Am 19. Oktober lädt die Stadt München ins Rathaus zur „18.jetzt“ Party für alle, die in diesem Jahr volljährig wurden. Anlass genug, einen Blick zurück zu werfen: Wie blicken unsere Autorinnen und Autoren heute auf ihr 18-jähriges Ich?
Von Amelie Völker
Ich hätte nicht einmal springen müssen. Vielleicht ein wenig strecken. Auf jeden Fall wäre es noch nie so einfach gewesen, einen Brautstrauß zu fangen. Die Arme aller weiteren weiblichen Gäste waren in hoffnungsvoller Pose nach oben gestreckt. Aber ich wollte nicht. Ich schloss die Augen. Und dachte an die Zeit, als ich 18 war. Ein Blick zurück.
Es war der Sommer 2013. Ich war unsterblich verliebt, wie man immer sagt. Er war groß, grünäugig und hatte den selben Musikgeschmack wie ich. Mein Jahrgang hatte gerade Abitur gemacht. Und alle meine näheren Freunde zog es ins Ausland. Nach Südamerika. Nach Australien. Nach Afrika. So weit weg wie möglich eben. Die Schule und das Drei-Punkte-Matheabitur (Danke, G8!) hinter sich lassen. Dem Work-&-Travel-Trend folgen. In der Ferne die Freiheit finden. Die Freiheit eben, die einer verwöhnten 18-Jährigen die Heimat nicht mehr bieten kann. Die Freiheit, die Frage nach dem „danach“ aufzuschieben. Aufbruch und Abenteuer. Suche und Selbstfindung. Heimweh und Hostel-Leben.
Und ich? Ich war verliebt. Und stand vor einer Entscheidung. Vor einer für mich damals sehr dramatischen Entscheidung: Soll ich mir den langersehnten Traum erfüllen und eine einjährige Sprachreise in die USA antreten? Oder soll ich zu Hause bleiben und die Beziehung nicht aufs Spiel setzen? Ich hatte so viel Angst vor dem Alleinsein. Und dem Alleingelassen werden. Ich weiß noch, wie ich zusammen mit meiner besten Freundin Anna – ihr Reiseziel: Buenos Aires – in meinem kleinen, schlumpfblauen Ford Fiesta saß und Rotz und Wasser geheult habe. Weil ich beides so sehr wollte. Und weil ich großen Respekt vor den Konsequenzen meiner Entscheidung hatte. Letztendlich bin ich nicht gefahren. Was sicherlich für Vieles gut war: Ich habe einen passenden Studienplatz in München bekommen und dort gleich im allerersten Seminar ganz wunderbare Menschen kennengelernt, diese Mädels sind auch jetzt noch meine engsten Wegbegleiter. Mit dieser Crew habe ich nicht nur verkatert die letzten Bänke der Vorlesesäle geteilt, sondern auch Prüfungsstress, Leistungsdruck, Liebeskummer – und somit auch das Erwachsenwerden. Die Geldsorgen meiner Weltenbummler-Freunde blieben mir damals auch erspart. Man könnte also sagen: Es war gut so. Und doch habe ich es lange bereut, nicht gefahren zu sein. Nicht, weil die vermeintliche große Liebe damals sowieso nach ein paar lächerlichen Monaten in die Brüche gegangen ist. Sondern, weil ich eine Entscheidung von jemandem anderen abhängig gemacht habe. Nicht von mir selbst. Und weil ich pessimistische Angst vor hypothetischen Zukunftsereignissen hatte, ohne mich zu trauen, positiv zu denken.
Aus diesem Gefühl habe ich einiges gelernt. Klar sind Beziehungen wichtig, vor allem, wenn man eine Zukunft in ihnen sieht. Aber vor allem dann wird ein Auslandsaufenthalt nichts daran rütteln. In der heutigen Zeit sind funktionierende Fernbeziehungen normal. Seit diesem Entscheidungsdrama meines 18-jährigen Ichs versuche ich – vor allem, was Reisen angeht – ein bisschen weniger an negative Konsequenzen zu denken. Dafür ein bisschen mehr im Moment zu leben. Das zu machen, was mir gut tut. Bei Fernweh für einen Tag in die Berge zu fahren und das Handy auf Flugmodus zu schalten.
Den Traum, eine längere Zeit in die USA zu gehen, habe ich übrigens immer noch. Nach dem Masterstudium steht dieses Vorhaben wieder auf meiner Liste. Versprochen.