Tagebuch mit Bildern

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Laura Zalenga, 27, hat Architektur studiert und sich doch für ein Leben als Fotografin entschieden. Heute hat sie fast 500 000 Fans bei Facebook – Annäherung an eine Künstlerin, die meist sich selbst porträtiert.

Da gibt es diese zierliche junge Frau. Sie hat eine Kamera, mit der sie fotografiert. Sich selbst, immer wieder. Ihre Bilder gefallen, im Netz werden sie tausendfach gelikt. Doch diese junge Frau studiert nicht Fotografie, sondern Architektur. Ein schönes Studium. Für sie aber auch: fünf Jahre Kampf. Als sie das Studium abgeschlossen hat, beschließt sie: „Dann schaffe ich es halt allein.“ Und wird doch Fotografin. So oder so ähnlich könnte man die Geschichte von Laura Zalenga, 27, erzählen.

Man könnte aber auch schreiben: Laura Zalenga hat mehr als 450000 Facebook-Fans, eines ihrer Bilder zierte das Cover der Zeit, für Fluggesellschaften wie Lufthansa reist sie herum und fotografiert. Ihre Werke hängen auf Kunstmessen und in Galerien, als Kunden listet sie auf ihrer Internetseite unter anderem Sony, Mercedes oder Adobe. Zudem war sie 2016 in der aufwendig produzierten Castingshow „Masters of Photography“ des Bezahlsenders Sky zu sehen. Und dann hat man eine Biografie, die sich liest wie ein einziger großer Superlativ.

Es existieren unzählige Selbstbildnisse der jungen Frau: Laura als Tänzerin im zartrosa Tutu, Laura zusammengerollt auf dem Boden eines verfallenen Hauses, Laura im weißen Abendkleid zwischen tiefschwarzen Felsen. „Es gibt vielleicht zehn Fotos, auf denen ich wirklich Laura bin“, sagt sie. Sie kennt das schon. Dass die Leute öfter mal fragen, warum sie so häufig ihr eigenes Modell ist. „Es wird einem beigebracht, dass das egoistisch ist.“ Früher hätten sie solche Aussagen mehr getroffen. Doch Selbstporträts, sagt die Fotografin, geben ihr die Möglichkeit, in eine Rolle zu schlüpfen, sich selbst kennen und akzeptieren zu lernen, indem man für einen kurzen Augenblick eine andere ist. Manchmal, da funktioniere eine Fotografie für sie wie „die Seite in einem Tagebuch“, wo man ein Gefühl festhält, eine kleine Geschichte. Nur schreibe sie eben krakelig. Oder in Geheimsprache. Laura mag solche Metaphern. Sie sagen viel über ihr Verhältnis zur Fotografie aus. Da ist die Lust am Spielerischen. Mal eine Märchenfigur sein, mal ein mythologisches Wesen – und andere damit dann berühren. Wenn sie so erzählt, redet sie unheimlich schnell, holt kaum Luft, wirkt geradezu elektrisiert.

Doch die Souveränität, mit der sie all das sagt, kam erst mit den Jahren. Mit 18 bekommt Laura ihre erste richtige Kamera. Sie merkt schnell: „Wir könnten beste Freunde werden.“ Sie möchte unbedingt Fotografie studieren, bewirbt sich nach dem Abitur mit ihren Bildern an verschiedenen Hochschulen. Genommen wird sie von keiner. Da beginnt man am eigenen Können zu zweifeln, sich zu fragen: Was mache ich nun? Sie reicht dann auf Anraten ihrer Familie Mappen für ein Architekturstudium ein. Von drei Universitäten bekommt sie drei Zusagen. Beim ersten Versuch. Sie erinnert sich: „Ich habe mich zu diesem Studium vielleicht ein bisschen überreden lassen“, sagt sie.

2010 beginnt sie also ihren Bachelor in Architektur. Was dann folgt, ist
nicht immer leicht. Architektur ist ebenso interessant, ebenso kreativ,
aber Lauras Herz hängt nicht daran. Das will diese andere Sache. Die
junge Frau macht in jener Zeit weiter Bilder, hat mehrere Ausstellungen,
bringt sich selbst Photoshop bei. „Ich bereue es nicht“, sagt sie heute
über ihr Studium, die Architektur sei auch ein „Sicherheitsnetz“, falls
es beruflich nicht so klappe, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Dennoch macht sie sich nach ihrem Abschluss als Fotografin selbständig.

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Das ist bald zwei Jahre her. Neben ihren Selbstporträts fotografiert Laura nun auch vermehrt andere Menschen. Hinzu kommt eine ganze Reihe von Arbeiten mit verschiedenen, teils namhaften Kunden. Da gibt es etwa diesen Clip von Laura mit Annemarie Carpendale. Er ist Teil der Videokampagne „Fiat Urban Stories“ für den gleichnamigen italienischen Autohersteller. Moderatorin Carpendale fährt im hellblauen Pkw vor. Sonnenschein, Zeitlupenaufnahme des fahrenden Wagens. Die Moderatorin erklärt beim Aussteigen: „Heute treffe ich eine Besessene. Zumindest sagt sie das über sich selbst. Fotografie ist eine wunderbare Krankheit. Laura Zalenga will inspirieren und zum Grübeln bringen zugleich.“ In einem Waldstück treffen sich die beiden dann, Laura gibt im weiteren Verlauf des Videos einen Einblick in ihre Arbeit, fotografiert am Schluss Carpendale und das Auto.

Wie geht man mit so etwas um, als junger Mensch? Man hat Talent, man hat eigene ästhetische Vorstellungen, man will reisen. Aber man muss sich auch präsentieren, Geld verdienen. Laura hat sich viele Gedanken über dieses Thema gemacht, das merkt man. „Wovon lebt der Mensch?“ fragt sie schließlich und lächelt. Sie überlege sich genau, welche Aufträge sie annehme, womit sie sich wohl fühle. „Natürlich hat man manchmal das Gefühl, sich einkaufen zu lassen, aber ich versuche mich nicht zu verbiegen. Letztlich mache ich nur Sachen, hinter denen ich auch stehe.“

Neben diesen Arbeiten setzt Laura aber auch eine Vielzahl an eigenen Projekten um. Auf einem Gnadenhof möchte sie zum Beispiel fotografieren. Seit Jahren engagiert sie sich für den Tierschutz, beschäftigt sich mit Veganismus. 2015 rasierte Laura sich für eine Crowdfunding-Kampagne sogar das lange braune Haar ab. Da war sie gerade in den USA unterwegs, wollte 1000 Dollar für die Organisation „Animal Equality“ sammeln und die Leute durch ihre Aktion zum Spenden motivieren. Ob das nicht etwas gewagt sei für jemanden, der vorwiegend Selbstporträts macht. „Nein.“ Punkt. Da muss sie nicht überlegen. „Es nervt, dass man immer auf das Schönsein reduziert wird“, sagt sie, „gerade als Frau.“ Man sehe in den Medien oft nur schöne, junge Menschen, das mache es schwerer, sich auch mal hässlich und verletzlich zu zeigen. „Da ist die erste Falte ein kleiner Weltuntergang.“ Gerade deshalb träumt Laura davon, in Zukunft einmal eine Bildstrecke mit älteren Menschen zu machen, abseits der Norm der ewigen Jugend.

Für die Ausstellung „10 im Quadrat“ der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung hat die Fotografin nun zehn Münchner vor die Kamera gebeten – und ihnen den Spiegel vorgehalten, real wie metaphorisch, etwa dem Lyriker Rahamatullah Hayat oder der Schauspielabsolventin Mona Vojacek Koper. Oft sieht man den Spiegel im ersten Moment gar nicht, wundert sich als Betrachter nur, warum das Gesicht sich plötzlich doppelt. „Es ging mir darum, ein bisschen das Surreale im echten Leben zu suchen und vielleicht auch zu finden“, sagt Laura über die Serie. Da ist er wieder: Der Kniff, die kleine Geschichte, die sie in ihre Bilder so gern einbaut, die junge Frau mit der Kamera.

Text: Carolina Heberling

Fotos: Laura Zalenga