Studentenbude statt Fernsehbühne

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Musik, Chili und Weißbier-Bowle: Xavier Darcy spielt auf Einladung der Junge-Leute-Seite ein WG-Konzert in Milbertshofen. Am Schluss steht er in einem Kreis aus tanzenden Leuten

Auf dem Boden steht ein kleines Pedal, es ist an einem einzelnen Kabel angeschlossen. Es ist ein Stimmgerät und alles, was Xavier Darcy an Equipment dabei hat an diesem Abend in einer WG in Milbertshofen im Münchner Norden. Mehr braucht er auch nicht, denn mit seiner rauchigen Stimme und den Gitarrenklängen spielt er sich schnell ins Herz aller Anwesenden. Schlussakkord, in einem hohen Bund gegriffen und aus dem Publikum kommt Anerkennung. „Der letzte war geil“, lobt einer der Zuhörer.

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Um 19 Uhr geht es los, alle Gäste haben sich vorbildlich pünktlich in der WG von Anna Achhammer, 20, und Katharina Edlbauer, 20, eingefunden. Schon im Hausflur hängt eine Karikatur, mit der die Nachbarn auf das WG-Konzert, das die Junge-Leute-Seite der SZ vermittelt hat, aufmerksam gemacht werden. Die WG selbst: voller Postkarten mit Sprüchen, im Durchschnitt schlauere, als man sie in anderen Wohnungen oft findet. An den Wänden Zeichnungen, im Zimmer eine Fotoserie von Erwin Wurm. Nudelskulpturen. Daneben eine Gitarre und ein Klavier. Im Flur hängt eine Dartscheibe und es wird fleißig gespielt, allerdings ist die Automatik kaputt und niemand zählt mit. Aber hier nimmt man so etwas nicht so genau, wie beim veganen Chili, das mit einem Klecks Joghurt verfeinert wird.

Auch Xavier Darcy nimmt es mit der Uhrzeit nicht so genau, um 19 Uhr ist von ihm noch nichts zu sehen. Letztendlich taucht er eine halbe Stunde zu spät auf. Macht ja nichts, Hauptsache er ist jetzt da. Gitarrenkoffer auf dem Rücken, kein Equipment – aber es gibt ja nicht mal eine Bühne. Das Konzert findet im Zimmer von Anna statt. Das Bett wurde extra ins Wohnzimmer gestellt und ein Stuhl in der Ecke ist für den Musiker vorgesehen. Ein Stuhl? Für Darcy? Man wird sehen. Darcy legt los mit seinem bekanntesten Song, „Cape Of No Hope“, am Anfang A cappella. Das Publikum sitzt größtenteils auf dem Boden, aber Darcy hat gar nicht daran gedacht, seinen Stuhl für mehr als seine Jacke zu benutzen. Schnell wird klar, warum: Wer die exzentrischen Moves des Sängers kennt, erwartet eine Performance im Stehen. Fast ein bisschen eng ist es für Darcy, der in jüngster Zeit an immer größere Bühnen gewöhnt ist und im Februar sein Debüt-Album veröffentlicht. Bei der TV-Show „Inas Nacht“ war er zu sehen, auch bei „Mein Song – deine Chance“ mit Rea Garvey. Und zu Anfang wissen wohl weder er, noch das Publikum, wie sie in dieser ungewohnten Atmosphäre miteinander umgehen sollen.

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Das Eis bricht irgendwo zwischen dem ersten Glas Wein und dem Moment, in dem alle tanzend durch den Raum hüpfen. Auch eine Nachbarin aus dem Haus ist da, sie hat die Ankündigung im Flur gesehen und einfach mal vorbei geschaut. Der syrische „Bruder“ von Anna, der bei ihren Eltern wohnt, der jüngste unter den Anwesenden, hat sich herausgeputzt mit Hemd. Mitten im Erzählen wechselt Darcy von Deutsch zu Englisch, seiner Muttersprache. „Nach dem ersten Glas Wein schrumpft mein deutscher Wortschatz“, gibt er zu. Und Carmen, die Spanierin, ruft: „Das kenne ich!“ Man versteht sich eben. Nach ein bisschen Alkohol noch viel besser, und Sprachen sind völlig nebensächlich.

Nachdem man ein bisschen warm geworden ist, stehen endlich alle auf zum Tanzen. Da spielt Darcy eigentlich schon den letzten geplanten Song. Aber das kann jetzt keiner akzeptieren, eine kurze Raucherpause wird genehmigt und danach geht es weiter, bitte schön! Das muss man Xavier nicht zweimal sagen, und am Schluss steht er in einem Kreis aus tanzenden Leuten, nur mit einer Gitarre und seiner Stimme. Irgendwann ist das Konzert vorbei, aber der Abend noch lange nicht. Mit Wein und Bier und etwas, das sich Weißbier-Bowle nennt, lässt es sich gut bis spät über die Münchner Musikszene diskutieren. Dart-Pfeile fliegen weiter, Carmen und Anna verabreden sich zum Spieleabend und zum Schluss geht es für viele weiter in die Glockenbachwerkstatt – Darcy ist da natürlich auch dabei.  

Text: Marina Sprenger

Fotos: Anna Achhammer