Zwei junge Schüler, die unterschiedlicher nicht sein können, werden zur Strafe nebeneinander gesetzt. Aus der Strafe wurde Freundschaft. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.
Okay. Ich habe gequatscht. Ohne Pause. Okay. Die
Kicheranfälle sind nicht einfach zu ertragen gewesen. Aber musste mich mein
damaliger Französischlehrer deswegen umsetzen? Ausgerechnet neben stillsten Jungen
meiner Klasse. Er: Nachzügler. Morgens immer zu spät. Ein Jahr älter als wir
alle und viel zu leise, um mich erkennen zu lassen, was in seinem Kopf hinter
den blonden Wuschelhaaren so los war. Ich: Das Gegenteil.
Mit dem hatte eh niemand etwas zu tun und die geschwätzige
Schülerin aus der zweiten Reihe und er waren viel zu unterschiedlich, um
Gesprächsthemen zu finden. Jetzt würde auch ich wohl endlich Ruhe geben.
Nach nur wenigen Tagen begann unser Französischlehrer zu
bereuen, denn der stille Blonde und die laute Kleine hatten sich angefreundet
und machten ihm das Leben nun zur Hölle.
Heute sitzen wir noch immer an derselben Bank. Im
Oberstufenkurs. Einige Monate vor den Abiturprüfungen. Was damals in der
siebten Klasse als Unterrichtsstörung begann, hat sich heute zu einer
Freundschaft entwickelt, die ich nie missen möchte.
Noch immer sind wir viel zu unterschiedlich und noch immer
schaffen wir es Gesprächsstoff für volle 90 Minuten einer Mathe-Doppelstunde zu
finden und wenn diese nicht ausreichen, sitzen wir nach Schulschluss oft bis
spät in die Nacht auf seinem Balkon und reden.
Ich erzähle ihm von meinen Beziehungseskapaden und er mir von
den durchgefeierten Nächten auf verschiedenen Goapartys.
Er versucht mich ernst zu nehmen, wenn ich schimpfend
berichte, dass meinem Freund mal wieder nicht aufgefallen ist, dass ich etwas
an meinen Haaren verändert habe. Ich erinnere ihn täglich an seine
Abgabetermine, weil in dem blonden Wuschelkopf ein viel zu großes Durcheinander
herrscht, um an Hausarbeiten und Klausurtermine zu denken.
Wir reden über Nagellackfarben und Tabakkosten. Über Sex und
über Liebeskummer. Über Politik und darüber, wie wir werden wollen, wenn wir
groß sind. Wir reden ständig und es fällt uns immer schwer, einen Punkt zu setzen.
Doch auch wenn wir in zwei verschiedenen Welten leben und
unterschiedlicher nicht sein können, so finden wir uns trotzdem in warmen
Sommernächten auf seinem Balkon wieder. Wir trinken Kaffee, rauchen eine Kippe
nach der anderen und verstehen uns, verstehen einander.
Wäre ich nicht so geschwätzig gewesen und er nicht so ruhig,
wären wir nicht so unterschiedlich gewesen und wären wir es bis heute noch
immer nicht, dann wäre diese Freundschaft nie zu dem geworden, was sie heute
ist. Und ich hoffe auch Jahre später noch auf dem kleinen Balkon zu sitzen und
dann über Masterarbeit und WG-Probleme zu quatschen mit Kaffee in der Hand und
dem Grinsen einer Siebtklässlerin im Gesicht.
Von: Anastasia Trenkler