Gute Tage, schlechte Tage

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Susanne Augustin leidet an zwei Autoimmunerkrankungen gleichzeitig. Jetzt organisiert sie mit ihrer Band „Splashing Hill“ ein Charity-Konzert, um Geld für die Forschung spenden zu können. 

Von Theresa Parstorfer

Heute ist ein schlechter Tag für Susanne Augustin. Sie hat Rückenschmerzen und wusste deshalb in der Früh noch nicht, ob sie es am Nachmittag in die Stadt schaffen würde. Susanne ist 25 Jahre alt, hat langes, braunes, leicht gewelltes Haar, grün-blaue Augen. Man sieht ihr nicht an, dass sie seit zehn Jahren an Autoimmunerkrankungen leidet – seit zehn Jahren an Morbus Crohn, seit zwei Jahren auch noch an Arthritis. Bei Ersterer greift das Immunsystem den Magen-Darm-Trakt an, bei Letzterer die Gelenke.

Nicht viele Menschen wissen um die verschiedenen existierenden Autoimmunerkrankungen, es muss noch viel Forschungsarbeit geleistet werden. Beispielsweise ist nach wie vor unklar, welche Faktoren für den Ausbruch einer solchen Krankheit verantwortlich sein können. Da für diese Forschung nie zu viel Geld vorhanden sein kann, sitzt Susanne jetzt hier in der Maxvorstadt, vor einem Café in der Sonne und berichtet davon, dass sie gerade dabei ist, mit ihrer Band Splashing Hill ein Charity-Konzert zu organisieren. Schon in der Vergangenheit hat sie kleinere Aktionen gemacht. Sie hat vegane Cookies gebacken, an Freunde und Bekannte und Freunde von Bekannten verkauft und das Geld gespendet. Aber das Konzert, das nun für November geplant ist und für das sie auch noch zwei weitere Bands gewinnen konnte, ist mit Abstand das größte Event.

Viel Arbeit sei die Organisation, die normalerweise das Management und der Veranstalter übernehmen, schon, aber das Gefühl, etwas zur Aufklärung und für mehr Bewusstheit bei anderen Menschen beitragen zu können, gibt Susanne Kraft. „Jeder geht anders mit einer solchen Krankheit um, aber für mich ist es sehr wichtig, auch etwas für andere Erkrankte zu tun und mich nicht zu verkriechen“, sagt Susanne. An Morbus Crohn erkranken im Schnitt acht von 100 000 Menschen, entweder zwischen dem 15. und dem 35. Lebensjahr oder aber vom 60. Lebensjahr an. Oft bleibt die Krankheit undiagnostiziert, da die schlechten Tage eben auch wieder von guten abgelöst werden und die Symptome deshalb oft nicht ernst genug genommen werden.

„Lange Zeit wusste auch bei mir niemand, woher die Beschwerden kamen. Mir wurde beispielsweise der Blinddarm rausoperiert, ohne dass es etwas gebracht hätte“, sagt Susanne. Durchfall, Erbrechen, Magenschmerzen, Abmagerung – das waren die Beschwerden, als sie 15 Jahre alt war. Erst nachdem auch ihre zwei Jahre jüngere Schwester mit Morbus Crohn diagnostiziert wurde, kamen die Ärzte bei Susanne auf die Symptom-Ursache. Seitdem schwankt Susannes Leben zwischen Schub und Remission. So nennt die Medizin das, was sie selbst als „gute“ und „schlechte“ Tage bezeichnet.Ein Schub kann dabei von zwei bis drei Wochen bis zu acht oder neun Monaten dauern. „Der jetzige Schub zieht sich schon seit November, aber er ist nicht so intensiv wie der davor“, sagt Susanne. 

Das Schlimme und zugleich das Gute bei Autoimmunerkrankungen ist für Susanne, „dass man sie einem nicht ansieht“. Sie weiß nicht, wie oft sie den Satz „Du siehst aber doch gut aus“, gehört hat. Je nach Betonung tröstet er sie oder aber macht sie wütend. „Vielleicht wäre es gar nicht verkehrt, einfach immer die Krankenakte in der Hosentasche mitzuführen?“ Sie hebt die Schultern und lächelt trotzdem, denn Susanne ist niemand, der trotzig oder wütend in solchen Momenten reagieren würde. 

Mit Medikamenten, Spritzen und deren Nebenwirkungen kennt Susanne sich aus. Dabei scheint sie nicht direkt unter der Tatsache selbst zu leiden, dass sie bisweilen sechs Medikamente gleichzeitig nehmen muss, schon fünfmal operiert wurde, vor drei Jahren beinahe all ihre Haare verloren und mittlerweile einiges an Lebensmittelunverträglichkeiten entwickelt hat: Weder Gluten noch Laktose, Eier, Frischobst, Hefe, Haselnüsse, Erdnüsse oder Mandeln darf sie essen. 
Was sie wirklich stört, ist das Unverständnis, auf das sie immer wieder stößt. „Es ist enttäuschend, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen, wenn auf bestimmte Lebensmittel Rücksicht genommen werden muss, vor allem, wenn es gesundheitliche Gründe hat.“ Oder dass man es ihr übel nimmt, wenn sie bei fünf von zehn Verabredungen kurzfristig absagen muss, weil es ihr einfach zu schlecht geht, ohne dass das vorher absehbar gewesen wäre. „Da merkt man, wen man wirklich in seinem Leben haben will“, sagt Susanne.

Mittlerweile hat sie einige Freunde, die ebenfalls an Autoimmunerkrankungen leiden. „Beispielsweise über Foren im Internet habe ich Leute kennengelernt, mit denen mir der Austausch sehr viel bringt.“ Aber auch hier in München hat sie eine Freundin, die an Lupus leidet, einer Krankheit, die vor allen Dingen durch die Auswirkungen bekannt ist, die sie auf die Haut haben kann, und wie man sie beispielsweise vom Sänger Seal kennt. Deshalb möchte Susanne das Geld, das über das Konzert eingenommen wird, auch an zwei Organisationen spenden, die sich für die Aufklärung und die Forschung für Morbus Crohn und Lupus einsetzen.

Ian Harding, einer der Stars der US-amerikanischen Serie „Pretty Little Liars“ ist Botschafter der „Lupus Foundation of America“. Auf einem Charity-Event in Köln hat Susanne ihn kennengelernt. Ian Harding ist begeistert von Susannes Engagement. Er erinnert sich an die Zeit, als er als kleiner Junge damit umgehen musste, dass seine Mutter an der ihm völlig unbekannten Krankheit namens „Lupus“ litt, und ist der Meinung, dass „Menschen mit Instrumenten, mit Songs und mit Lächeln“ unbedingt nötig seien, um Geld zu sammeln. Menschen, die selbst wissen, wie verloren man sich als Betroffener fühlen kann, und damit auch Bewusstsein und „Hoffnung“ für Erkrankte und ihre Angehörige zu schaffen können.

Einen Song wird Susannes Band extra für das Konzert schreiben und zum Download freigeben, auch eine Just-Giving-Seite möchte Susanne einrichten, „sollte man nicht zum Konzert selbst kommen können, aber trotzdem einen Beitrag leisten wollen“. Für Susanne ist das Leben mit ihren Krankheiten vor allen Dingen eine Frage der Planung. „Organisation ist alles. Wenn ich in ein Lokal gehe, rufe ich schon einmal davor an, und frage, ob sie auf meine Allergien Rücksicht nehmen können. Wenn ich auf Reisen gehe, muss ich mit den Airlines abklären, ob ich meine Medikamente im Handgepäck mitführen darf.“ Es ginge darum, Lebensqualität zu erhalten und Reisen ist etwas, das sie sich niemals verbieten lassen würde. Island, Israel und Indien stehen für dieses Jahr noch auf dem Plan. Außerdem: „Es ist definitiv nicht leicht, aber ich bin dankbar, in guten Phasen ein weitestgehend normales Leben führen zu können.“ Susanne kann mit ihren Krankheiten alt werden, sie muss eben etwas mehr als andere aufpassen und wird womöglich den größten Teil ihres Lebens Medikamente einnehmen müssen.  

Und es wird sie immer geben, die guten und die schlechten Tage. „Aber vielleicht schaffe ich es auch irgendwann, die guten Tage noch mehr zu genießen, ohne Angst vor dem nächsten Schub haben zu müssen“, sagt Susanne.

Foto: Alessandra Schellnegger