Unsere Autorin hat das Gefühl, immer weniger mit ihren zwei besten, langjährigen Freundinnen gemeinsam zu haben – fühlt sich jedoch so wohl wie eh und je in ihrer Gesellschaft. Das Eine schließt eben das Andere nicht aus.
„Und, wie findet ihr das?“, fragt Michelle und schaut uns mit vor Begeisterung leuchtenden Augen und vor Freunde aufgerissenem Mund an. Wir sind in irgendeinem H&M-, Zara- oder Pimkie-Laden am Berliner Kudamm. „Das sieht aus wie eine Tischdecke“, sagt Caro, die bei Kleidung hohe Ansprüche hat, man könnte sie fast schon als Mode-Nazi bezeichnen, während ich versuche, zu überspielen, dass mir das alles eigentlich total egal ist und ich hoffe, dass unser Shopping-Tag endlich bald vorbei ist. Ich bestärke Michelle darin, das zu tragen, was sie will und nicht auf andere zu hören, schon gar nicht auf Caro, die inzwischen schon genervt mit den Augen rollt.
Während beide noch die Pro und Kontras des vielleicht bald neuen Kleids von Michelle diskutieren, denke ich darüber nach, wie wir hier gelandet sind. Die beiden sind schon seit der Schulzeit meine besten Freundinnen und ich konnte viele erste Male meines Lebens mit ihnen teilen: meinen ersten Liebeskummer, meine erste schlaflose Nacht aufgrund eines schrecklichen Horrorfilms, mein erstes Mal in einem Club, bei dem wir offiziell eigentlich nur bei einer Pyjama-Party bei Michelle Zuhause waren.
Ein paar Stunden später wollen wir, nachdem wir auf einem Konzert einer meiner Lieblings-Alternative-Rock-Bands aus New York waren, ein bisschen Berlin erleben und gehen natürlich in einen Techno-Club. Keiner gefällt das so richtig außer mir, und so finde ich mich nur ein paar Stunden später nach vielen Bier und langen Diskussionen um 4 Uhr morgens mit Caro am Rand im Matrix-Club wieder, bekannt aus der Serie “Berlin Tag & Nacht", und wir schauen Michelle kopfschüttelnd beim Tanzen und Grölen zu.
So viel uns damals miteinander verbunden hatte, heute sind wir umso unterschiedlicher. Während Michelle und ich inzwischen kaum noch etwas gemeinsam haben, fast schon wie Tag und Nacht sind, findet sich Caro irgendwo in der Mitte, ich würde sie als Abenddämmerung bezeichnen.
Was uns heute noch verbindet, ist nicht mehr die Liebe zur gleichen Musik, zu den gleichen Filmen oder die gleichen Hobbys. Heute ist es eine Vertrautheit, die uns zusammenhält, sich miteinander wohl zu fühlen, alle Sorgen hemmungslos teilen zu können und sich ohne Probleme auf liebevolle Art und Weise übereinander lustig zu machen. Wir kennen unsere Fehler, wir sagen uns alles ehrlich ins Gesicht.
Manchmal, wenn wir so zusammen sitzen, dann können Caro und ich uns nur lachend anschauen, während Michelle uns gefühlt wieder von jeder einzelnen Sekunde der letzten Party mit ihren neuen Freunden aus der Uni erzählt. Wir unterbrechen sie nur, um irgendeinen blöden Kommentar einzuwerfen. An solchen Abenden finde ich es schön, zusammen rumzublödeln ohne sich Gedanken zu machen, wie peinlich und kindisch wir von außen wirken könnten. Ich fühle mich irgendwie einfach wohl, irgendwie sorgenlos, irgendwie vertraut, irgendwie so, als wäre ich wieder 16.
Text: Gabriella Silvestri
Foto: Yunus Hutterer