Abseits von Krieg und Gewalt

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Der Fotostudent Stefan Loeber lebt für seine Bachelor-Arbeit ein halbes Jahr lang in Tel Aviv. Er möchte mit seinen Bildern andere Seiten von Israel entdecken – ein Gespräch.

Es ist Krieg, als Stefan Loeber, 26, (Foto: Johannes Gerblinger) in den Flieger nach Israel steigt: Fast ein halbes Jahr will er bleiben, um das Land zu entdecken, um dort Fotos zu machen. Als der Münchner im August in Tel Aviv ankommt, sind es die brutalen Kämpfe in Gaza, jener „Krieg der Bilder“, die die ganze Welt medial verfolgt. Die militärischen Auseinandersetzungen sind zwar inzwischen vorbei, dennoch sind es die Bilder von gegenseitiger Gewalt, die man außerhalb Israels momentan wahrnimmt: Es sind Anschläge wie jene auf eine Synagoge in Jerusalem vergangenen Dienstag, die ein Öffentlichkeit finden. Doch Fotostudent Stefan möchte mit seinen Fotos andere Seiten von Israel entdecken, Bilder abseits von Krieg und Gewalt einfangen.

SZ: Israel ist ja momentan nicht das sicherste Reiseland. Was war die Motivation, ausgerechnet dort auf Fotoreise zu gehen?
Stefan Loeber: Ich studiere Fotografie und bin jetzt in Israel, um meine Bachelorarbeit zu machen. Mein Interesse liegt im Bereich der Porträt- und Reportagefotografie und deswegen wollte ich eben für längere Zeit in ein anderes Land, um dort etwas Neues zu sehen. Es hat sich dann angeboten, nach Tel Aviv zu gehen, weil meine Freundin ursprünglich aus Israel kommt und es natürlich spannend ist, sich mit den aktuellen Konflikten fotografisch auseinanderzusetzen.

Was für ein Gefühl war es, in ein Land zu fahren, in dem Krieg herrschte?
Ich kannte schon vorher Leute aus Tel Aviv und hatte so einen ganz guten Einblick, wie die Situation vor Ort ist – deswegen wusste ich, dass es „okay“ ist, dort hinzufahren, was die Sicherheit anbelangt. Aber klar, der Krieg lässt einen natürlich nicht so schnell los. Wenn man anderseits dann in den Alltag abtaucht, merkt man, dass hier auch vieles sehr normal ist und man vom Krieg gar nicht so viel mitbekommt. Manchmal kam ein Alarm, aber im Prinzip ist Tel Aviv eine sehr große, sichere Blase – der Krieg war hier eher eine emotionale Sache, denn die Gedanken daran kann man nicht ausblenden.

Die militärischen Auseinandersetzungen sind zwar vorbei, dennoch gibt es immer wieder Anschläge in Israel: Anfang November in Tel Aviv, vorigen Dienstag auf eine Synagoge in Jerusalem. Verändert so etwas das Sicherheitsgefühl?
Ich merke schon, dass ich viel darüber nachdenke und vorsichtiger bin als vorher. Bei uns in München wäre das ganz anders, aber hier haben sich die Leute an so etwas gewöhnt. Natürlich ist die Angst da, dass es wieder zu größeren Unruhen kommt, doch andererseits ist das ja auch nichts Neues: Es hat ja immer wieder Zuspitzungen des Konflikts gegeben – das ist im Prinzip nur eine Wiederholung von alten Tatsachen. Aber dass solche Anschläge wieder gehäuft passieren, zeigt eben, dass es auf beiden Seiten eine wahnsinnig große Radikalisierung gibt. Gerade wenn man mit Leuten darüber spricht, hört man oft ganz beiläufig sehr radikale Dinge. Häufig kann man diese Aussagen dann gar nicht einordnen, weil sie eigentlich von ganz normalen Leuten kommen. Das zeigt einfach, wie kaputt und gewalttätig die Ansichten der Gesellschaft hier mitunter sind.

Und die Eltern? Die sind vermutlich nicht so glücklich, wenn sich der Sohn entscheidet, nach Israel zu gehen.
Meine Eltern hätten mich wahrscheinlich lieber in München gesehen, dennoch haben sie immer respektiert, was ich tue. Aber natürlich kann man sich nicht vorstellen, wie es ist in Israel zu leben, wenn man in Deutschland ist und die Situation nur aus den Nachrichten kennt. Es ist wahrscheinlich schwer zu verstehen, dass man hier auch einen Alltag hat.

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In der Bachelorarbeit sollen keine Kriegsbilder reinszeniert werden, die das Israel-Bild vieler Deutscher geprägt haben – warum?
Ich sehe mich nicht als Kriegsfotograf oder dergleichen. Ich wollte eine Arbeit machen, die komplexer ist als die täglichen Nachrichten. Da ich noch nie in Israel war, wollte nicht schon mit einer fertigen Idee für meine Bachelorarbeit hier ankommen. Mir ist wichtig, das Land wirklich kennenzulernen und mir das Thema dann hier vor Ort zu suchen, ohne schon mit einer vorgefertigten Meinung aus den Medien an das Projekt heranzugehen. Dazu lerne ich gerade Hebräisch, unterhalte mich mit vielen verschiedenen Leuten und dabei merke ich eben, wie viele Themen und Geschichten es hier gibt, von denen man in Deutschland gar nichts mitbekommt – ich glaube, das ist es, wonach ich eher gesucht habe.

Bei dieser Suche sind unter anderem Fotos von der Organisation „The Parents Circle" entstanden. Worum geht es dieser Gruppe?
„The Parents Circle“ wurde 1995 gegründet und besteht aus circa 600 Familien sowohl jüdischer als auch arabischer Herkunft, die durch den Konflikt zwischen Israel und Palästina ein Familienmitglied verloren haben. Während des aktuellen Krieges haben sich die Mitglieder mehr als 50 Tage jeden Abend zu einer Demo in Tel Aviv getroffen, zu der sie Gesprächspartner eingeladen haben, um im Dialog einen anderen Weg der Konfliktlösung aufzuzeigen. Es ist leider so, dass der Gazakrieg von vielen israelischen und palästinensischen Bürgern unterstützt wurde und man vorsichtig sein musste, wie man sich dazu äußert.

Dennoch versuchen die Mitglieder des „Parents Circle“ durch verschiedene Aktionen den Dialog zu fördern.
Ja, ein wichtiger Teil ihrer Arbeit besteht zum Beispiel darin, in Schulen zu gehen, sowohl auf israelischer, als auch auf palästinensischer Seite und dort Aufklärung zu leisten. Konkret heißt das: Sie gehen mit einem Israeli und einem Palästinenser zusammen in die Schulen, diskutieren dort mit den Schülern, hören ihnen zu – Zuhören ist für sie eine Grundvoraussetzung, denn man muss wissen, wie der andere tickt und was ihn bewegt, wenn man etwas verändern will.

Wie reagieren die Schüler darauf?
Die Diskussionen sind meist ziemlich hitzig, denn für manche der Schüler ist das wirklich die erste Konfrontation mit der „Gegenseite“, aber sie haben die Klasse immer im Griff. Diese Menschen haben erlebt, wie es ist, ein Familienmitglied zu verlieren – denen hört man ganz anders zu.

Im September gab es ein Gespräch der Mitglieder des „Parents Circle“, das besonders emotional war.
Ja, das war ein sehr spezielles Treffen, weil sich die beiden Seiten das erste Mal nach dem Krieg wieder begegnet sind. Dementsprechend waren sehr viele Emotionen da und bei dieser Begegnung ging es auch darum, Luft rauszulassen und gegenseitig wieder Verständnis aufzubauen. Dieser Prozess ist einfach mit sehr viel Arbeit verbunden und muss immer wieder im Gespräch erneuert werden.

In einer so komplizierten Auseinandersetzung wie der zwischen Israel und Palästina ist es schwer, eine neutrale Position einzunehmen – wie geht man in seiner fotojournalistischen Arbeit damit um, dass man nicht neutral sein kann in dieser Situation?
Es gibt sehr viel einseitigen Journalismus über den Konflikt, aber das Thema ist einfach sehr komplex. Es ist eine Utopie zu glauben, dass es leichter wird, das zu verstehen oder eine klarere Meinung zu dem Thema zu haben, wenn man selbst in Israel ist. Deswegen fand ich „The Parents Circle“ so interessant, weil dort beide Seiten gleich stark vertreten sind. Wenn ich eine Position gegenüber diesem Konflikt habe, dann die, dass auf beiden Seiten sehr viel Schlechtes passiert ist und es nichts hilft, sich all diese Dinge immer wieder vorzuwerfen. Man muss jetzt nach einer konkreten, möglichst gerechten Lösung suchen und die Gewalt- und Hassspirale beenden. Interview: Carolina Heberling

Mehr über Stefans Reise erfahrt ihr unter http://www.stefanloeber.de/ und https://www.facebook.com/StefanLoeberPhotography.

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