Band der Woche: Alisha Prettyfields

Unplugged als Format wurde einst von MTV ins Leben gerufen und hat sich inzwischen etabliert. Singer-/ Songwriter wie Alisha Prettyfields zelebrieren die unverstärkte und unverzerrte Musik. 

Kurz vor Weihnachten ereignete sich eine dieser schön absurden Fehlinszenierungen der Popmusik: Der Stuttgarter Kuschel-Rapper Cro trat unplugged in der Münchner Olympiahalle auf. Unplugged wurde als Format einst von MTV erfunden, um die Musik von Bands, die normalerweise alles andere als unverstärkt auftreten, in einem intimen Klang erscheinen zu lassen. Aus den Effektgeräten ausgestöpselt sollte die Musik dabei auf ihre Essenz heruntergebrochen werden und im skelettierten Klang ihre nahbare Schönheit abseits großer Pop-Inszenierung zeigen. Nun, selbst das legendäre Unplugged-Konzert von Nirvana 1994 war zwar alles andere als uneingestöpselt, aber immerhin verzichtete man damals auf Verzerrer, und das Schlagzeug wurde mehr gestrichen als geschlagen. Und das Cello – natürlich zusätzlich in die vormaligen Rocksongs hineinarrangiert – gab dem Ganzen noch einen sinnlichen Anstrich. In der Olympiahalle trat Cro natürlich weder intim noch unplugged auf, schon die große Halle als Ort vereitelt diesen Plan im Kern und höhlte den unplugged-Begriff aus. 

Das Label unplugged gebührt heute vielmehr den vielen Songwritern, die meist mit Akustik-Gitarre und großteils in eher zarteren Tönen versuchen, in der Musikszene anzukommen. Doch auch wenn der Songwriter-Stil in den vergangenen Jahren durch meist bärtige amerikanische Männer wie Devendra Banhart oder allen voran Bon Iver auch ein wenig in den großen Hallen angekommen ist, findet sich der Großteil der Szene immer noch an anderen Plätzen. Denn der große Vorteil des Unplugged-Spiels ist der minimale technische Aufwand, der zum Konzertieren nötig ist. In kleineren Cafés etwa ist manchmal nicht einmal ein Mikrofon vonnöten. Das ist gleichzeitig auch ein Nachteil: Denn damit ist der zeitgenössische Großstadt-Songwriter der meist unbezahlte Nachfolger des Barpianisten, der durch Live-Musik unauffällig für eine wohlige Atmosphäre sorgt, aber definitiv nicht im Mittelpunkt des abendlichen Geschehens steht. Dieses Problem nimmt auch die Münchner Songwriterin Alisha Prettyfields wahr. „Ich persönlich finde es echt schade, dass man als Singer-Songwriter zu wenig honoriert wird“, sagt sie, es sei für einige selbstverständlich, dass die Musiker umsonst auftreten. Die Gitarristin und Sängerin, die bürgerlich Alisha Schönfelder heißt, macht seit 2013 unter diesem Namen Musik, ihr damaliger „Herzschmerz“ hatte sie dazu gebracht, die ersten Songtexte zu verfassen. Seitdem schreibt sie ruhig-melancholische Gitarrensongs, die eher die düstere Seite der Liebe betonen, aber dennoch auf wohlige Art hörbar bleiben. Bisher hat sie ihre eigenen Songs und dazu Cover-Versionen von Naheliegendem wie Bon Iver und Überraschendem wie der Punk-Band Rancid im Internet veröffentlicht. Vor Auftritten habe sie sich bisher eher gedrückt, sagt sie. Doch das soll sich 2017 ändern. Deshalb nimmt sie nun am Samstag, 21. Januar, am „Emergenza Bandcontest“ im Münchner Backstage teil.

Das ist noch so eine Besonderheit der Songwriter. Da ihre Art, Musik zu schreiben, eher unkomplizierter ist, als das bei Bands der Fall ist, vermitteln sie oft etwas Unkapriziöses und Zurückgenommenes. Und der Musikmarkt ist bei so einer Haltung oft harsch – jemand, der nicht auffällt, wird nicht wahrgenommen. Doch Alisha, die Kinder-Bildung und -Erziehung studiert, hat eine Ruhe, die der Musik gut tut. Und dann gibt es ja als leuchtendes Beispiel auch immer noch die Selfmade-Königin der Songwriterinnen: Aimee Mann, deren Platten einst kein Label herausbringen wollte, bis sie es selbst in die Hand nahm und wunderbar gelassene und gleichzeitig tief berührende Lieder veröffentlichte – ziemlich erfolgreich.  

Text: Rita Argauer

Foto: Monaco Sessions

Kunst wie Kamerablitze

image

Das diesjährige „Sound Of Munich Now“-Festival im Feierwerk zelebriert die bunte Musikszene Münchens – und blickt
zudem nach Augsburg und Regensburg. Revue eines mitreißenden Festivals

Rockige Riffs. Klick. Licht aus. Klick. Schulterblick, andere Bühne. Klick. Der Abend füllt sich mit Augenblicken, die einen so schnell erfassen wie der Blitz einer Kamera. Und sobald man die Augen wieder öffnen kann, kommt schon der nächste intensive Blitz. Die zarte Stimme von pourElise-Sängerin Henny Gröblehner. Klick. Balkan-Pop von Antun Opic. Klick. 

Eine 90-Grad-Drehung reicht aus, um in die Klangwelt der nächsten Band zu gelangen. Im Hansa 39 sind am Samstagabend die Bühnen, auf denen abwechselnd gespielt wird, nur einen Schulterblick voneinander entfernt. Der „Sound Of Munich Now“ rast vorbei, das Jetzt ist nur ein Sekundenbruchteil im Viervierteltakt. 

image

Der erste Abend, die Nacht von Freitag auf Samstag, hat der elektronischen Musikszene gegolten, die auch in München sehr vielfältig ist. Die Setlist des Abends will und soll diese Vielfalt ausdrücken. Früh am Abend tanzt man sich warm zu den Stücken von Jean Blanc und Mindsight. Viele junge Gäste haben sich am meisten auf Leon Weber alias LCAW gefreut, der für den ersten unvergesslichen Gänsehautmoment sorgt. Die Zeilen „colors fill my eyes when the day turns grey/ and I’m closer now to the path that takes/ me through all the doubts/ through all the clouds” des LCAW-Hits „Painted Sky“ singen einige in der Kranhalle mit. Die Klänge werden dann immer rauer, verworrener, trance-lastiger. Shimé sorgt für den musikalischen Umbruch, indem er gekonnt eine Brücke zwischen LCAWs eingängigen Hooks und den harten Techno-Beats von Pech&Schwefel baut. 

Der „Sound Of Munich Now Electronica“ hat etwas Einzigartiges. Während in den meisten Clubs höchstens drei DJs pro Abend auflegen, waren es hier acht. Shimé schätzt die Abwechslung, die der Abend bietet, als Möglichkeit für neue Ideen und Eindrücke. Am Ende der Show sind es die Frauen an den Turntables, die die tanzende Meute durch die tiefen Nachtstunden führen und sie mit jedem Beat ein Stück weiter von der Realität entfernen. Als die letzten Herbstvögel draußen zu zwitschern beginnen, verklingen Marcellas letzte Beats.

image

Einige Stunden später erwacht das Feierwerk wieder. Die Bühnen werden aufgebaut, schon vor 18 Uhr kommen die ersten Gäste. Die Schlange vor dem Festival, das seit acht Jahren die SZ gemeinsam mit dem Feierwerk organisiert, ist lang, manche sprechen schon von einem Warte-Rausch. Drinnen wird eine unglaublich hohe Anzahl von Acts geboten. Menschen stehen vor dem Timetable, um die Namen der Newcomer zu speichern. Geheimtipps, die man erst einmal googeln muss, findet man einige. 

Rapid eröffnen das Festival. Tanzbarer Ska. Klick. Indie-Beats von Future Days. Klick. Die Bands wechseln in einem derart schnellen Tempo, dass der Applaus gar nicht erst aufbranden kann. Das Bühnenlicht geht aus, und vor der anderen Bühne bewegen sich 15 Minuten lang die Menschen zu den rockigen Gitarrenklängen von Emmi King, da geht auch schon das Licht aus und die Halle füllt sich mit den ehrlichen Worten der Singer-Songwriterin Julia Kautz. Eine Gruppe von jungen Männern in schwarzen Punk-Klamotten schaut umher und findet nach einiger Zeit GrGr mit seiner Gitarre und seinen Gameboys. Ein Pärchen bewegt sich zu den Klängen von Matthew Austin & Matilda. Das Publikum ist bunt gemischt: Bartträger, Knöchelfrei-Hipster, Mädchen in Ringel-Shirts. Nur eine Gruppe fehlt: Lederhosen- und Laptopträger. 

image

Gleiches Bild auch auf den Bühnen von Augsburg und Regensburg. In der Kranhalle spielen We destroy Disco wie Coldplay auf Stadiontournee, sogar die Zeile „Lights will guide you home“ bauen sie in ihre Songs ein. King the Fu, eine weitere Indie-Band lässt den Menschen keine Tanzpause. Auffällig: In der ersten Reihe stehen die Musiker von We destroy Disco. Gegenseitiger Support wird beim „Sound Of Munich Now“ groß geschrieben. Verbunden sind die vielen Künstler, Veranstalter und das Publikum nicht nur durch ihre Heimatstädte, sondern vor allem durch das Interesse an der Musik, die sagt: So klingen wir. „Wir“ ist auch ein Begriff, den die Regensburger im Orangehouse feiern. „Cat Stash sind aus unserem Viertel“, sagt eine junge Frau, die extra aus Regenburg angereist ist. 

Die Verstärker werden noch schnell auf Augustiner-Kästen hochgehoben, es geht weiter mit Pop-Songs von MOLA – und bevor man sich umsehen kann, stolpert man in der Dunkelheit in den Backstage-Bereich, in dem sich Bandmitglieder gerade umziehen. Doch auch hier gibt es einen netten Plausch, man stößt gemeinsam an und wünscht sich noch einen guten Abend. So nah kommt man den Bands selten. Klick.

image

Intim wird es auch bei Nick And The Roundabouts, nur einen Schuh breit entfernt vom Bühnenrand stehen die drei Musiker: eine kurze Unplugged-Session und verträumt geht man in den Regen hinaus, der heute nicht das Argument ist, im Trockenen zu bleiben. Der wahre Grund: Innerhalb einer Raucherpause könnte man den Act des Abends verpassen, auch wenn der heiße Drummer von vorhin gerade am Falafel-Stand steht.

Soulige Beats erklingen von Claire Jul. Ihr Kleid ist bodenlang und verleiht ihrer Stimme Glamour, den man im Feierwerk nicht erwartet. Es wurde extra für den Auftritt von dem Pariser Designer Tarek Hocine entworfen. Blitzlichtgewitter wäre angebracht. Das gibt es dann bei Nick Yume, der als „einer der spannendsten Newcomer des Jahres“ anmoderiert wird. Und es stimmt – diese Stimme kann so vieles. Wer sie einmal gehört hat, kann sie nicht wieder vergessen.

image

Das „Sound Of Munich Now“ zeigt, welche Talente in dieser Stadt stecken, wie sehr die Menschen daran interessiert sind, einen eigenen Sound kennenzulernen, zu verbreiten und zu erhalten – mit Festivals wie diesem. Gegen Ende gibt es noch einen Richtungswechsel. Der Schulterblick bleibt. Monaco F und Bavarian Blast mischen das Publikum mit ganz anderen Tönen auf. Bairisch – da fühlen sich auch die Regensburger und Augsburger heimisch. 

21 Mal gab es an diesem Abend im Hansa 39 15-Minuten-Einblicke, die sich anfühlten wie Kamerablitze. Mit nur einem Klick vergangen, überraschend hell – und eindeutig in der Erinnerung haften geblieben.

Text: Sandra Will und Louis Seibert

Fotos: Stephan Rumpf

Weitere Fotos findet ihr auf unserer Facebook-Seite.