landschaft verschiedener Popmusikstile: Da ist zum Beispiel die hüpfende Funk-Gitarre, ultra tight gespielt, denn technisch sind sie eben alle ausgesprochen versiert. Aber wann es da losfunkt und in welchen kompositorischen Zusammenhängen diese Licks auftauchen, das hat etwas von der schmunzelnden Konventionsverweigerung, die die Beatles in ihren Filmen an den Tag legten. Und Delamotte haben noch mehr solcher songwriterbezogenen Witze zu bieten: etwa eine Falsett-Stimme, irgendwo zwischen Iron Maiden und Michael Jackson im Song „Rainy Night“. Oder das Keyboard und die Orgeln, die sich watteweich unter die Gitarren legen und in „Change your Karma“, dem Opener der EP mit dem abstrusen Titel „Eine kleine Einführung“, die Musik ein wenig nach der Titelmelodie einer Vorabend-Serie klingen lassen; bis der Gesang einsetzt, samt den Harmonien, die die Jungs chorknabenrein zusammen singen können, und schon ist man als Hörer wieder ergriffen.

Mit diesen Songs, die ein bisschen wie eine wildgewordene Jukebox klingen, trotzdem herrlich musiziert sind und eben durchaus berühren, spielten sie sich gerade ins Finale des Sprungbrett-Wettbewerbs. Demnächst planen sie eine EP herauszubringen, mehr Texte auf Deutsch wollen sie darauf packen, denn das zwinge sie zu mehr Ehrlichkeit, erklären sie. Obwohl sie von großen politischen oder gesellschaftlichen Botschaften in ihrer Musik eher nicht viel halten. Der kleine Rahmen ihrer Auftritte erscheint ihnen dafür unpassend: „Wenn Musiker auf der Bühne anfangen, politisch zu werden, geht es meist nur darum, dem Publikum noch einmal zu sagen, was es ohnehin schon denkt und fühlt.“ Ein Song sei im besten Fall ein „kleiner Orgasmus“, der Musiker und Zuhörer für zwei bis vier Minuten alles um sie herum vergessen lässt. Einen kleinen Ausblick, wie schräg dieser Humor mit dem musikalischen Beatles-Können dieser Band werden könnte, zeigt sich jetzt schon im Song „Garten Eden“: Deutscher Gesang trifft auf verstimmte Synthies und sedierten Pseudo-Rap. Ein Hoch auf das Schräge und den Humor in der Popmusik, die sich oft viel zu Ernst nimmt. 

Stil: Gitarren-Pop/Beat
Besetzung: Constantin Habel (Gitarre, Gesang), Alex Gsell (Gitarre, Gesang), Tim Walter (Bass, Gesang), Christian Hilbig (Keyboard, Gesang), Nikolas Thier (Schlagzeug)
Aus: Neumarkt, München
Seit: 2014
Internet: www.soundcloud.com/delamotte-1


Text:
Rita Argauer

Foto: Privat

Band der Woche: Grasime

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Minimalistische Beats und ein hoher Wert an Selbstreferenzialität: „Perspektive“ heißt das neue Album, das der Münchner Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat.  

Die Beatles hatten es leicht. Denn vor ihnen gab es das Genre Popmusik nicht so recht. Einen Musikstil zu erfinden, das muss man zwar erst mal schaffen. Doch diese Leichtigkeit, die ihre Musik auch in ihren vertrackteren späten Alben hat, ist wohl unmittelbar daran geknüpft, dass sich die Beatles eben in einem noch sehr jungen Stil auf unausgetretenen Wegen befanden. Je älter die Kunstform wird, desto schwieriger ist es, eine erfrischende Unbedarftheit beizubehalten. Dafür eröffnet sich später aber ein neues Spielfeld in der Musikerschaffung: das Selbstreferenzielle. Kunst, die sich auf sich selbst beziehen kann und in der spielerisch und ironisch das Thema der Kunst aus der Kunst selbst gezogen werden kann. Dabei wird quasi Kunst über Kunst geschaffen, was in manchen Fällen langweilig ist; was, wenn es gut gemacht ist, aber auch witzig werden kann. 

Hip-Hop und Rap sind schon rein instrumental gesehen Musikformen, die sich erst einmal auf ihr eigenes Genre – Popmusik – beziehen. Denn die Ursprünge des Hip-Hop liegen in den ersten Samples und Beatversuchen. Musik, die bereits existierte, wurde in einer Collagentechnik weiterverarbeitet. Doch gerade Hip-Hop hat auch sprachlich, also auf der Textebene, einen hohen Wert an Selbstreferenzialität. „Perspektive“ heißt daher das neue Album, das der Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat. Minimalistisch sind die Beats, während Grasime die Perspektive auf sich selbst richtet. Grasime, auch bekannt aus der Münchner Underground-Crew Weltuntergäng, rappt über seine eigenen Initiationen zum Hip-Hop. Der Musiker gehört dabei zu einer Generation von Rappern, denen der ständige Bezug auf ihren eigenen Musikstil von Anfang an als Inhalt völlig zu eigen war. Das mag vielleicht an der Form des Battle-Raps als Einfluss liegen, in der die beiden Kontrahenten sich rappend über die Rap-Künste des jeweils anderen mokieren. Wie in einem Spiegelkabinett verdoppeln sich die künstlerischen Mittel permanent selbst. Weniger analytisch ausgedrückt entstehen lustige Dinge, die Grasime auch treffend ausstellen kann. „Erzähl mir nichts von Hip-Hop, sonst erzähl ich Dir von Jean-Paul Sartre“, beginnt er den Track „B.B.M.R.“, und vermischt dabei schmunzelnd eine linksintellektuelle Bildungsbürgerlichkeit mit den Drohgebärden des Battle-Raps.

Doch für Grasime hat Hip-Hop noch einen anderen Zweck als die lustigen Schaukämpfe der Rap-Battles. Als Teenager hat er diesen Musikstil über seinen Bruder kennengelernt. Er identifizierte sich mit der Subkultur, zu der Scratches und Graffiti genauso gehören wie das Rappen und Beats-Bauen. So erklärt er fast idealistisch den Satz „Hip-Hop lebt nicht davon zu konsumieren, sondern von Partizipation“ zum Leitmotto, quasi als Sozialpädagogik in cool. Mit 18 war diese Initiation bei Grasime so weit, er kaufte sich den ersten Computer und fing an, seine Musik zu produzieren. Unter den Münchner Hip-Hop-Strömungen gehören Grasime, sein Label Bumm Clack, das als Veranstaltungsreihe begann und nun auch Musik veröffentlicht, sowie die Weltuntergäng zu denen, die die im Hip-Hop oft gesuchte Realness wohl am meisten erfüllen. Neben den intellektuellen Spielereien der gerade aufgelösten Blumentopf und den ironischen Zeilen von Fatoni erscheint die Szene um Grasime zunächst fast konservativ. Doch letztlich treffen die funkig-jazzigen Beats und die Unmittelbarkeit einen Old-School-Nerv. Das ist auch wieder selbstreferenziell. Aber macht einfach Spaß.  

Stil: Hip-Hop
Besetzung: Grasime (Raps), O von Kram aus der Ecke

(Produktion)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: bummclack.bandcamp.com

Text: Rita Argauer

Foto: Niklas Niessner