Ausgeflippte Mode: die Berliner Designerin Sheila Ilzhöfen gründete ihr eigenes Modelabel “ALLES Berlin” für Glitzerklamotten, die beim Tanzen nicht einengen und das Körperbewusstsein der Kunden stärken sollen.
Berlin – Trägt jemand im Club das gleiche T-Shirt wie Sheila Ilzhöfen, 25, ist der Abend für die gebürtige Münchnerin gelaufen. Sie will sich schließlich von der Masse abheben. Deswegen entwirft sie schon einmal extra für einen Besuch im Berliner Techno-Club Berghain ein neues Outfit. Es ist ein schwarzer Body mit Netz und Federn. „Das ultimative Berghain-Outfit“, sagt Sheila.
Nach dem Abitur ist sie nach Berlin gezogen, um dort Modedesign zu studieren. Sie brach ihr Studium allerdings kurz vor dem Abschluss wieder ab und gründete dann ein eigenes Modelabel für bunte Glitzerkleidung. Als Sheila zum ersten Mal den selbst entworfenen Body trug, wurde sie so oft wie noch nie an einem Abend auf ihre Kleidung angesprochen. Auch ihren Freundinnen fielen diese Stücke sofort auf. Doch ein eigenes Label? Das erschien Sheila lange Zeit zu unsicher. Durch Ana Alcazar, das Modelabel ihrer Mutter Be Ilzhöfer, kennt Sheila die knallharte Modebranche. „Es gibt wahnsinnig viele talentierte Jungdesigner. Besonders in Berlin. Doch die kennt niemand, obwohl sie so talentiert sind“, sagt sie. „Als Kreativer in der heutigen Zeit musst du dich gut vermarkten können. Talent alleine zählt nicht“, sagt die junge Frau mit den blonden Locken und den dunklen Augen. Die Basics des Modedesigns habe sie an der Modeschule Esmod gelernt und bei ihrer Mutter. Aber jetzt muss es irgendwie weitergehen.
Denn sie hat ihr Modedesign-Studium an der Esmod ja abgebrochen. „Man findet keine Inspiration, wenn man in einem stillen Kämmerchen in der Schule sitzt“, sagt Sheila. Eine Weile stürzte sie sich in das bunte Partyleben der Hauptstadt. Beim Feiern in den Berliner Clubs Kater Holzig, Watergate und Sisyphos lernte sie viele Menschen aus aller Welt kennen und schaute sich ihre Outfits genau an.
Jetzt hat sie begonnen, Mode-Management an der MDH zu studieren. Denn eine von den talentierten, aber unbekannten Modedesignerinnen will sie nicht bleiben, sie will ihre Kleidung auch vermarkten können.
Immer mehr Freunde tragen mittlerweile auch schon Sheilas selbstgemachte Kleidung und immer mehr Leute fragen sie, ob sie ihre Klamotten auch verkauft. Also hat sie angefangen, die Sachen, die sie ursprünglich nur für sich selbst genäht hat, zu vervielfältigen. Doch nie mehr als zehn Stück vom selben Style, es soll etwas Besonderes bleiben. Wie bei einer Tupperware-Party kamen Sheilas Freundinnen zu ihr. „Meine Wohnung war voller kreischender halb-nackter Mädels, die meine Sachen anprobierten“, sagt Sheila. Das war also der Anfang des ersten eigenen Modelabels.
Sheila ist es wichtig, Kleidungsstücke zu entwerfen, in denen man sich auch beim Tanzen wohlfühlt und in denen man sich auch einmal auf den Festivalboden setzen kann, wenn die Füße müde sind vom vielen Tanzen. Es soll bequem sein. Sie verwendet keine festen Stoffe. Nichts soll einschnüren oder zwicken.
Auch das Körperbewusstsein ihrer Kunden will sie stärken. „Man braucht keine Kleidergröße 34, um sich wohl zu fühlen. Ich bin auch ein normales Mädchen und sehe normal aus. Ich will nicht, dass man meine Sachen sieht und sich denkt, dass es geil aussieht, man es aber nicht selbst tragen kann. Es gibt nicht nur ein Körperideal“, sagt Sheila. Sie fühlt sich von der üblichen Mainstream-Mode nicht mehr repräsentiert. „Ich möchte mich vervollständigt fühlen von dem, was ich gerade trage. Nicht eingezwängt oder beengt.“
„Ich möchte mich
vervollständigt fühlen von dem,
was ich gerade trage.“
Mit diesem Konzept hat sie auch schon erste Erfolge: Auf einem Markt für junge Designer blieb die Bloggerin Marlen Stahlhuth von Paperboat an Sheilas Stand mit Glitzerklamotten stehen. Für eine MTV-Modestrecke nahm sie gleich ein paar Teile mit. Die Besitzerinnen des Berliner Geschäfts Coexist lernte Sheila zufällig kennen, von einer Praktikantin bei Workaholic, einem Shop, der sich auf Vinyl und Fashion im Electro-Bereich spezialisiert hat, wurde sie auf einem Jung-Designer-Markt angesprochen. Mittlerweile werden Sheilas Sachen in diesen Läden in Berlin verkauft. Auch auf Online-Shopping-Portalen wie Asos kann Sheilas ausgeflippte Mode gekauft werden.
Tops gibt es bei Sheila ab 35 Euro, die Bodys liegen bei 70 Euro und Jacken bei 120 Euro. „Es soll für die Zielgruppe bezahlbar sein. Aber man konkurriert mit Läden wie American Apparel. Das ist schon schwierig“, sagt Sheila. Ihre Einnahmen steckt die junge Frau gleich wieder in Stoffe für neue Designs.
Der Name „ALLES Berlin“ ist der jungen Designerin beim Nähen eingefallen. Auf einen alten Briefumschlag skizzierte sie ein Logo und probierte mit verschiedenen Schriften herum. Einen durchsichtigen Anhänger des Logos aus Plexiglas, der je nach Lichteinstrahlung die Farbe wechselt, ließ sie von Freunden in Berlin anfertigen. „Den Anhänger schenke ich meiner Crew und allen, die mich unterstützt haben“, sagt Sheila.
Vergangenes Jahr zeigte Sheila ihre Kollektion auf der Alternativen Fashion Week in Berlin. Dieses Jahr hat sie keine Zeit, eine Show vorzubereiten, denn die Uni geht vor. In ihrer Freizeit schmiedet Sheila jedoch Pläne: „Ich will mit dem Label noch so viel ausprobieren. Mehr arty werden. Abgefahrene Modenshows machen. In England und Japan. Gerade spezialisiere ich mich auf Frauensachen, nach meinem Abschluss 2017 will ich mich auch an Männermode herantrauen“, sagt sie.
Stefanie Witterauf
Foto: Helena Blachier