Lippenstiftbekenntnisse

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Alexandra Lederer, 21, aus Dachau, nennt sich Make-up-Artist. Schmink-Künstlerin? Nach ihrem Abitur machte sie eine dreimonatige Ausbildung, jetzt studiert sie BWL. Schminken ist dennoch mehr als ein Hobby für sie – gerade jetzt, da sie Teil einer groß angelegten, Kampagne eines Kosmetik-Konzerns ist: bei einem europaweiten Make-up-Artist-Contest.

SZ: Alexandra, im Mai findet das Finale des „Brush Contests“ von L’Oreal Paris statt. Du trittst für Deutschland an und konkurrierst mit Gewinnern aus elf Ländern um einen Vertrag bei dem Kosmetikkonzern und um ein Preisgeld von 100 000 Euro. Dass Du dabei Teil einer großen Werbekampagne bist, stört dich nicht?

Alexandra Lederer: Ich habe mir darüber, ehrlich gesagt, noch nicht so viele Gedanken gemacht. Durch meine Teilnahme bekomme ich Aufmerksamkeit für mich und meine Arbeit. Dadurch habe ich ja keinen Nachteil.

Das ist die eine Seite.

Klar. Man muss in Kauf nehmen, dass der Wettbewerb Teil einer Kampagne ist. Sonst würde der Sieger ja auch kein Geld oder einen Vertrag bekommen.

Beim Online-Voting bist Du eine Runde weitergekommen, obwohl Du nicht so viele Abonnenten auf deinem Youtube-Kanal oder auf Facebook hast – und das im Vergleich zu Youtube-Größen mit teilweise mehr als 60 000 Fans. Wie erklärst Du dir das?

Ich konnte viele Leute mobilisieren, um für mich zu voten. Auch meine Freunde und meine Familie haben für mich Werbung gemacht. Am Ende haben dann sogar Leute aus Neuseeland, Rumänien und Spanien für mich abgestimmt. Wir haben von dort Anrufe bekommen, weil die Bekannten wissen wollten, ob ich denn weitergekommen bin. Und ich dachte mir: Woher wisst ihr das? Ich war überwältigt, wie mir alle geholfen haben. Ich denke, die Leute hätten nicht für mich gestimmt, wenn es ihnen nicht gefallen hätte.

Braucht man überhaupt einen Schminkweltmeister?

Braucht man eine Casting-Show? Das kann man ja dann auch fragen, oder?

Eine gute Frage.

Es geht darum, dass es für mich als Make-up-Artist eine der größten Chancen ist, durch solch einen Contest innerhalb kurzer Zeit viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber wenn man sich mit der Materie nicht auskennt, egal, ob es um Visagisten, Fotografen oder Models geht, dann kann man das wahrscheinlich nicht nachvollziehen, dann wirkt das unnatürlich. Das stimmt.

Kommt es Dir auf Bekanntheit an? Du hast lange Zeit – auch schon vor dem Wettbewerb – einen eigenen Kanal mit Make-up-Tutorials betrieben.

Noch vor der Ausbildung habe ich angefangen, Make-up-Tutorials zu drehen. Das habe ich auch länger als ein Jahr geheim gehalten – in der Schule und vor meiner Familie. Irgendwann hat es meine Schwester herausgefunden, als sie in meinem Zimmer war und gesehen hat, dass ich gerade ein Video hoch lade. Nach und nach haben es auch meine Freunde im Internet herausgefunden.

Und dann?

Dann stand ich auch dazu. Es war mir damals einfach unangenehm, weil ich wahrscheinlich einfach noch nicht selbstbewusst genug war.

Nicht selbstbewusst? Das ist doof, geht es bei Youtube nicht rein um Selbstdarstellung?

Ja, aber es hat mir allgemein Spaß gemacht, Videos zu machen, Filme zu drehen und zu schneiden. Es ging ja nicht nur um Make-up. Ich habe ja auch noch andere Dinge auf meinem Kanal gezeigt.

Du warst also nicht auf Aufmerksamkeit oder sogar Reichtum aus?

Nein, es war gar nicht darauf ausgelegt, damit Geld zu verdienen. Bei den paar Abonnenten, die ich hatte, erst recht nicht. Das war mehr eine Freizeitbeschäftigung. Ich schaue aber privat mittlerweile mehr Youtube-Videos, als ich zum Beispiel Fernsehen schaue.

Mal ehrlich. Du kommst nach der Uni auf Deinem Fahrrad angeradelt, bestellst einen Soja-Cappuccino und trägst nicht mehr als Wimperntusche im Gesicht. Den durchschnittlichen Make-up-Artist stellt man sich irgendwie anders vor.

Ich habe auch relativ spät angefangen, mich selbst zu schminken, da war ich, glaube ich, 15 oder 16. Das ist mittlerweile echt spät. Heute geht das ja mit zwölf schon los. Mittlerweile, da ich so oft andere Menschen schminke, probiere ich mich an mir selbst gar nicht mehr so sehr aus.

Eine potenzielle Schminkweltmeisterin schminkt sich selbst nicht mehr?

Ja, weil ich mein Gesicht auswendig kenne und das langweilig ist. Es macht viel mehr Spaß, andere zu verwandeln und dann die Reaktionen von ihnen zu sehen.

Du klingst bescheiden.

Es gibt sicher Menschen, denen man anmerkt, dass sie viel darauf geben, Teil der Mode- und Beauty-Welt zu sein. Aber ich verstehe gar nicht, warum man deswegen eingebildet sein sollte. Ich bin immer noch die Alex aus Dachau, ich mache mein Hobby, ich studiere nebenbei und dass ich jetzt bei diesem Contest dabei bin, ist natürlich megacool.

Interview: Melissa Ludstock

Foto: Frank Berger