Anne mag Listen. Ihre Packliste für die nächste Reise zum Beispiel. Ihr Freund Florian findet das lustig. Bis er in Annes Abwesenheit eine Liste auf ihrem Küchentisch findet…
Na gut. Als Anne in der neunten Klasse von derBerufsberaterin nach ihren Zukunftsplänen gefragt wurde und sie antwortete, sie
wolle hoch hinaus, hätte sie auch nicht unbedingt gedacht, dass sie
ausgerechnet als Flugbegleiterin ihr Studentenleben finanzieren würde.
„Ehrgeizig und zielstrebig“, hatte die dicke Frau mit der rahmenlosen Brille
damals auf ihren Notizblock geschrieben und Anne empfohlen, sich vor allem ein
dickes Fell zuzulegen: Frauen mit Ambitionen müssen viel aushalten.
Heute, zehn Jahre später, steht Anne vor dem Bett in ihrem
Schwabinger WG-Zimmer und packt ein paar Sachen. Am nächsten Morgen fliegt sie
nach Brasilien. Am Kopfende sitzt Florian und nervt. Er hat sich Annes Liste
mit den Sachen geschnappt, die sie mitnehmen will. Total überflüssiger
Planungsschritt, findet er. Das hält ihn aber nicht davon ab, sie Punkt für
Punkt, laut und inklusive Pilotendurchsagen-Imitation durchzugehen: Tampons,
Haarbürste, Zahnseide, ordnet er an. Zahnpasta, Mundspülung, Abschminktücher.
Anne ist schon fast nicht mehr traurig, dass sie ihren Freund in den nächsten
Tagen nicht sehen wird.
Als Florian am übernächsten Abend noch einmal in ihre
Wohnung kommt, weil er ihre Blumen gießen soll, entdeckt er in der Küche einen Liebesbrief
von seiner Anne. „Damit Du Dich nicht so allein fühlst“, steht drauf. „Und weil
Du Dich über meine Packliste lustig gemacht hast!“ Dann circa 30
Arbeitsaufträge für die nächsten zwei Tage: Spülmaschine ausräumen, Wäsche
waschen, Kühlschrank putzen. Altpapier wegbringen, Staubsaugen, Einkaufen. Das
klingt nicht mal als Pilotendurchsage lustig, findet Florian. Er ist aufrichtig
empört darüber, dass Anne glaubt, er könne den Haushalt nicht ohne sie und ihre
dämlichen Listen schmeißen. Könnte er natürlich. An die Blumen hatte er
schließlich auch gedacht. Und noch dazu sieht doch jeder, dass die Spülmaschine
voll, die Schmutzwäsche viel und der Kühlschrank leer ist.
Andererseits steht da noch ein Sechserpack Bier drin und im
Tiefkühlfach liegen zwei Pizzen. Florian ruft seinen besten Kumpel an und sagt
ihm, er soll die Playstation mitbringen. Um Altpapier und Blumen kann er sich
später auch noch kümmern, beschließt er und weiß eigentlich schon, dass es wohl
Anne sein wird, die sich später darum kümmert. Er bekommt ein schlechtes
Gewissen. Dann klingelt sein Kumpel mit der Konsole. Die Skrupel sind schnell
verflogen. Anne hat ein dickes Fell, sie wird es schon aushalten.