Albumkritik // The Tonecooks – Postcards From The Sun

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Mit treibenden Mitsing-Refrains und funky Gitarren zogen die vier Münchner in den vergangenen Jahren durch die Indie-Clubs der Stadt. “Postcards From The Sun” heißt nun ihr neues Album. Voller Musik, die gleichermaßen zum Tanzen und Träumen verleitet

Jungen Bands, so könnte man
meinen, fällt es immer schwerer, eine markante musikalische Handschrift zu
entwickeln. Seitdem Legenden wie Queen oder Pink Floyd vor über 30 Jahren anfingen,
die Popmusik zu revolutionieren ist unglaublich viel passiert. Grenzen selbst
neuartiger Genres wie Psychadelic oder auch Indie scheinen weitestgehend
ausgeleuchtet zu sein. Kraftklub, die bekannte Deutsch-Rap-Rock-Band betitelt diesen
Drang einer Generation nach mehr Selbstdefinition ernüchtert „Egal wo wir
hinkommen, unsere Eltern waren schon eher hier“.  Die frische Indie-Platte „Postcards From The
Sun“ von den Münchnern The Tonecooks zeugt hingegen davon, dass die
Landeshauptstadt sich auch zukünftig keinesfalls auf musikalische Uniformität
einzustellen hat.

Bereits in ihrem ersten Album
„Camel And The Ghost Train“ bewiesen die vier Münchner ein feines Gespür für
einen kreativen und neuen Sound. Funkverhangene Gitarren und treibende Mitsing-Refrains
sollen auch auf dem neuen Album nicht fehlen. Zunächst aber zum instrumentalen
Opener „Nuage Noir“, mehr subtil anmutendes Präludium als Vorschlaghammer. Die
surrenden Gitarren und das Bass-Solo geben gleich zu Beginn den Ton der Platte
an. Denn die findet in den fein-verspielten Instrumentalteilen und
psychedelischen Rhythmen ihre Highlights.

Mit dem darauffolgenden „Carry On“ nimmt das Album dann richtig an Fahrt auf. Die aufwühlenden Schlagzeugbeats
und der eingängige Refrain lassen Tanzstimmung aufkommen. Wahrscheinlich ist es
auch das so verspielte und schnörkelreiche Zusammenspiel von Lead- und
Rhythmusgitarre, dem die Tonecooks ihren so wiedererkennbaren Sound verdanken.
„Dreaming Of Home“ hingegen schlägt ruhigere Töne an. Es ist ein tiefgängiger,
nachdenklicher Song über einen abgehängten alten Mann ohne Sinn für den
Wirrwarr der modernen Welt.

Der Titeltrack „Postcards from
the Sun“
ist ein echter Knüller. Er holt den scheinbar so fernen Festivalsommer
zurück. Jedenfalls gehören der hymnische Refrain und die Gitarrenriffs viel
eher auf große Festivalbühnen als in kleine Kellerclubs. Das abgedrehte Vor-
und Zwischenspiel macht den Song zum wohl reifsten des ganzen Albums.

Als Ruhepol vor dem großen Finale
fungiert „Alright“. Es ist der einzige akustische Song der ganzen Platte. Ganz
anders die folgenden „Rising“ und „Expectations“. Hier dominieren verzerrte
Gitarren und die markante Stimme des Sängers Julius Krebs. Zwei kraftvolle
Nummern, die beide jedoch ein Stück zu sehr lauter Rock-Song sein wollen und eher
überladen scheinen. Live funktionieren die Songs hervorragend, auf Band wirken
sie ein wenig kontrapunktierend.

Den Schlussauftritt machen die
ineinander gekoppelten Stücke „The Bay I“ und „The Bay II“. Rauschhaft bauen
Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang immer weiter aufeinander auf und münden in
ein mal lautes, mal leises Gitarrenfeuerwerk. Ein mehr als würdiger Abschluss
für ein Album das sich immer wieder wie eine wunderschöne Reise hören lässt.

Die Tonecooks verpacken solch ausführliche
kreative Ausflüge in ihre ganz eigene und handgemachte Form von Musik. In eine
erfrischend neue Symbiose. In der einzigartig viele musikalische Ideen auf engstem Raum
gesammelt wurden. “Postcards From The Sun” dürfte viel frischen Wind in die hiesige Indie-Szene bringen. Es ist ein Album das eindeutig Lust auf mehr macht. 

Wie weit die kreative Reise durch
das interstellare System wohl ging? Von der Sonne haben die Münchner zum Glück
ein paar Postkarten mitgebracht. Und das wird gefeiert: Am Montag, den 30.
Oktober ab 20 Uhr 30 in der Milla.

Text: Louis Seibert

Foto: Julian Lopez

Albumkritik: Lester – Die Lüge vom großen Plan

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Die Deutsch-Punker von
Lester veröffentlichen ihr Debütalbum Die Lüge vom großen Plan – eine
bodenständige Platte aus zehn soliden Songs, mit treibenden Grooves,
anspruchsvollen Texten und Mitgröl-Refrains.

“Warum schreibt ihr ein Lied über das
Zoofachgeschäft in der Müllerstraße 17?” Das ist wohl die erste Frage, die man Lester
stellen würde, hätte man endlich eine Kopie ihres Debütalbums Die Lüge
vom großen Plan
erstanden. Die Wahrheit: An der dubiosen Adresse im
Glockenbachviertel gibt es gar kein Zoogeschäft, sondern nur einen
Schönheitssalon, das Bistro “Kartoffelglück” und die Sunshine-Bar.

Lester machen Deutsch-Punk, oder wie sie es
nennen, Heavy Pop. Ihre Songs sind simpel gehalten: einfache Harmonien, wenig
Melodie ohne virtuose Ausbrüche, aber dafür immer mit einem treibenden Beat am
Schlagzeug – ganz Punkrock eben. Dennoch sind die Texte nicht wie im Punk
politisch-provokant, sondern handeln viel mehr vom Leben der einfachen Leute,
vom Aufbruch, dem Streben nach Glück, von verwirklichten und unverwirklichten
Träumen. Deshalb Pop – sie holen ihre Hörer da ab, wo sie stehen. Mitten im
Leben.

Auf ihr erstes Album packen die Jungs nun zehn
energiegeladene Songs plus einen Bonustrack. Mit besagtem Zoofachgeschäft,
Müllerstraße 17
und dem zweiten Track Blickdicht kommen die
Highlights direkt am Anfang, wobei der stadionhymnen-ähnliche Refrain von
Blickdicht unweigerlich an die Toten Hosen erinnert – wahrscheinlich auch durch
die kratzige Stimme von Sänger Andy, die der von Campino doch recht ähnlich
ist.

Danach lässt das Album an Druck nach. Die
treibenden Beats bleiben, doch das Mitsingpotenzial lässt nach. Eine Ausnahme
bildet die Halftime-Nummer Sieben Zoll, die mit der Mitgröl-Zeile “sich
verliern in vier Akkorden, ist alles was du brauchst” wohl die letzte
Gemeinsamkeit der heutigen Popmusik mit dem Punkrock thematisiert. Auch die
Leitmotive “Welle” und “Licht”, die über das ganze Album verstreut immer wieder
eine Rolle spielen, werden hier besonders deutlich. Der balladenhafte Song Sekundenschlaf
leitet den Schluss der Platte ein, bevor mit Dackelblut und dem
Bonustrack Helden nochmal Vollgas gegeben wird.

Lester verzichten in der Produktion auf sämtliche studiotechnische Spirenzchen.
Die vier Jungs mit Gitarren, Bass und Schlagzeug werden ausschließlich im
Schluss von Dackelblut von einem Bläsersatz unterstützt. Freunde
musikalischer Abwechslung werden deshalb wohl nicht komplett auf ihre Kosten
kommen, aber diese Reduktion aufs Wesentliche ist vor allem eins: ehrliche,
handgemachte Musik. Und das ist im Jahre 2017 nun mal eher die Ausnahme als die
Regel.

Deshalb klingen Lester auf der Platte genauso
wie live. Und dass sie live eine echte Sensation sind, haben sie ja bereits auf
dem letzten Freundschaftsbänd-Abend bewiesen. Wer sich davon nun selbst
überzeugen will: Die Band feiert am Donnerstag, den 01. Juni die Albumtaufe der
Lüge vom großen Plan im Feierwerk.

Text: Max Mumme

Foto: Lester

Debüt-Album “Heads and Tales” von den Kytes

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Endlich ist es da! Das neue Album der Kytes “Heads and Tales” verspricht wie schon die Vorgänger-EP besten Indiepop made in Munich. Welche Songs darauf zu finden sind und worauf ihr gespannt sein dürft, gibt es vorab schon hier.

Man kann es kaum glauben, dass mit “Heads
and Tales” erst das erste Album der Münchner KYTES erscheint. Zu präsent war die
Band im letzten Jahr in der Münchner, ja sogar in der deutschen Musikszene. Und
so ganz stimmt das dann doch nicht, sind doch vier der fünf Lieder der EP, die
sie vor über einem Jahr veröffentlichten, wieder auf dem Album zu finden. Und
wie klingt der Rest?

Die vier Jungs, aus denen KYTES bestehen –
Michael Spieler, Thomas Sedlacek, Kerim Öke und Timothy Lush – setzen genau das
fort, was sie mit ihrer EP begonnen haben. Schon der Opener der Platte und die
erste Single “I Got Something” gibt die Marschrichtung vor:
gefälliger Indiepop, der mit schöner Melodie und eingängigen Texten zum
Mittanzen einlädt. Dasselbe gilt für “Head To Toe” – mit dem die
vier Musiker gleich ihren nächsten Hit geschrieben haben könnten – und
“Heads Underwater”. Beide klingen wahnsinnig rund, beide würden wohl
das Publikum auf einem Indiefestival zu Begeisterungsstürmen bringen.

Dass die KYTES auch anders können, zeigen
sie im funkigen “Two of Us”, das einen angenehm ruhigen Kontrast zum
furiosen Beginn des Albums bietet.  In
den reiht sich “Spy” dann wieder nahtlos ein, mit ruhigen Beginn und
explosivem Chorus. Auffällig auch “As We Row”, in dem die E-Gitarre
dominanter zu hören ist, als in den meisten anderen Liedern und das Keyboard
erst etwas später einsetzt. Das ist eindeutig eins der stärksten Lieder von
“Heads and Tales”.

Und nach dem vorab bereits bekannten
“Inner Cinema” folgt mit “Talk” das vielleicht interessanteste
Lied des Albums, das mit sehr reduziertem Einsatz der Instrumente startet und
sehr viel Raum für Michaels aussdrucksstarke Stimme lässt. Generell könnten die
KYTES auch der vibirierenden biritschen Musikszene entspringen, aus der
innovative Vertreter moderner Indiemusik wie HONNE oder die Coasts langsam auch
in Deutschland Erfolge feiern. Dass die vier Münchner der Szene einen
Schnellstart verschaffen könnten, zeigt auch der letzte Teil des Albums.

Nach dem energetischen “Room 509”
und dem zurückgenommenen “In The Morning” geben die KYTES im
getragenen “Future Kids” schon fast selbst eine Prognose über ihre
Zukunft – möglicherweise als Zukunft der Münchner Musikszene. Ihr bisher
größter Hit, “On the Run”, eignet sich danach auch sehr gut, um den
letzten ruhigen Teil des Albums aufzubrechen. Und “Sirens” ist dann
schließlich ein klassischer Closer, der noch einmal einige Motive von
“Heads and Tales” aufgreift.

War
es also eine Fehlentscheidung so viele bekannte Lieder mit auf das Album zu
nehmen? Die Antwort ist ein klares Nein. Die KYTES schaffen es, trotz
riesiger Erwartungshaltung im Vorfeld, eine frische Platte abzuliefern. Die
bekannten Lieder integrieren sich gut und die neuen überraschen in ihrer
Vielseitigkeit. “Heads and Tales” könnte ein großer Wurf sein und
eine Initialzündung für eine ganze Szene in Deutschland.

Von: Philipp Kreiter

Foto: KYTES

Albumkritik: The Charles – Rhythm & Fiction

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Am dritten Juni erscheint das erste Album der Münchner Band The Charles und ihrem Frontman Xavier D’Arcy. “Rhythm and Fiction” wird es heißen – wir hatten die Gelegenheit vorab reinzuhören…

Auf der Facebook-Seite
der Münchner Rockband The Charles kann man seit Kurzem ein besonderes Bild
bestaunen: Es zeigt Charles-Gitarrist Konna Solms zusammen mit dem legendären
Led Zeppelin Gründer und Gitarristen Jimmy Page. Man weiß nicht ob und worüber
die beiden sich unterhalten haben, doch das neue Album der vier Münchner legt
zumindest den Eindruck nahe, dass Jimmy Page den ein oder anderen Tipp gegeben
hat.

Um es gleich zu Beginn
klarzustellen: Wer eine etwas rockigere Version von Sänger Xavier D’Arcys
Soloprojekt erwartet hat, wird enttäuscht. The Charles haben ihren eigenen
Sound gefunden, was auch an den Fähigkeiten der vier Musiker liegt. Und so
beginnt “Hoodoo”, der Opener von “Rhythm & Fiction”,  eben nicht nur mit einem durchdringenden
Schrei von D’Arcy sondern auch mit dem sehr klar abgemischten und von Emi
Obermeier virtuos gespielten Schlagzeug.

Genau das gibt die
Richtung für das restliche Album vor: jeder einzelne Song sprüht vor Energie,
ob es “Gasoline” mit dem langsamen Aufbau hin zu einem tanzbaren
Refrain ist oder “Costa del Sol”, das durch eine dominante Basslinie
von Bassist Maxim Frischmann besticht. Mit “Concrete Paradise”
gelingt den vier Münchnern ein starker Rocksong, der dank Solms’ Gitarrensolo
zu den stärksten Liedern des Albums zählt. Und das darauf folgende
“Gloria” ist völlig zu Recht die erste Single gewesen, ist es doch
das eingängigste und wahrscheinlich auch tanzbarste Lied der Platte.

Ein bisschen ironisch
mutet “Death of Rock’n’Roll” an, ist doch das Lied, das das Ende des
Rock’n’Rolls besingt gerade das Gegenteil. Mit dem einfachen und doch
eingängigen Rhythmus könnte das Lied auch auf einer Best of Classic Rock
Compilation zu finden sein – und wäre dort wohl eines der besseren Lieder. In
eine ähnliche Richtung geht auch “Knockout Blows”, das mit Background
Gesang im Chorus etwas sanfter gerät.

Und dann folgt mit
“Run” auch schon das zehnte und letzte Lied der CD, aber was für eines!
Mit über neun Minuten Spielzeit haben die vier Musiker damit ein Rock-Epos
geschaffen, das das ganze Spektrum des Albums noch einmal gekonnt zeigt. Und
vielleicht beantwortet dieses Lied auch die Frage nach den Tipps von Jimmy
Page: episch, tanzbar, handwerklich einwandfrei, melodisch eingängig – The
Charles bieten mit “Rhythm & Fiction” alles, was man von einem
ganz großen Rockalbum erwartet

The Charles werden ihre
neue Platte “Rhythm & Fiction” im Strom am 03.06.2016
präsentieren. Tickets sind noch erhältlich.

 

Von: Philipp Kreiter

Albumkritik: On the Shoulders of Giants

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Wolken, Engel, Einhörner und die drei Weisen aus dem Morgenland. Die Band On the Shoulders of Giants bietet nicht nur überraschend andere Bühnenshows und Verwechselspiele, sondern auch ehrlichen Rock mit Folk-Einschlägen, der zwar noch leichten self-made Charakter aufweist, aber nicht aus den Augen verloren werden sollte.

„Auf den Schultern von Giganten, vielleicht landen wir nie“ rappt der Bielefelder Musiker Casper und wenige nehmen das Zitat so wörtlich, wie die dreiköpfige Band On the Shoulders of Giants. Zu dem Releasekonzert ihres neuen Albums Lost and Found einen Tag nach dem Dreikönigstag kommen sie verkleidet als die drei Weisen aus dem Morgenland. Und „Caspar“, „Melchior“ und „Balthasar“ kündigen dann in einer spektakulär schrägen Bühnenkulisse aus Wolken, Engeln und Einhörnern an, dass sie die neue On the Shoulders of Giants-Platte super finden. Und zwar so super, dass sie jetzt als Coverband der selbigen unter dem Namen On the Shoulders of Jesus auftreten.

So weit, so abgefahren. Doch was kann man nun von einem Album erwarten, das in einer so abgedrehten Atmosphäre präsentiert wird? Die Antwort: eine überraschend ernsthafte und unprätentiöse Rockplatte mit Folk-Anklängen. Schon das erste Lied „Lost in Salvation“ beginnt mit einer dominanten E-Gitarre und lässt Bilder von Lederjacken, Whiskey und dem einsamen Wolf mit seiner Gitarre entstehen. Und spätestens wenn Sänger Chris Carbonaro mit dem treibenden “Monster” das eindeutige Highlight des Albums anstimmt, fühlt man sich nicht nur an die Bananafishbones erinnert. Viele Lieder, wie etwa “Last Minute Phoenix” oder das unterhaltsame “Max” wecken Assoziationen zu der Aufbruch – und Road-Trip-Musik von Musikern wie Tenascious D.

Aber man bemerkt auch den „self-made“-Charakter des Albums – teilweise ist das Schlagzeug etwas zu laut abgemischt, teilweise weist der Sound noch Ecken und Kanten auf. Aber auch das verleiht der Platte eine angenehm authentische Tonalität. Es lohnt sich also On the Shoulders of Giants im Auge zu behalten. Es wird spannend zu sehen, wie sie sich nach dem Abgang ihres Leadgitarristen entwickeln werden. Wenn ihr Weg trotzdem der gleiche bleibt, ist gerade heutzutage in Zeiten überproduzierten Mainstream-Pops, ein ehrliches, schnörkelloses Konzept eine wirkliche Bereicherung.

Philipp Kreiter

Foto: Benedikt Dietz