Musikvideos zeigen Geschichten – und diese zu erzählen ist unser Ziel. Wir haben die Videos Münchner Bands stummgeschaltet und festgehalten, was die Film-Clips beschreiben. Diese Woche: Sad Songs von Emmerich.
Es hätte so eine schöne Alien-Trash-Romanze sein können. Ein Typ mit langen Haaren und Hippie-Schnauzer fährt friedlich Skateboard. Auf einmal kommt ein schlecht animiertes Alien auf die Erde. Alle erwarten den Ausbruch eines intergalaktischen Krieges. Doch weil das Alien als erstes auf den friedlich skatenden Typ mit langen Haaren und Hippie-Schnauzer trifft und sich beide direkt verlieben, bleibt der intergalaktische Krieg aus. Stattdessen erkundet man gemeinsam die Erde und das Weltall, tanzt zusammen, macht „happy alien noises“. Friede, Freude und unbekannte Flugobjekte. Alle sind glücklich, man klatscht, und weil die ganze Story nicht in einen zweistündigen Kinofilm, sondern nur in ein dreiminütiges Musikvideo gesteckt wurde, fühlt man sich danach auch noch wirklich gut unterhalten.
Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, hier stimmt etwas nicht. Für „Friede, Freude und unbekannte Flugobjekte“ tauchen teilweise zu viele traurige Schwarz-Weiß-Sequenzen auf. Und dann schaut der Protagonist manchmal so gequält in die Kamera und das Alien so traurig zu Boden. Nimmt die Skateboard-Fahrt durchs All gegen Ende nicht eher verzweifelte Züge eines Fluchtversuchs an? Und wirkt der Typ mit langen Haaren und Hippie-Schnauzer mit seiner gebückten Haltung während des Gitarrespielens nicht irgendwie gefangen in seinem sich ewig im Kreis drehenden Universum? Ist das ganze Video nicht doch ein Hilferuf? Der Hilferuf des Protagonisten eines verbuggten Videospiels, der auf unbekannte Weise zu Bewusstsein gelangt ist und nun befreit werden möchte, natürlich. Das würde immerhin erklären, warum er sich nur wie in einem Side-Scroller nach rechts bewegen kann, warum er genau in der filmischen Zwischensequenz auf einmal andere Kleidung trägt und warum das Alien sich nach seiner Ankunft größtenteils nur noch in der T-Pose fortbewegt. Aber was tun, um ihn zu befreien? Alle Alien-Plüschtiere in Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 sammeln? Eine existierende Version des Alien-Skateboard-Shoot’em-Up-Arcade-Games Alligator Hunt von 1994 finden? Und was hat die Skateboard-Firma Alien Workshopdamit zu tun? Viele Fragen, wenig Antworten. Eins ist klar: Dieses Video ist kein Fall für das Musikressort, sondern für das Investigativ-Team.
Von Moritz Richter