Alles grün und niemand blau

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Mädchenabende sind legendär und nicht alle, aber so manche sind auch einzigartig. Loriot durch die grasgrüne Brille. Jogginghosen anstatt Jeans, die bei so viel vernaschten Schokobonbons schon längst geplatzt wären. Bändchen um Gläschen. Das klingt fast so, als ob da bei den Mädels ein Kabel locker wär.

Manche Abende sind legendär. So legendär, dass, wenn Freunde zusammenkommen, die einen solchen Abend erlebt haben, unweigerlich Sätze fallen, die mit „Wisst ihr noch, damals“ beginnen. Meistens ist eine Menge Alkohol im Spiel. Nur selten finden solche Abende auf dem Sofa, vor dem Fernseher statt. Aber es ist möglich, ich habe es erlebt.

Wir schreiben den Abend nach der Logik-Klausur, als Daliah uns die Wohnungstür öffnet. Daliah ist ein Phänomen. Daliah ist ein Meter fünfzig geballte Freundlichkeit, sie ist so etwas wie die Idee des Herzensguten. Sie hat sich noch mit jedem Sonderling im ersten Semester Philosophie unterhalten – und sobald ein hämisches Wort über den Typen fällt, der offensichtlich direkt aus den 80er Jahren in die Einführungsvorlesung gewarpt wurde, schaltet sie sich ein. Er sei eigentlich ganz nett, sagt Daliah. Zu ihrem Loriot-Abend hat sie ihn trotzdem nicht eingeladen.

Daliahs Loriot-Abend. Als drei Jahre danach diese Worte fallen, beginnen wir, fünf Zeugen des legendären Abends, sofort durcheinander zu reden: die Schokoladenbonbons, die Jogginghosen, die Grünstich-Taste. Zum Glück sitzt ein Mensch mit am Tisch, den vor drei Jahren noch keiner von uns kannte: Wir konnten alles noch einmal erzählen. Daliah hat bunte Bändchen um unsere Gläser gebunden, sie hat Schokoladenbonbons auf dem Wohnzimmerboden verteilt und Jogginghosen rausgelegt, für den Fall, dass irgendjemandem beim Fernsehschauen seine eigene Hose unbequem wird – nach sehr vielen Schokoladenbonbons kann das durchaus passieren!

Alles ist so liebevoll. Es stört kaum, dass das DVD-Titelmenü seit zehn Minuten ausschließlich in Grüntönen erscheint. Loriot wirkt wie eine gesetzte Variante des Grinch. Daliah ist überzeugt, dass es der Fernseher eigentlich nur gut meint und schwankt zwischen den Erklärungen, dass a) Loriot-Sketche schon immer in Grünschattierungen gesendet wurden oder b) jemand versehentlich die Grünstich-Taste auf der Fernbedienung aktiviert hat.

Ich beginne mich gerade an ein Leben in sanften Grüntönen zu gewöhnen, als die Suche nach der Grünstich-Taste beendet ist: Am Fernseher war ein Kabel locker. Bei der Pointe müssen wir seufzen. Wir müssten unbedingt mal wieder einen Loriot-Abend veranstalten. Auch wenn das nur ein müder Abklatsch werden kann. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.