Augen auf

An der Kunstakademie hat sich eine „Polizeiklasse“ gebildet. Ihr Ziel ist, mit provokanten Aktionen eine Diskussion anzustoßen – und das neue Polizeiaufgabengesetz zu verhindern. 

Plötzlich sind da Kameras. Dort, wo in München Freiheit traditionell groß geschrieben wird: am Schwabinger Bach in Sichtweite des Monopteros, an dem Ort also, wo sich Freunde der Freikörperkultur auch gerne mal nackt präsentieren. Eine Metallstange ragt aus dem Bach, an ihr sind die Kameras befestigt und es sieht so aus, als würden sie die Leute beobachten. Es handelt sich um täuschend echte Attrappen, die nach ihrem Einsatz bei einem Werbedreh aus dem Müll gerettet wurden. Einige Spaziergänger bleiben stehen und starren irritiert auf den Eindringling. Was haben die Kameras hier zu suchen? Im vermeintlichen Kampf um seine Persönlichkeitsrechte wird einer der Nackten wenig später in das eiskalte Wasser waten und versuchen, die Stange umzuwerfen. „Damit haben wir genau das erreicht, was wir beabsichtigt hatten“, sagt ein Student, der an der Aktion beteiligt war.

Der 22-Jährige studiert Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und ist Mitglied der „Polizeiklasse“, die sich dort vor wenigen Wochen gegründet hat. Die Polizeiklasse ist ein Künstlerkollektiv. Es geht nicht um den einzelnen, sondern um die Sache – deswegen möchte auch keiner namentlich in den Vordergrund treten. An die 50 junge Menschen haben sich hierfür zusammengeschlossen: Studierende an der Akademie der Bildenden Künste München, freie Künstler, junge Menschen, die in München an der Hochschule für Philosophie studieren oder an der LMU: Politik, Soziologie, Ethnologie. Eine Definition, wer oder was die Polizeiklasse ist, ist weder möglich noch gewünscht. „Das würde uns einschränken. Wir betrachten die Klasse als Laboratorium“, sagt eine Studierende über das Projekt. Nur das Ziel ist klar: mit kreativen, provokanten und auch witzigen Aktionen einen öffentlichen Diskurs anstoßen.

Ist man einmal auf die Aktionen der Gruppe aufmerksam geworden, entdeckt man ihr Wirken an vielen Ecken der Stadt. Ihr Markenzeichen, ein weißes „Nein“ auf schwarzem Grund, klebt auf unzähligen Laternenpfählen und Club-Toiletten, schmückt Schuhe, T-Shirts und Plakate. Es ist die Antwort der Polizeiklasse auf ein Gesetz, das am 15. Mai im Bayerischen Landtag verabschiedet werden soll. Das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die Befugnisse der Polizei ausweiten würde und von den Mitgliedern der Polizeiklasse als akute Bedrohung der gesellschaftlichen Freiheit wahrgenommen wird. „Das ‚Nein‘ drückt aber mehr aus als unsere Ablehnung gegenüber dem PAG. Es ist auch ein Versuch, sich einen Freiraum zum Denken zu verschaffen“, sagt ein junger Mann, der an der Hochschule für Philosophie studiert.

Der Ursprung der Polizeiklasse geht auf einen Vorfall Anfang April zurück. Damals versuchten ein paar Studierende der Akademie der Bildenden Künste ein Banner mit dem Schriftzug „Nein zum PAG – Damit die Polizei dein Freund bleibt“ im Akademiegarten in Richtung Leopoldstraße aufzuhängen. Eine spontane Aktion: „Wir wollten einfach mal schauen, wie die Reaktion ausfällt“, sagt ein Student, der damals vor Ort war. Die kam schneller und heftiger, als es sich die Beteiligten ausgemalt hatten. Noch bevor das Banner hing, war bereits die Polizei vor Ort. Im Laufe des Abends wurden zwei Studenten vorläufig festgenommen, durchsucht und befragt. Die Hochschulleitung, die auf ihr Gebot zur Neutralität verweist, ließ das Banner entfernen.

Unter den Studierenden entbrannte eine heftige Diskussion. Zum nächsten studentischen Konvent, der üblicherweise spärlich besucht ist, kamen mehr als 50 Leute. Der Diskussionsbedarf war so groß, dass man es nicht bei einem Treffen belassen wollte. Sie fragten bei der Hochschulleitung an und gaben an, eine „freie Klasse“ gründen zu wollen – der Vorstoß wurde genehmigt unter der Voraussetzung, dass eine Vereinnahmung der Akademie vermieden wird. So erzählen es zumindest einige aus der Polizeiklasse.

Ein Freitagabend Anfang Mai. Die Polizeiklasse hat zum „Open Orbit“ in die Akademie eingeladen. Die Teilnehmer treffen nach und nach ein, viele kommen direkt von einer Demonstration, die zuvor am Siegestor stattgefunden hat. Als vorübergehendes Klassenzimmer hat die Gruppe den Koloss-Saal zur Verfügung gestellt bekommen. Der Raum befindet sich in einem der Altbauflügel der Akademie und ist mit gut 15 Metern Höhe gigantisch. Die Wände sind mit Ankündigungen, Mindmaps und Bannern versehen. Auf einem Heizungskörper türmen sich T-Shirts, auf die noch die Aufschrift „Nein“ gedruckt werden muss. In einer provisorischen Küche, bestehend aus einer mobilen Kochplatte und einem kleinen Kühlschrank, wird gemeinsam gekocht.

Der „Open Orbit“ basiert auf der „Open Space Technology“, eine in den Achtzigerjahren entwickelte Diskussionsmethode. Das Prinzip ist einfach: Zunächst treffen sich alle in einem großen Kreis und besprechen den aktuellen Stand der Dinge. Dann werden Themenvorschläge gemacht, zu denen jeweils kleine Untergruppen gebildet werden können. In diesen kleineren Gruppen werden die konkreten Projekte umgesetzt. Welchen Untergruppen man sich anschließen möchte, steht den Teilnehmern absolut frei.

Zweimal in der Woche trifft sich die Polizeiklasse zum Open Orbit. An diesem Freitagabend sind ungefähr 60 Leute erschienen, durch die Demonstration sind viele Neuankömmlinge dabei. Auf ihrer Website beschreibt sich die Polizeiklasse als „interdisziplinäres und gesellschaftsübergreifendes Projekt“, sie öffnet sich also auch Menschen, die nicht an der Akademie studieren. Einer, der neu dazugekommen ist, hat gleich einen Vorschlag: zusätzlich zum Aufstellen der Kamera-Attrappen könnte man existierende Überwachungsanlagen zerstören. „Das würde tatsächlich was bringen und wäre nicht nur so ne Kunstaktion“, sagt er. Was folgt, ist eine hitzige Debatte über Ziele und Methoden der Polizeiklasse. Nach einigen Argumenten verlässt der Initiator der Diskussion frustriert den Raum. „Wir wissen einfach, wie schnell man mit solchen Aktionen in eine bestimmte Schublade gesteckt wird. Wir wollen unsere Möglichkeiten erweitern. Mit Gewalt erreicht man das genaue Gegenteil“, sagt eine Studentin, die seit den Anfängen dabei ist. Der Wunsch nach maximaler Offenheit und die gleichzeitige Notwendigkeit, gemeinsame Ziele zu formulieren, ist ein Konflikt, der im Open Orbit immer wieder neu ausgetragen werden muss. 

Das klappt erstaunlich gut. Die meiste Zeit verläuft die Diskussion fokussiert und freundlich. „Vielleicht klingt das zynisch, aber irgendwie bin ich fast dankbar für das PAG“, sagt eine junge Künstlerin. „Dieses absurde Gesetz ist wie eine Plattform, von der aus wir gemeinsam starten konnten.“ Und tatsächlich spürt man die Energie, mit der sich die Mitglieder der Klasse in die Projekte stürzen. „Endlich passiert etwas und endlich kann ich mich einbringen“, sagt einer der Studenten. Und nach der Abstimmung im Landtag? Wie geht es weiter mit der Polizeiklasse? „Es war von Anfang an unsere Absicht, uns nicht nur auf das PAG zu beschränken.“ Die Polizeiklasse legt gerade erst los.

Text: Wolfgang Westermeier

Fotos: www.polizeiklasse.org

Band der Woche: Django S

image

Die Jungs von
Django S bezeichnen ihren Musikstil als „Bavarian Madness“. Sie feiern politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben.

Dass Bayern in Pop-Deutschland mal wenigstens so ein bisschen beliebt werden konnte, überrascht. Bayern zeigte sich ja bisher eher glanzlos im Vergleich zu den deutschen Pop-Städten Berlin und Hamburg. Und auch, wenn da auf der nördlichen Seite viel Selbstüberschätzung und auch ein bisschen ignorante Arroganz dabei gewesen sein durfte: Mit Ausnahme von solch ausgesprochen geschmackssicheren und gleichzeitig mit hübschestem Understatement ausgestatteten Gruppen wie Slut aus Ingolstadt oder The Notwist aus Weilheim, hatte Bayern bis Mitte der Nullerjahre deutschlandweit relativ wenig zum aktuellen Pop-Geschehen beizutragen.

Mit dem Understatement war es dann jedoch schlagartig vorbei, als plötzlich auch die Rest-Republik auf den protzig-prolligen und Blaskapellen-geschulten La-Brass-Banda-Sound tanzte. Wenn schon Bayern, dann richtig Bayern. Plötzlich gab es diverse Tubas, Trompeten oder Posaunen, alle mit einfachen Vor- oder Nachschlägen, die die mehr oder weniger lustigen Mundart-Texte der jeweiligen Sänger antrieben.

Nun, diese Zeit ist jetzt auch schon wieder vorbei. Deshalb wirkt es auch fast ein wenig rückwärtsgewandt, wenn Django S ihren Musikstil weiterhin vehement als „Bavarian Madness“ bezeichnen, die sie dann auch gleich zu Lebenseinstellung und Lifestyle erheben. Wenn man jedoch in deren neues Album „Mund auf, PU-Schaum“ hineinhört, katapultiert es einen eigentlich gleich noch ein Jahrzehnt weiter nach hinten. Von den früheren Misch-Versuchen von Balkan- und Bayern-Beat hat sich das Septett mittlerweile verabschiedet. Auf dem neuen Album wird ein Stil revitalisiert, der Ende der Neunzigerjahre zuletzt an der Pop-Oberfläche schwamm: Ska-Punk, also Bläser und verzerrte Gitarren, die geballte Faust auf dem Albumcover im Stil sozialistischer Wahlplakate der Weimarer Republik sowie der Eröffnungsbrüller „Geld oder Leben“. Dessen Text darf man hier durchaus mehr metaphorisch und weniger im Wild-West-Stil verstehen: Django S machen in diesem Song den Gegensatz zwischen einem guten Leben und einem gut bezahlten Job auf. Da klingelt einem die provokativ-assoziale Hymne „Unemployed“ der Deutsch-Punk-Band Wizo in den Ohren, hinzu kommen breitbeinig rockistische Gitarren und eine Stimme, die mit Absicht ein bisschen tiefer gedrückt wird, als sie eigentlich klingen könnte. Eine ziemlich prollige Angelegenheit. Das erinnert rein musikalisch an Neunzigerjahre-Bands wie Dog Eat Dog. Oder eben aktuell an Kraftklub, was auch zum aktuellen britischen Hooligan-Look von Django S auf deren Fotos passt.

Genauer betrachtet ergibt das alles Sinn: Django S befinden sich gerade an der Grenze vom Studenten-Dasein zum Berufsleben. Das bedeutet nicht nur, dass sie das Ende der Neunzigerjahre noch als Pop-Hörer und frühe Teenager mitbekommen haben dürften, sondern auch, dass der Lebenslauf in diesem Alter in ein Arbeitsleben kippt, das im Normalfall weniger vom Party-Band-Dasein bestimmt wird. Django S sind eigentlich ganz bürgerlich aufgestellt: Alle Mitglieder haben entweder einen Ingenieurs-Beruf studiert oder studieren so ein Fach gerade noch. Doch bevor die Entscheidung zwischen Geld oder (Rocker-)Leben letztlich getroffen werden muss, feiern Django S noch einmal politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben. Das dürfte auch schon arbeitenden Menschen gefallen. Als Ausbruch. Etwa auf einem Konzert, am Freitag, 6. Oktober, im Münchner Backstage. Ein passender Ort, an dem solche Musik sowieso nie aufgehört hat und seit den Neunzigerjahren wunderbar existiert. 

Stil: Ska/Rock/Brass/Punk
Besetzung: Leonard „Dr. Faxe“ Spies (Gesang, Gitarre), Klaus „Motschep“ Moser (Bass, Gesang), Martin „Maschd“ Brandl (Gitarre), Valentin „Vallus“ Limmer (Schlagzeug), Simon „Seamon“ Maier (Trompete), Raphael „Azrael“ Opperer (Posaune), Simon „Vladi“ Ladner (Trompete)
Aus: Rosenheim, München
Seit: 2010
Internet: www.suridjangos.de

Text: Rita Argauer

Foto:
Phil Pham

250 Zeichen Wut: Christbaumkugeln auf Lack-Stelzen

image

Ein für alle Mal:
ein Dirndl ist kein Mini-Rock. Wir tragen keine Nikes zur Tracht.

Und man hat bitte nicht auszusehen wie eine
Christbaumkugeln auf Lack-Stelzen.

Schon klar! Sich jedes Jahr erneut über die Wiesn aufzuregen, das ist out. Mir aber egal, also lasst mich doch grantig sein. Trinkt so viel ihr wollt, zahlt so viel ihr wollt, lallt so viel ihr wollt. Aber zieht euch doch bitte, bitte anständiger an! Diesen Modeschock erleben wir Jahr für Jahr und dennoch kann und will ich mich davon nicht erholen. Nein, ein Dirndl ist kein Mini-Rock. Nein, wir tragen keine Nikes zur Tracht. Und bitte – hört auf “I wui hoam nach Fürstenfeld” zu singen, während ihr ausseht, wie glitzernde Christbaumkugeln auf Lack-Stelzen. Des muass doch ned sei!

Text: Anastasia Trenkler

Neuland: Iss dich clever

image

Der gemeinnützige Verein Iss dich clever den Anna-Marisa Kirstein gegründet hat, soll Grundschulkindern den bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln vermitteln und sie spielerisch für das Thema Ernährung sensibilisieren.

Anna-Marisa Kirstein, 26, hat Oecotrophologie studiert und schon während ihres Studiums Unterricht zum Thema Ernährung an Schulen gegeben. „Gesunde Ernährung kann auch gut schmecken“, sagt Anna-Marisa. Deshalb hat sie nun Anfang des Jahres den gemeinnützigen Verein Iss dich clever gegründet, der Schülern der ersten und zweiten Klasse spielerisch den praktischen Umgang mit Ernährung beibringen soll. Die Kinder probieren in den Lehreinheiten beispielsweise verschiedene Brotsorten oder lernen, dass nicht nur in Fleisch Eiweiß steckt, sondern auch in Kichererbsen.

image

Die Aufklärungsarbeit ist Anna-Marisa ein großes Anliegen, denn allein in Bayern sind 8,4 Prozent der Erstklässler übergewichtig. Langfristig möchte Anna-Marisa das Projekt aber so gestalten, dass nicht nur Kinder in München davon profitieren, sondern deutschlandweit. Bis der Verein sich aber selbst trägt, gibt Anna-Marisa nebenbei Kinderkochkurse und Backkurse für Erwachsene in der Münchner Kochschule „Koch dich glücklich“. Neben ihrem Studium hat Anna-Marisa in Frankreich auch eine Ausbildung zur Pâtissière gemacht.

Band der Woche: Eva Klein

image

Die bayerische Heimat als Sehnsuchtsort. Bei der Songwriterin Eva klein ist das keine kitschige “Musikantenstadl-Musik”, sondern eine zugängliche Mischung aus Jazz, Country und Chanson. Dabei erinnert sie auch immer wieder an die Tragik einer Edith Piaf und die jazzige Leichtigkeit von Norah Jones.

Das mit der Volksmusik ist so eine Sache. Im englischsprachigen Raum hat die zum Beispiel einen enorm guten Ruf: Folk konnte sich als sich immer wieder erneuerndes Genre etablieren, das dadurch jung blieb und die abgehalfterte Kitsch-Reproduktion der Volkstümlichkeit nur einen kleinen Teil des Stils ausmachte. Auch in Frankreich hat das Chanson einen besseren Ruf – auch bei der Jugend, die sich im Normalfall ja ganz gerne von der älteren Generation abgrenzt. In Deutschland war das, was man Volksmusik nannte, lange gleichbedeutend mit einer gewissen Fernsehsendung, die künstlich inszeniert und seltsam jovial von einem längst vergangenen süddeutsch-geprägten Idyll erzählt. Gerne wird belächelt, dass sich der „Musikantenstadl“ gerade umbenannt hat. Doch es ist auch symptomatisch für das, was mit der Volksmusik passiert: Wenn versucht wird, mit dem neuen Titel „Stadlshow“ einer Glamour-Pop-Kultur hinterher zu kommen, die eigentlich auch schon wieder überholt ist, während Bands wie Kofelgschroa dem Stadl in Sachen authentischer Volkstümlichkeit den Rang abgelaufen haben.

Die Songwriterin Eva Klein (Foto: David Friedmann) kommt auch vom bayerischen Land. Und sie hätte mit ihrer Stimme, ihren melodischen Einfällen und ihrem Gitarrenspiel wunderbar an Claudia Koreck und ihren Mundart-Songwriter-Pop anknüpfen können. Der war zwar nicht ganz so weit vorne wie besagte Oberammergauer Blaskapelle, aber für das Musikantenstadl doch zu rau. Doch Eva Klein interessierte sich mehr für die Folk-Musik anderer Kulturen. Und die hat sich schon viel besser in der hiesigen Popkultur durchgesetzt.

So verbindet die Songwriterin Jazz, Country und Chanson zu einer eben durchaus sehr zugänglichen Mischung. Denn die Zugänglichkeit – wenn Hörer der Musik einfach folgen und schnell darauf einsteigen können – ist vielleicht eines wenigen Kriterien der Folk-Musik, das immer noch uneingeschränkt gilt, weil es die Musik von der Kunstmusik abhebt. Bei Eva Klein kommt hinzu, dass sie sich, obwohl sie nach der Jugend auf dem oberbayerischen Land in Regensburg studiert hat und mittlerweile in München lebt, immer das Ideal des ländlichen Idylls bewahrt hat und dieses als Sehnsuchtsort behält. Die Musik dient ihr so auch dazu, dieses Idyll für sich selbst festzuhalten und zu beschreiben und damit an eine breite Öffentlichkeit zu gehen. Mit ihrem Debüt-Album „Nothing to add“, das 2014 erschien, bündelte sie diese sehr zeitgenössische Vorstellung von Folk. Das trägt eben die Tragik einer Edith Piaf genauso in sich wie die jazzige Leichtigkeit von Norah Jones. Und mit ein bisschen Balkan-Rhythmik und Wechselschlägen wie in ihrem Song „I was Wrong“ kann sich das tatsächlich eine ganz volksnahe Wirkungsweise bewahren.

Von der Songwriter-Musik der zahlreichen Open-Stages ist sie damit weit entfernt. Ihre Musik, die sie live im Trio mit dem Kontrabassisten Flo Streitwieser und dem Gitarristen Tim Turosov präsentiert, ist gesetzt, etwas brav, ja erwachsen. Diese Musik klingt eher in einer gediegenen Bar als in einem Indie-Club. Doch auch das passt zu dieser Neuauffassung von Volksmusik. Denn das ist eine ähnliche Funktion, die früher Blaskapellen in Wirtshäusern übernahmen. Dabei spricht sie eine Generation an, für deren musikalische Sozialisation der Neo-Bayern-Beat, den LaBrassBanda auf den Plan brachte, zu jung ist. Doch für diese Hörerschaft hat sie mit dem Aufgreifen und Abbilden einer gegenwärtigen Popkultur eine Musik geschaffen, die man getrost als Volksmusik ohne Folklore bezeichnen kann; und die 60 Jahre Popkultur und Globalisierung genauso vereint wie die leichte und unaufdringliche Zugänglichkeit, die Volksmusik braucht.  

Stil:Songwriter / Folk und Country

Besetzung: Eva Klein

Aus: München

Seit: 2014

Internet:www.evakleinmusic.com

Rita Argauer

Foto: David Friedmann

Schweinsbraten to go

image

Perser in Lederhosen: Die beiden Moslems Hamed Ghahremani und Deniz Sevengül haben im Glockenbachviertel ein bayerisches Fastfood-Bistro eröffnet. Zurzeit arbeiten sie an dem bayerischen Pendant zur Döner-Box.

Seit Mitte April haben der Iraner Hamed Ghahremani, 25, und der Türke Deniz Sevengül, 24, (Foto: Stephan Rumpf)  in der Müllerstraße den bayerischen Imbiss „Bazis Schlemmerkucherl“ aufgemacht. Die Wände sind mit Holzverkleidung verziert, Wiesn-Hits schallen einem entgegen – überall herrscht die heimische Farbkombination: weiß-blaue Rauten. Dann blickt man auf die Besitzer mit Hipster-Vollbart und Cap hinter dem Tresen – und wundert sich. Bei Weißwurst, Obazda und Leberkäsesemmel schließen die beiden eine Nische in der Stadt, denn ein bayerisches Fastfood-Bistro, das am Wochenende sogar bis fünf Uhr morgens geöffnet hat, gab es in München noch nicht.

SZ: Wie kommen ein Iraner und ein Türke dazu, einen bayerischen Imbiss zu eröffnen?
Hamed Ghahremani:
Ich liebe bayerisches Essen. Wenn ich mit meinen Freunden essen gehe, dann gehen wir eigentlich ausschließlich bayerisch essen. Ich bin in Teheran im Iran geboren und mit zwei Jahren nach München gekommen. Aufgewachsen bin ich in Feldmoching, nach meinem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zum Restaurant-Fachmann im Ratskeller gemacht. Da musste ich auch ein halbes Jahr in die Küche. Schon damals in der Ausbildung habe ich mir überlegt, selbst etwas in der Gastro aufzuziehen.

Warum einen Imbiss? Wieso hast du nicht gleich ein bayerisches Restaurant aufgemacht?
Hamed Ghahremani:
Mir wurde dieser Laden hier angeboten. Die Größe, die Lage und vor allem das Publikum hat bestimmt, dass es ein Imbiss wird.

Und warum gerade bayerisches Essen? Schweinsbraten und Muslim? Geht das zusammen?
Deniz Sevengül:
Ich bin Moslem und glaube an Gott, aber ich halte mich nicht an die Regeln. Ich trinke, feier – und ich esse gerne Schweinefleisch.
Hamed Ghahremani: Als wir die Location sicher hatten, bin ich die Müllerstraße hoch und runter gelaufen und habe mir angeschaut, was es da alles gibt. Nichts wäre mir fremder gewesen, als noch eine weitere Dönerbude oder einen asiatischen Imbiss aufzumachen – kein Standard-Fastfood eben. Und weil ich eben absolut gerne bayerisch esse, kam mir dieser Einfall. Wir leben in München, aber noch niemand ist hier darauf gekommen, bayerisches Fastfood zu verkaufen.

Bayerisches Fastfood. Wie darf ich mir das vorstellen?
Hamed Ghahremani:
Gerade arbeiten wir an dem Pendant zur Döner-Box.

Woran?
Hamed Ghahremani:
Es gibt doch für asiatisches Essen die To-go-Boxen. Und eben die Döner-Boxen. Wir wollen Blaukraut, Fleisch, Miniknödel und Bratensoße in Boxen verkaufen. Bayerisch to go. Die Miniknödel sollen so groß sein, dass man sie gleich mit einer Pommes-Gabel rausstechen kann.
Deniz Sevengül: Und wir wollen Eisbecher mit Obazda-Kugeln verkaufen. Praktisch, um es unterwegs zu essen.

Habt ihr Angst, mit eurer Idee zu scheitern?
Hamed Ghahremani:
Absolut nicht! Wenn es nicht läuft, räumen wir noch mal um. Aber an dem Konzept wird das nicht liegen. Ich habe bisher nur positives Feedback bekommen. Für mich war klar, dass es schwer sein könnte, wenn ich als Migrant ein bayerisches Lokal eröffne. Ich wusste aber auch, dass es – wenn überhaupt – nur in der Müllerstraße funktionieren kann. Die Ecke hier ist speziell und die Leute offen. Die nehmen mich so an: als Perser in Lederhosen.

Gab es denn schon mal Probleme mit Rassismus?
Hamed Ghahremani:
Rassismus ist so ein hartes Wort. Unterschwelligen Rassismus, würde ich sagen. Es ist mal jemand reingekommen, hat die Speisekarte gelesen und mich dann gefragt, ob es Döner gibt. Ich habe ihm dann Obazda zum Versuchen gegeben. Seitdem ist er Stammkunde.

Stefanie Witterauf