Das geheime Dinner

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Antonia Simm, 25, und Laura Veronesi, 27, laden regelmäßig zum „Futterneid“. Was serviert wird, erfährt man erst am Abend. Auch wo es das Überraschungsmenü gibt, wird den 25 Gästen erst kurz vorher mitgeteilt. Das erinnert an die Reihe “Hauskonzerte”, nur geht es hier nicht um Mucke, sondern Mangiare.

Von Elisabeth Kagermeier

Gläserklirren und Tellerklappern? Hier im Wald? Zwischen den Bäumen schimmert das Licht einer kleinen Waldhütte hindurch. In der gemütlichen Stube in der Nähe von Schäftlarn tanzen Schatten im Kerzenlicht über das helle Holz der Einrichtung, die große Tafel wirkt wie für das Treffen einer besonders großen Familie gedeckt. Abgesehen von den Geräuschen, die 25 Leute eben machen, wenn sie zusammen an einem Tisch sitzen, ist es vollkommen ruhig. „Das ist immer der schönste Moment“, erzählt Antonia Simm, 25, und lächelt. „Wenn man das Essen serviert, sind alle erst mal still und genießen. Dann wissen wir: Wir haben es geschafft.“ 

Abgesehen von diesem Moment sind die Abende der beiden Hobbyköchinnen Antonia Simm und Laura Veronesi, 27, alles andere als eine ruhige Angelegenheit. Das Duo nennt sich „Futterneid“. Ihre
Dinner-Abende erinnern ein wenig an die mittlerweile sehr bekannte Reihe Münchner „Hauskonzerte“. Das heißt: wechselnde, oft ungewöhnliche und geheim gehaltene Orte sowie eine Handvoll Menschen, die über soziale Medien von der Veranstaltung Wind bekommen und sich per E-Mail
anmelden: Nur die ersten 25 Leute können kommen. Der entscheidende Unterschied: Bei Futterneid steht Essen statt Livemusik auf dem Programm.

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Fotos: Ann-Sophie Wanninger

Mit dem negativen Gefühl, anderen das Essen nicht zu gönnen, sollen die Dinner trotz des Namens „Futterneid“ übrigens nichts zu tun haben. „Das Schlimmste sind kleine Portionen, von denen man nicht satt wird“, sagt Laura. „Bei uns gibt es Nachschlag, bis alles leergekratzt ist!“ Im Mittelpunkt steht aber nicht Völlerei, sondern gemeinsames Erleben – das „Essen mit fremden Freunden“, wie es Laura beschreibt. Die Gäste kennen sich in der Regel zwar nicht, aber im Laufe des Abends kommt jeder mit jedem ins Gespräch. „Neben dem Ziel, den Leuten einen schönen Abend zu bereiten, wollen wir auch ein natürliches Netzwerk generieren“, erklärt Antonia.

Ihr Antrieb ist die Liebe zum Kochen.

Umsonst bekochen Laura und Antonia ihre etwa 25 Gäste trotz der freundschaftlichen Atmosphäre allerdings nicht. 50 Euro muss man für Menü und Getränke ungefähr aufbringen. „Wir werden davon nicht reich, aber das wollen wir auch nicht erreichen“, erklärt Laura, die „Futterneid“ wie Antonia nur neben ihrem Beruf in der Freizeit organisiert. Ihr Antrieb ist die Liebe zum Kochen.

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Wenn man die beiden jungen Frauen nach dem Ursprung dieser Passion und der Idee von „Futterneid“ fragt, ist die Antwort für sie klar: „Zuerst kam die Liebe zum Essen“. Beide antworten gleichzeitig, als sie den gleichen Wortlaut bemerken, lachen sie. Die Liebe zum Kochen sei mit der Zeit entstanden, erklären sie weiter, Italien hat bei der Entdeckung dieser Liebe eine große Rolle gespielt. Laura Veronesi ist südlich der Alpen geboren und zwischen München und Großmutters Küche in der Toskana aufgewachsen. Antonia Simm, die eigentlich aus Uffing am Staffelsee kommt, hat als Kind und im Studium sechs Jahre lang in Italien gelebt und ist im Herzen
Römerin geblieben, wie sie selbst sagt.

“In Italien hat Essen einen ganz anderen Stellenwert. Da wird das einfach zelebriert, frisches Gemüse und tolle Zutaten zu haben.“ Seitdem liebt sie den Kochprozess vom Einkaufen bis zum Gericht im Ofen, wenn sich langsam der Duft in der Küche verbreitet.

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Kennengelernt haben sich Antonia und Laura in der Schulzeit am Bertolt-Brecht-Gymnasium in Pasing, vertieft hat sich die Freundschaft während des Studiums in München. Das Band zwischen den jungen Frauen war von Beginn an das Kochen, am liebsten entwarfen sie Menüs für Freunde. Vor dreieinhalb Jahren gründeten sie ihren eigenen Catering-Kochservice. Eine kulinarische Ausbildung haben beide bis heute nicht, sie wollten ihre Leidenschaft nie zum tages-unf abendfüllenden Beruf machen.

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„Was uns am meisten Spaß macht am Kochen, war immer die Freiheit zu machen, was uns gefällt“, begründet Laura. Deswegen gaben sie nach drei Jahren auch das Catering wieder auf. „Wir wollten dabei sein, wenn die Gäste essen und glücklich dabei sind“, erklärt Antonia. „Wir wollten das ganze Paket mitgeben, nicht nur das Essen“, sagt Laura. Die Idee zu den „Futterneid“-Events war geboren, ihren besonderen Charakter der wechselnden Locations erhielten die Dinner aber allein aus der Not heraus. „Wir hatten uns eigentlich einen Ort für unsere Veranstaltungen erträumt: eine eigene offene Küche“, erzählt Antonia.

Ein Dinner im Kunstatelier, ein Abendessen in der Schuhwerkstatt

Obwohl dieser Wunsch noch nicht in Erfüllung ging, wollten sie mit ihrer Idee nicht warten: Warum also nicht wechselnde, besondere Orte für die Dinner wählen, passend zum Trend von Wohnzimmerkonzerten und -kabarett? „Die Leute sind so gesättigt von dem Angebot, das man an jeder Ecke kriegt“, glaubt Antonia. Schon vier „Futterneid“-Veranstaltungen wie im Waldhaus in Schäftlarn haben Laura und Antonia seitdem organisiert. Ein Dinner fand im Kunstatelier zwischen Bildern und Farben statt, ihr allererstes in einer Schuhwerkstatt im Glockenbachviertel – zwischen jeder Menge Pumps und Stiefeln, aber ohne Küche am Ort. Da werden schnell die Camping-Kochplatten zum wichtigsten Accessoire des Abends.

 Bei ihren Events probieren Antonia und Laura immer mehr. Und privat? Da besinnen sich die beiden dann doch am liebsten auf das Einfache und Klassische: Ihre Lieblingsspeisen zu Hause sind Nudeln oder Spiegelei. Ganz schlicht, ganz ohne Musik, Pumps oder Waldatmosphäre.